Editorial

Schnell zum Schnelltest

(17.09.2020) Wenn Firmen und Forscher zusammen­arbeiten, klappt die Produkt­entwicklung (manchmal) im Handumdrehen. Ein Blick nach Thüringen.
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Die SARS-CoV-2-Pandemie war gerade einmal ein paar Wochen alt, da kam aus Jena und Weimar die Meldung, dass ein gebrauchs­fertiger Antikörper-Test (für Ärzte und Labore) entwickelt worden sei. Ein Test, der super­schnell (in nur 10 Minuten), ohne viel Aufwand oder spezielles Laborgerät eine überstandene Infektion mit dem Virus erkennen könne. Von einem „revolu­tionären Streifentest“ sprach gar die Thüringer Allgemeine. Wenn nicht gleich revolutionär, so war die Geschwin­digkeit der Entwicklung und Produktion zumindest beein­druckend.

Möglich gemacht hatte das unter anderem der Infecto­gnostics Forschungs­campus Jena. Auf diesem „Campus“ arbeiten Industrie- und Forschungs­partner gemeinsam an sogenannten Vor-Ort-Tests (Point-of-Care-Tests, kurz POCT), mit denen sich Infektions­krankheiten schnell und kosten­günstig diag­nostizieren lassen. Im Falle von SARS-CoV-2 war das offensichtlich gelungen.

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Öffentlich-Private Partnerschaft

Der Forschungs­campus Jena vereint mehr als 30 Partner: neben einer Reihe lokaler Biotech-Firmen sind auch die Uni Jena sowie die beiden Leibniz-Institute für Photo­nische Techno­logien (Leibniz-IPHT) und für Naturstoff-Forschung und Infektions­biologie (Leibniz-HKI) dabei. Finanziert wird das Ganze vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Thüringen sowie den beteiligten Partnern.

Für den Thüringer Antikörper-Schnelltest hatte sich das Leibniz-IPHT mit der Diagnostik-Firma Senova aus Weimar zusammen­getan. Bereits im Januar hatte man nach ersten Berichten aus China begonnen, am Test zu arbeiten. Im April, so Senova-Chef Hans-Hermann Söffing gegenüber dem MDR, liefen die Produk­tionsanlagen seiner Firma auf Hoch­touren, von früh bis abends, von Montag bis Samstag – bis zu 15.000 Test-Kits pro Tag. „So schnell zu einem verfüg­baren Produkt zu kommen, ist nur möglich, wenn Partner aus Wirtschaft, Wissen­schaft und Medizin Hand in Hand zusammen­arbeiten“, kommentierte damals Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT.

Aus Firmensicht klingt es ähnlich „Eine enge Zusammen­arbeit mit Partnern aus der Grund­lagen­forschung, der angewandten Forschung und dem klinischen Umfeld sind für uns als KMU die beste Voraus­setzung, um innovative und hochwertige Diagnostika zu entwickeln“, teilt uns Senova-Forschungs­leiter Friedrich Scholz per E-Mail mit. „Wir profitieren in vielerlei Hinsicht durch die gemein­same Entwicklung von diagnos­tischen Produkten sowie den Wissens- und Erfahrungs­austausch zwischen Ärzten, Diagnostika-Anwendern sowie den Wissen­schaftlern.“ Einige Monate nach der Markt­einführung hat sich der SARS-CoV-2-Antikörper-Test laut Scholz „als sehr zuverlässig heraus­gestellt“. Derzeit diskutiere man mit Fachexperten über Weiter­entwicklungen.

Königlicher Test

Bei dem Schnelltest handelt es sich um einen Lateral Flow Assay, eine Spezia­lität der Weimarer Diagnostik-Firma. Seit 30 Jahren gibt es diese chromato­graphischen Immun­assays und noch immer sind sie der „king of all point of care tests“, wie es auf der Firmen­webseite heißt.

Bei diesen Tests werden Antikörper oder Antigene auf eine poröse Nitro­cellulose-Membran aufgebracht. Die Probe (die das jeweilige Pendant enthält) wandert dann entlang der Membran und wird spezifisch an den fixierten Antikörpern/Antigenen angereichert. Berühmtes, oft zitiertes Beispiel ist der Schwanger­schaftstest. „Der Vorteil dieser Tests ist, dass sie relativ unemp­findlich sind, also beispiels­weise nicht kühl gelagert werden müssen und 1 bis 2 Jahre bei Raum­temperatur lager­fähig sind. Außerdem benötigt man zur Durch­führung keine kompli­zierten Labor­geräte oder sonstiges Zubehör, sondern lediglich eine kleine Menge Probe. Bereits nach 10 Minuten hat man ein Ergebnis. Auch die Kosten für einen solchen Test sind sehr gering“, fasst Scholz die Vorteile dieser „Streifen­tests“ zusammen.

Die Weimarer verlassen sich dabei aber nicht nur auf die altbewährte Methodik, sie entwickeln sie auch weiter, zum Beispiel mit roten Goldnano­materialien und anderen Goldnano­materialien, „die spektral unter­schiedliche Eigen­schaften besitzen und hervor­ragend für die Lateral Flow Assays geeignet sind“.

Vor fünf Jahren hat Senova einen solchen Schnelltest auch zum Nachweis von Ebola entwickelt. Damals allerdings nicht auf dem Forschungs­campus Jena, sondern in Kooperation unter anderem mit dem Robert-Koch-Institut, Virologen aus Marburg sowie Mikro­biologen der Bundeswehr.

Bakterieller Pseudorotz

Aktuell arbeiten die Weimarer jedoch wieder mit ihren Partnern vom Infecto­gnostics Forschungs­campus zusammen. Dieses Mal soll gemeinsam mit dem Leibniz-IPHT ein Schnelltest gegen einen weiteren gefähr­lichen Erreger ersonnen werden: ein Bakterium namens Burk­holderia pseudo­mallei. Dieses löst den sogenannten Pseudorotz aus. Was zunächst nach einer 80er-Jahre-Punkband klingt, ist eine lebens­bedrohliche Infektions­krankheit, die vor allem in Südostasien und Nord­australien auftritt und auch Melioidose genannt wird.

B. pseudomallei weilt in Böden und Gewässern und besitzt von Natur aus Resistenzen gegen diverse Antibiotika. Bereits die Diagnose der Melioidose ist nicht einfach. „Von Fieber und Harnwegs­infektion über Lungen­entzündung bis zu Abszessen an verschiedenen Körper­stellen sind die Symptome sehr variabel“, erläutert Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT in einer Presse­mitteilung. Auch die Inkuba­tionszeit kann sehr unter­schiedlich ausfallen. Pro Jahr gibt es weltweit rund 165.000 Infek­tionsfälle, davon sterben rund die Hälfte der Infizierten. Auch weil die korrekte Diagnose oft zu spät kommt.

Genau hier käme der Schnelltest ins Spiel. „Die Heraus­forderung bei diesem Schnelltest war es, möglichst passende Antigene für den Erreger zu finden und sie so geschickt zu kombinieren, dass der gesamte Test viel weniger falsch-negative Ergebnisse liefert als die bisherigen Schnelltests“, erläutert Ehricht die frühe Entwick­lungsarbeit. Vier Antigene haben sich als testwürdige Kandidaten heraus­kristallisiert: AhpC (BPSL2096), GroEL1 (BPSL2697) und GroEL2 (BPSS0477) sowie Hcp1 (BPSS1498).

Eintauchen und abwarten

Diese sprüht man auf die bereits erwähnte Nitro­cellulose-Membran, anschließend taucht man diesen „Melioidosis Dipstick“ in ein Proben­gefäß mit Patienten­serum. Nach nicht länger als 15 Minuten ist das Ergebnis da. Die Machbar­keitsstudie, gemeinsam mit Forschern der Medi­zinischen Universität Graz, erschien im Juli in PLoS Neglected Tropical Diseases (14(7): e0008452).

Krankheits­auslöser sind übrigens Malleicyprole, Vorstufen der erst im letzten Jahr identi­fizierten Burkholder­säure. Besonders verdächtig sind hier Cyclo­propanreste im Malleicyprol, hoch­gespannte Ringe aus Kohlen­stoffatomen, die die Forscher um Christian Hertweck vom Leibniz-HKI in ihrem dazu­gehörigen Paper als „Cyclopropanol Warheads“, also Torpedo­köpfe, bezeichnen (Angew Chem Int Ed Engl, 1;58(40):14129-33). Möglicher­weise auch in Referenz zu der Tatsache, dass B. pseudomallei und der verwandte Erreger B. mallei als potentielle Biowaffen angesehen werden.

Ganz so schnell wie beim SARS-CoV-2-Antikörper-Test sind die Campus-Partner diesmal allerdings nicht. Vor einer möglichen Markt­einführung muss der Pseudorotz-Test noch weiter­entwickelt und anschließend zuverlässig in die Produktion überführt werden, betont Scholz. „Ein genaues Datum ist noch nicht bekannt.“

Kathleen Gransalke

Foto: InfectoGnostics/Jens Meyer




Letzte Änderungen: 17.09.2020