Editorial

Tarnkappen-RNA-Labeling

(07.07.2021) Übliche Fluoreszenz-Label für RNA können dessen Transkription und Translation stören. Ein neues Label schleicht sich jedoch unbemerkt in die RNA ein.
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Um RNA zu markieren, hängt man meist fluoreszierende Cyanin-Farbstoffe (Cy3, Cy5) an die Enden der RNA-Moleküle. Diese sind aber ziemlich klobig und können die Enzyme der Transkriptions-und/oder Translations­maschinerie empfindlich stören. Auch die beliebte Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ist nicht perfekt für das RNA-Imaging geeignet. Sie ist zwar sehr spezifisch und sensitiv, die untersuchten Zellen müssen aber vorab fixiert werden.

Um RNA ungestört in der Zelle beobachten zu können, muss man sie wie mit einer Tarnkappe heimlich markieren, damit Enzyme und andere RNA-Interaktions­partner von dem Label nichts mitbekommen. Solch ein Tarnkappen-Label entwickelte Marcus Wilhelmssons Team von der Chalmers University of Technology in Göteborg, Schweden.

Editorial

Anstandslos angehängt

Das Label basiert auf dem fluoreszierenden Cytosin-Analog tCO (1,3-Diaza-2-Oxophenoxazin), aus dem die Schweden mit einigen chemischen Tricks das Ribonukleosid-Triphosphat tCOTP synthetisierten. Die Gruppe testete zunächst, ob tCOTP von der terminalen Deoxynukleotidyl­transferase (TdT) akzeptiert wird. Tatsächlich hängte diese tCOTP anstandslos an die Enden von RNA-Molekülen an. Wie mit dem natürlichen Baustein CTP entstehen hierdurch mehrgliedrige Ketten. Anschließend untersuchten die Forscher, wie die T7-RNA-Polymerase mit tCOTP zurechtkommt. Auch diese hatte keine Probleme mit dem CTP-Analogon und baute es in kurze RNA-Transkripte mit einer Länge von zwanzig bis neunzig Nukleotiden ein.

Da die RNA nicht nur mit einem, sondern mit mehreren tCO-Nukleotiden markiert werden kann, ist auch die Signalstärke entsprechend hoch. Die tCO-gelabelte RNA lässt sich leicht mit einem denaturie­renden Agarosegel trennen und ohne weitere Färbung direkt in diesem beobachten. Wilhelmssons Team stellte schließlich via Zell-freier Transkription ein vollständiges 1,2 kb langes Transkript eines DNA-Templates her, das für eine Fusion des Histon-Proteins H2B mit dem Grünfluores­zierenden Protein codierte (H2B-GFP). Bei diesem ersetzte die Gruppe bis zu hundert Prozent der CTPs durch tCO. Selbst in Abschnitten mit vielen C-Repeats traten hierbei mit den verwendeten T7- und SP6-RNA-Polymerasen keine Probleme auf. Die T7-RNA-Polymerase zog das Original-CTP nur minimal tCOTP vor, auf den korrekten Einbau von tCOTP wirkte sich dies jedoch nicht negativ aus.

Ein Viertel reicht

Das Unterjubeln von tCO in die Transkripte erinnert an die Isotopen-Markierung. Doch leider verläuft das Fluoreszenz­signal der tCO-markierten RNA nicht proportional zur Anzahl der eingebauten tCO-Moleküle. Der Grund hierfür ist ein internes Quenchen, das zwar die Detektion nicht stört, aber quantitative Schluss­folgerungen erschwert. Für ein durchschnitt­liches RNA-Molekül genügt es, wenn ein Viertel der Cytosinreste durch tCO ersetzt werden.

Zum Abschuss transfizierte die Gruppe humane Zellen (SH-SY5Y) mit tCO-gelabelter mRNA, um zu sehen, wie effektiv diese in der Zelle translatiert wird. Mit Konfokal­mikroskop sowie Durchfluss­zytometer verfolgte sie, wie die Transkripte in der Zelle transportiert sowie prozessiert und schließlich translatiert wurden. Einen signifikanten Unterschied zu nicht-gelabelten Transkripten fanden die Schweden hierbei nicht.

Andrea Pitzschke

Baladi T. et al. (2021): Stealth fluorescence labeling for live microscopy imaging of mRNA delivery. J Am Chem Soc,143(14):5413–24

Bild: Baladi et al. & Pixabay/DeSa81





Letzte Änderungen: 07.07.2021