Editorial

„Ich sehe die Biologie als Quelle von Technologie“

(12.04.2021) Mit einem Freigeist-Fellowship will Hannes Beyer die Optogenetik mit der 3D-Zellkultur verschmelzen. Mitstreiter für das Projekt werden noch gesucht.
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Der Freigeist-Fellowship soll Forscher dazu ermutigen, erste Schritte in ihnen noch unbekannte Territorien zu wagen. Welches Neuland möchten Sie betreten?
Hannes Beyer: Ich möchte neue biologische Modell­systeme entwickeln, die sich mithilfe von Licht steuern lassen. So zum Beispiel Organoide, also Organ-ähnliche dreidimen­sionale In-vitro-Zellkultur­systeme, in die wir Gene für lichtindu­zierbare, synthetische Schaltkreise einbringen. In der Optogenetik bin ich Spezialist, mit 3D-Zellultur­systemen habe ich bisher noch wenig Erfahrung. Ich werde in dieser Hinsicht mit Kooperations­partnern zusammen­arbeiten. Außerdem suche ich aktuell einen Postdoc, die/der gerade ihre/seine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Organoide oder anderer 3D-Zellkultur­techniken beendet hat und daran interessiert ist, neue Konzepte in der Optogenetik und synthetischen Biologie in meiner Gruppe zu erforschen. Interessenten können sich gerne bei mir melden.

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Welche Anwendungs­möglichkeiten gibt es für Ihre program­mierbaren, lichtgesteuerten Organoide?
Beyer: Man kann damit beispielsweise die Entstehung von Krankheiten erforschen. Optogenetische, synthetische Schaltkreise könnten Krankheits­verläufe in den Modellen räumlich gezielt induzieren oder aber erkennen und diese sogar in die entgegen­gesetzte Richtung steuern oder umlenken. Sie könnten als Sensoren die Entwicklung von Medikamenten unterstützen. Auch Anwendungen in der personalisierten Diagnostik sind denkbar.

Der Fellowship beinhaltet eine Förderung von 1,8 Millionen Euro über 6 Jahre, mit zwei Jahren Verlängerungs­möglichkeit. Wofür möchten Sie das Geld einsetzen?
Beyer: Mit den Mitteln werde ich meine eigene Stelle finanzieren. Zudem möchte ich nacheinander zwei Postdocs und zwei Doktoranden einstellen. Sogar Kosten wie Verbrauchs­materialien und Reise- sowie Publikations­kosten werden mitfinanziert.

Wie verlief die Antragstellung?
Beyer: Durch die Corona-Pandemie hat sich die Antragstellung sehr in die Länge gezogen. Im Oktober 2019 habe ich den Antrag aus dem Ausland eingereicht. Die Entscheidung über die Freigeist-Fellowships fiel Mitte Dezember 2020. Dieses Jahr wurden insgesamt 9 Freigeist-Fellows gefördert.

Wie sind Sie zu Ihrem jetzigen Forschungsthema gekommen?
Beyer: Während meiner Studienzeit bin ich auf ein „Landmark“-Paper von Anselm Levskaya et al. (Nature, 461(7266):997-1001) gestoßen, in dem zum ersten Mal ein mithilfe von Licht schaltbares Protein verwendet wurde, um die Morphologie von tierischen Zellen zu steuern. Mit diesem Protein, Phytochrom B, habe ich mich dann auch intensiv in meiner Diplom- und Doktorarbeit beschäftigt. Mich hat das Konzept beeindruckt, dass man Proteine und Gene in einem völlig anderen zellulären System neu miteinander verknüpfen kann, um bestehende Strukturen zu kontrollieren oder völlig neue Funktionen zu generieren. Von diesem Zeitpunkt an, habe ich die Biologie mehr und mehr als eine Quelle der Technologie angesehen.

Haben Sie andere Wissenschaftler in Ihrer Laufbahn als Mentoren beeinflusst?
Beyer: Mein Vater Peter Beyer ist ebenfalls Biologe und hat mit Pflanzen gearbeitet. Er hat den „Golden Rice“ mitentwickelt. Meine Frau, eine Biologin, hat mich ebenfalls darin bestärkt, diesen Weg zu gehen. Das Fach liegt bei uns wohl in der Familie. Als ich mein Diplom machen wollte, kam gerade Wilfried Weber von der ETH Zürich an die Universität Freiburg als erster Professor für synthetische Biologie. Er wurde mein Mentor während meiner Diplom- und Doktorarbeit und ich durfte viel von ihm lernen. Ebenso hat mich Matias Zurbriggen, mein jetziger Host, durch seine Ansätze der Optogenetik in Pflanzen inspiriert.

Voraussetzungen für einen Freigeist-Fellowship sind Auslandsaufenthalt und Wechsel des akademischen Umfeldes. Wo waren Sie im Ausland tätig?
Beyer: Um neue Kenntnisse zu erwerben, habe ich nach meiner Promotion drei Jahre lang als Postdoc an der Universität Helsinki auf dem Gebiet Struktur­biologie und Protein-Engineering gearbeitet. Ich habe mich mit Protein-Splicing durch Inteine beschäftigt. Ich kann mir vorstellen, dieses Know-how in das jetzige Forschungs­vorhaben einzubringen.

Konnten Sie für Ihr jetziges Forschungsthema bereits Vorarbeit leisten?
Beyer: Während meiner Doktorarbeit habe ich pflanzliche Photo­rezeptoren in tierischen Zellen und in Biomaterialien verwendet. Ich konnte mithilfe von Licht über ein Smartphone-Display räumlich definiert den nukleären Import und Export von Proteinen in tierischen Zellen steuern (ACS Synth Biol, 4(9):951-8). Darüber hinaus habe ich lichtgesteuerte Hybrid­materialien aus synthetischen, biologischen Proteinmodulen und Polymeren entwickelt, die abhängig von der Zahl eingesetzter Lichtpulse oder räumlich kontrolliert Enzyme und Proteine freisetzen können (Adv Mater, 30(21):1800472; Acta Biomater, 79:276-82). Ich habe zudem eine neue DNA-Klonierungs­technologie entwickelt, die die Konstruktion synthetisch-biologischer, genetischer Systeme ganz ohne Enzyme erleichtert (PLoS One, 10(9):e013765).

Wie sieht Ihr wissen­schaftliches Umfeld in Düsseldorf aus?
Beyer: Ich bin zu einem perfekten Zeitpunkt an das Institut für Synthetische Biologie an der Universität Düsseldorf gekommen, da wir gerade in einen Neubau gezogen sind und 500 m2 Laborfläche zur Verfügung haben. Alle Einrichtungen sind auf dem neuesten Stand. Die Zusammen­arbeit mit Matias Zurbriggen, dem Institutsleiter, ist hervorragend. Ich hoffe auf einen wissen­schaftlichen Austausch im SFB 1208 „Identität und Dynamik von Membransystemen“, in der Graduierten­schule „Moleküle der Infektion“ (MOI) und mit Arbeitsgruppen am Universitäts­klinikum Düsseldorf. Mit der Gruppe von Ellen Fritsche am Leibniz-Institut für umwelt­medizinische Forschung in Düsseldorf konnte ich mich bereits über induzierte pluripotente Stammzellen austauschen.

Welche Auswirkungen hatte die Coronakrise auf Ihren Start in Düsseldorf?
Beyer: Die Coronakrise hat es zwar erschwert, mit der Familie von Finnland aus in Düsseldorf eine Wohnung zu finden, der Umzug des Instituts in den Neubau war aber trotz der Krise problemlos und gut organisiert. Anfang 2020 konnten wir auch gerade noch unseren Teil eines Praxiskurses durchführen, bevor dieser wegen der Coronakrise pausiert wurde. In Kürze haben wir Prüfungen mit 500 Studenten, bei denen wir die Corona-Maßnahmen einhalten müssen.

Wo sehen Sie sich in sechs Jahren?
Beyer: Ich hoffe, dass ich dann meinen Fuß in das Feld der 3D-Kultur­techniken gesetzt und mit meiner Forschung einen wesentlichen Beitrag für das Forschungsfeld geleistet haben werde. Außerdem möchte ich dann auch alle Fähigkeiten für eine Professur erlangt haben. Das würde mir ermöglichen, die zweijährige Verlängerung des Freigeist-Fellowship anzutreten.

Das Interview führte Bettina Dupont

Bild: Hannes Beyer

 

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Letzte Änderungen: 12.04.2021