Editorial

Analyse auf Bestellung

(18.02.2021) Wer sich nicht mit dem Sequenzieren, Assemblieren und Annotieren von mikrobiellen Genomen rumplagen will, kann einfach im nanozoo anrufen.
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Wissenschaftler müssen heute echte Alleskönner sein. Laborarbeit, Öffent­lichkeitsarbeit, Paper­schreiben, Begutachten und so weiter und so fort. Und dann verlangt Reviewer 2 auch noch eine komplette Genom­rekonstruktion. Puh, das kann dauern.

Gut, dass man zumindest letztere Arbeit auch einfach an andere abgeben kann. An Menschen, die sich mit sowas auskennen, wie die drei Gründer von nanozoo: Molekular­biologe Christian Brandt und die beiden Bioinfor­matiker Martin Hölzer und Adrian Viehweger. „Wir haben nanozoo im Mai 2019 gegründet. Das basierte auf der Beobachtung, dass viele bioinfor­matische Analysen automati­sierbar sind, aber jeder das Rad neu erfindet, was recht ineffizient ist, langsam und gebunden an die Grenzen der lokalen Infrastruktur“, schreibt uns Zoodirektor Christian Brandt. „Hinzu kommt, dass viele Labore keine Bioinfor­matiker haben und bei wissen­schaftlichen Kooperationen kommt es oft zu langen Verzö­gerungen bis Ergebnisse vorliegen. Um es kurz zu machen: jeder möchte gerne sequenzieren, aber die Analyse der Daten ist zeitaufwendig und komplex. Wir wollen diesen ‚Flaschenhals‘ entfernen, durch Bioinformatics-as-a-Service.“

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Nur die Kleinsten

Dabei konzentrieren sich die drei Wissenschaftler auf die Kleinsten unter den Lebewesen: Bakterien, Pilze, Archäen und Protisten und das sowohl aus klinischen und Umweltproben als auch aus der synthetischen Biologie. Wer lebt in dieser Bodenprobe, welches Pathogen versteckt sich in dieser Blutprobe, ist mein editierter Organismus der, für den ich ihn halte?

Statt nun selbst den Sequenzierer anzuwerfen oder im Datenwust zu versinken, überlässt man die Beant­wortung dieser Fragen einfach den Profis. „Wir bieten die komplette Rekonstruktion von mikrobiellen Genomen an. Dies umfasst auch komplexe, also polyploide, Genome, für deren optimierte Rekonstruktion wir Sequen­zierdaten multipler Technologien (Illumina, Nanopore) verarbeiten. Weiterhin liefern wir unter anderem Annotationen mittels gut kuratierter Datenbanken, die Identi­fikation potenzieller Sicherheits­risiken, wie Antibiotika-Resistenzen und Toxine, ebenfalls in Kombination mit funktionellen Studien (Genexpression, Protein­synthese)“, zählen die Gründer ihr Leistungs­profil auf. Obendrauf kommt dann noch eine komplette Liste relevanter Literatur­referenzen, die man wie jeder weiß für eine ordentliche Publikation benötigt.

Erstmal nebenbei

Klingt aufwendig, selbst für Profis. Zurzeit macht das Trio das Ganze aber noch als Nebenjob. Denn alle Zoodirektoren sind aktuell anderweitig beschäftigt: verteilt über Jena, Berlin und Leipzig. Da ergibt es auch Sinn, sich nicht auf einen konkreten Firmen­standort festzulegen. „Generell sind wir als ‚Remote Company‘ aufgestellt, was uns Standort-unabhängige Arbeit ermöglicht und wir so auch aktuelle Technologien schnell wechseln können“, erläutert Brandt. Die Sequen­zierungen und Laborarbeiten laufen übrigens über Drittanbieter ab, „da dies das beste Preis-/Leistungs­verhältnis für den Kunden darstellt“.

Auch Viren gehören in den Nanozoo. Sie werden aber nicht verhätschelt, sondern ihnen wird Furcht eingeflößt: „Ich hab’ Angst“ lautet dann auch das Testimonial eines anonymen, pathogenen Virus auf der Webseite der Firma. Aber warum schlottern dem Virus die nicht vorhandenen Knie? Das könnte unter anderem an DarkStrain liegen. „Das Produkt DarkStrain entstand aus der Sorge, dass Ausbrüche lebens­gefährlicher Erreger unter Umständen ‚verschlafen‘ werden, weil der Zugang zu wirkungs­vollen Technologien durch deren Komplexität verwehrt bleibt. (…) Im Gegensatz zu aktuell genutzten Technologien wie Multilocus Sequence Typing, Pulsed-Field-Gelelektro­phorese oder Phagen­typisierung benötigt der Kunde kein Equipment oder Fachwissen und die Ergebnisse sind genauer, preiswerter und schneller verfügbar.“

Interaktiver Report

Krankenhäuser können etwa verdächtige Proben einsenden, nanozoo koordiniert den Rest. Am Ende entsteht ein Live-Report, der die Infektions­kette interaktiv abbildet inklusive räumlicher und/oder geographischer Ausbreitung. So lassen sich Ausbrüche schnell und gezielt eindämmen.

Apropos Eindämmen. Während der aktuellen Pandemie stellt nanozoo seine Bioinformatik-Expertise ebenfalls zur Verfügung – kostenlos – und beseitigt gleichzeitig ein bestehendes Problem. Denn wie die Gründer festgestellt haben, ist das Übermitteln der Rohdaten in geeigneter Struktur für die Analyse für viele Kunden problematisch. Denn es geht immerhin um hunderte Gigabyte an Daten. „Daher haben wir uns auf die Entwicklung eines Portals konzentriert, welches sowohl den Upload der notwendigen Rohdaten als auch deren direkte Cloud-basierte Analyse ermöglicht. Nun haben wir uns entschieden, einen Prototypen für SARS-CoV-2-Genom­rekonstruktionen zur Verfügung zu stellen. Der Nutzer kann seine Rohdaten einfach hochladen, um dann die gewünschte Genomsequenz für weitere Analysen zu generieren.“

Wenn sich das System bewährt, sollen auch andere Workflows zukünftig über das Portal laufen. Im besten Fall können Kunden zum Beispiel eine Genom­rekonstruktion dann so einfach bestellen wie ein Buch.

RNA und Metagenome

Es gibt also noch viel Erweiterungs- und Optimierungs­potential. Auch was das Angebot angeht. Die drei Gründer haben da unter anderem mikrobielle Metagenome im Blick. „Mikroben-Gemein­schaften sind generell schwer zu untersuchen aufgrund des enormen Rechen­aufwands. Hierfür entwickeln wir aktuell ein Produkt, um Pathogene in Metagenomen zu identifizieren. Weiterhin ist das Produkt auch in der Lage, mikrobielle Proben untereinander zu vergleichen z. B. um Änderungen in Mikroben zu untersuchen im Menschen oder zum Beispiel auch in Umweltproben“, gibt Brandt einen Ausblick.

Und auch für die Analyse von Transkrip­tomdaten haben die drei schon ein Produkt im Kopf. „Durch RNA-Analysen wollen wir so unser Portfolio durch funktionelle Studien von Mikro­organismen komplementieren“, sagen die Jungunternehmer.

Zu guter Letzt noch die Frage nach dem Firmennamen, die ja hier fast schon auf der Hand liegt. Brandt klär auf: „‘nano’ wurde verwendet, da dies die Skala ist, auf der sich das mikrobielle Leben abspielt und ‚zoo‘, weil wir die mikrobielle Datenflut kuratieren und unseren Kunden für ihre ‚use cases‘ als interessante Daten zur Verfügung stellen, analog wie ein Zoodirektor verschiedene Spezies kuratiert oder pflegt. Die Farbe [ein dunkles Pink] wurde von Adrian Viehwegers Tochter gewählt.“

Kathleen Gransalke

Bild: Pixabay/athree23 & nanozoo

 

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Letzte Änderungen: 18.02.2021