Editorial

LJ-Rätsel: Die Küchentrick-Profiteure

(01.09.2020) Manchmal bieten Hausfrauen­tricks die Lösung für ein Methoden­problem. Unsere Gesuchten schoben auf diese Weise ein ganzes Feld entscheidend an.
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Am 24. März 1882 verkündete Robert Koch am Berliner Institut für Physio­logie in seinem berühmten Vortrag über die „Ätiologie der Tuberkulose” die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers – und wurde weltberühmt. Den Namen des 36-jährigen Bezirks­arztes einer damaligen Berg­baustadt, der gerade ein sechs­monatiges Sabbatical bei Koch am Kaiserlichen Gesund­heitsamt verbrachte, erwähnte er in dem Vortrag jedoch nicht. Was dieser alle mal verdient gehabt hätte. Immerhin erwähnte Koch dessen entschei­denden Beitrag zu der „Jahrhundert-Entdeckung“ wenigstens in einem Satz am Rande.

Nimmt man es genau, so hätte Koch allerdings in gleichem Maße auch den Namen der Ehefrau in seinen Vortrag mitein­schließen müssen. Denn tatsäch­lich war sie es, die damals die entschei­dende Idee beisteuerte, mit der das zentrale Problem der stabilen und sterilen Kultivier­barkeit der Tuberkel­bazillen gelöst wurde. Und damit generell auch für alle anderen Mikro­organismen danach.

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Die Idee selbst basierte auf nichts anderem als auf einem „Hausfrauen­geheimnis“ der Ehefrau. Unser späterer Bezirksarzt hatte die Tochter einer wohl­habenden hollän­dischen Einwan­dererfamilie während eines Besuches bei seinem älteren Bruder, ebenfalls ein Arzt, in New York kennen­gelernt – und 1874 in Genf geheiratet. Und als er wieder einmal über die frustrierende Frage des obigen Kultivie­rungsproblems sinnierte, fielen ihm plötzlich die Gelees und Puddinge seiner Frau ein – genauer gesagt, eine ganz bestimmte Eigen­schaft derselben. Diese Eigen­schaft, so referierte ihm seine Frau, resultiere aus dem Zufügen einer Zutat, die sie und ihre Mutter in New York bei einer hollän­dischen Immigrantin aus Java kennen­gelernt hatten. Kurz darauf hatte diese Zutat das Problem von Koch et al. ein für allemal gelöst.

Im Rückblick kann man durchaus sagen, dass die „Erfindung“ der beiden die Bakte­riologie schlichtweg revolu­tionierte. Besonderer Ruhm sprang für die beiden damals allerdings nicht heraus, da die universelle Anwend­barkeit ihres „Grund­rezepts“ erst nach und nach klar werden sollte. Auch zogen sie keinerlei finanziellen Gewinn aus ihrem Geistes­blitz, da sie eine Paten­tierung und kommer­zielle Verwertung der Erfindung als „unanständig“ ablehnten.

Vielleicht spielte bei alledem auch eine Rolle, dass die Hinwendung des Ehemanns zur Bakte­riologie offen­sichtlich eher indirekt motiviert war. Vielmehr hatte ihn schon als Feldassis­tenzarzt im Deutsch-Franzö­sischen Krieg 1870/71 ein Interesse an Hygiene gepackt, das ihn bis an sein Schaffens­ende nicht mehr loslassen sollte. Dies war auch der Grund, weshalb er sich Ende der 1870er bei dem seinerzeit führenden Hygieniker Max von Petten­kofer in München fortbildete. Und da er bei seinen Hygiene-Studien zwangs­läufig immer wieder mit der Bakte­riologie in Kontakt kommen würde, tat er das Gleiche bald darauf auch bei Robert Koch.

Nichtsdestotrotz ging die Viel­seitigkeit des Hygienikers und Teilzeit-Bakte­riologen noch über beide Fachgebiete hinaus. Beispiels­weise schrieb er als Schiffsarzt auf der New-York-Linie nach dem Krieg von 1870/71 die nach Kollegen-Meinung erste ernsthafte wissen­schaftliche Abhandlung über die Seekrankheit. Ebenso identi­fizierte er später in seiner Zeit als Bezirksarzt eine unter den Bergleuten verbreitete Krankheit als Lungen­krebs – wobei er allerdings, da radioaktive Substanzen wie Uran und Radium damals noch nicht entdeckt waren, fälsch­licherweise die Arsen-Belastung als Ursache verdächtigte.

1890 wurde unser Universal­mediziner schließlich als Bezirksarzt nach Dresden berufen, wo er unter anderem durch Milch verursachte Infektionen als Auslöser fataler Verdauungs­erkrankungen bei Kleinkindern ausmachte. Er entwickelte daraufhin ein Protokoll zur Pasteu­risierung der Milch und überzeugte umgehend eine große Dresdener Molkerei, dass sie ihre Milch fortan komplett pasteurisierte. Viele weitere sollten bald folgen.

Da zu dieser Zeit rund um ihn herum auch Typhus, Diphtherie und Cholera grassierten, startete er neben seiner ärztlichen Tätigkeit mit einem Kollegen ein Labor in einer Dresdener Vorstadt, wo er die bakteriellen Grundlagen dieser Krank­heiten untersuchte und schließlich entsprechende Hygiene­vorschriften erarbeitete. Als er 1911 starb, wurde das Labora­torium aus Angst vor Verseuchung abgebrannt.

Trotz all dieser Verdienste wird unser Hygiene-Experte heute dennoch vor allem in Zusammen­hang mit dem simplen haus­fräulichen Geistes­blitz seiner ihm damals assis­tierenden Ehefrau genannt. Was schließlich auch kaum wundert, da heute nahezu als Konsens gilt, dass die beiden damit die moderne Mikro­biologie überhaupt erst ermöglichten.

Wie heißen sie?

Ralf Neumann

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Foto: Pixabay/Anemone123




Letzte Änderungen: 01.09.2020