Editorial

CoroNaspresso

(31.03.2021) Was kommt heraus, wenn ein aus Italien stammender Chemiker einen SARS-CoV-2-Test für zuhause bastelt? Klar, ein Test in der Espresso-Kapsel.
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Solange Impfungen nur schleppend vorankommen und Impfstoffe durch die vielerorts aufkommenden Virus­mutationen drohen, an Schlagkraft einzubüßen, bleibt zur Eindämmung der Pandemie weiterhin nur eines übrig: Testen, was das Zeug hält. Pragmatische, dezentrale Lösungen sind gefragt, die weder logistische Perfektion noch technische Meister­leistungen erfordern und dennoch sensitiv, verlässlich und auch von Nicht-Molekular­biologen durchführbar sind.

Zumindest was die Sensitivität betrifft sind Antigen-Schnelltests jedoch nicht das Gelbe vom Ei und Amplifi­kations-basierten Test-Verfahren unterlegen. Für einfache Heim-Tests bieten sich insbesondere RT-LAMP-Tests an, bei denen die Reaktion bei konstanter Temperatur abläuft. Statt eines teuren Thermocyclers braucht man nur ein simples Heizgerät, das eine Temperatur von 60 bis 70°C über eine halbe Stunde konstant hält.

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Erfolglos im Backofen

„Lässt sich ein solches Gerät nicht auch im Haushalt auftreiben?“, fragte sich das Team des organischen Chemikers Vittorio Saggiomo vom Laboratory of BioNanoTechnology der Universität Wageningen (Niederlande). Als mögliche Heizquellen testete die Gruppe unter anderem Backofen, Geschirrspüler und Waschmaschine - ohne Erfolg. Schließlich kam sie auf die Idee, die Temperatur mit einem sogenannten Phasen­wechselmaterial (PCM) konstant zu halten. PCMs, wie zum Beispiel Paraffinwachse, schmelzen wenn sie erhitzt werden und erstarren bei tieferen Temperaturen in einer exothermen Reaktion. Je nach Material, Menge und Außen­temperatur besteht für eine gewisse Zeit ein Temperatur­gleichgewicht, da die freigesetzte Wärme der exothermen Reaktion den Temperatur­verlust ausgleicht. Dieses Prinzip nutzte Saggiomos Team für einen einfachen und kosten­günstigen RT-LAMP-basierten Corona-Test, den man sehr schnell zuhause durchführen kann.

Mit akribischen Temperatur­messungen suchten die Niederländer zunächst nach einem passenden Phasen­wechselmaterial. Sie wählten schließlich das Paraffin-basierte Rubitherm RT64HC, dessen Schmelz­temperatur zwischen 63 und 65 °C liegt. Offensichtlich wurde der gebürtige Neapolitaner Saggiomo von seinem Espresso-Automaten für den Aufbau des Corona-Tests inspiriert: Die Gruppe führt die RT-LAMP-Reaktion ganz einfach in leeren Nespresso-Kapseln durch, die mit wenigen Gramm Rubitherm gefüllt sind. Um diese sogenannten CoroNaspresso-Kapseln herzustellen, gibt man etwa vier bis fünf Gramm Rubitherm-Granulat in eine Kapsel und schmilzt sie in einem heißen, aber nicht mehr kochenden Wasserbad. Anschließend steckt man vier 200-Mikroliter-PCR-Tubes in das flüssige Paraffin, die mit einer simplen Halterung aus dem 3D-Drucker positioniert werden. Sobald das Phasen­wechselmaterial erstarrt ist, nimmt man die Tubes heraus und kann die Kapseln für die eigentlichen RT-LAMP-Tests einsetzen.

Nach dem üblichen Schema

Der Corona-Test in den vorbereiteten CoroNaspresso-Kapseln folgt dem üblichen RT-LAMP-Schema bei dem alle Zutaten in einen Topf pipettiert und bei konstanter Temperatur inkubiert werden: Neben dem Mastermix sind dies die nötigen Loop-Primer und vier auf das virale E-Gen abgestimmte Primer sowie die Proben-RNA. Die Tubes steckt man anschließend in die CoroNaspresso-Kapsel und lässt diese 30 Minuten in einem Topf mit heißem, aber nicht mehr kochendem Wasser schwimmen. Anschließend nimmt man die Kapsel heraus und lässt sie drei Minuten abkühlen. Ein positiver Test ist durch einen Farbumschlag auf einen Blick zu erkennen.

Die Gruppe testete die CoroNaspresso-Methode anhand von acht RNA-Proben, die mit einem Kit extrahiert, jedoch nicht für RT-qPCRs aufgebraucht worden waren. Drei waren positiv, fünf negativ – exakt wie bei den entsprechenden RT-qPCR-Tests. Beim Detektions-Limit von 10.000 RNA-Molekülen pro Probe sehen die Niederländer noch Luft nach oben für den CoroNaspresso-Test. Man müsste ihn nur noch mit einem einfachen RNA-Extraktions-Protokoll kombinieren, dann hätte man einen RT-LAMP-Test für zuhause, der mit entsprechenden Primern nicht nur auf SARS-CoV-2 beschränkt wäre.

Andrea Pitzschke

Velders A. et al. (2021): CoroNaspresso: A Cheap, Rapid and Simple Home Test for Nucleic Acid Amplification. ChemRxiv, DOI: 10.26434/chemrxiv.14224481.v1

Bild: Velders et al.




Letzte Änderungen: 31.03.2021