Deutscher Name
für philippinischen Falter
(09.08.2021) Seit Jahren setzt er sich für die Biodiversität ein. Grund genug, eine Schmetterlingsgattung nach Falter-Fachmann Josef Settele zu benennen.
Wenn eine neu entdeckte Art nach einem Forscher bzw. einer Forscherin benannt wird, dann in der Regel, weil sich diese(r) um die Erforschung eines entsprechenden Themengebiets verdient gemacht hat. Das gilt auch für Josef Settele, der sich als Agrarökologe unter anderem besonders für die Erforschung und Erhaltung der Vielfalt der Insekten, und da insbesondere der Schmetterlinge eingesetzt hat. Dafür arbeitete er viele Jahre auf den und über die Philippinen, wo die nun nach ihm benannten Nachtfalter heimisch sind (Zoological Studies, 60:27).
Bereits seine Doktorarbeit an der Universität Hohenheim führte Settele auf die Inselgruppe: Am Institut für Pflanzenproduktion in den Tropen und Subtropen untersuchte er die Auswirkungen der Intensivierung des Reisanbaus auf die Insektengemeinschaften der Reisterrassen. In dieser Zeit lernte er auch den tschechischen Systematiker Karel Cerný kennen, der in Innsbruck lebt und forscht und gemeinsam mit seinem russischen Kollegen Anton V. Volynkin von der Altai State University die neue Flechtenbären-Gattung Setteleia beschrieben hat. „Die Gattung ist nach Josef Settele benannt, weil er bei der Organisation der Forschungsarbeiten auf den Philippinen sehr geholfen hat und sich auf politischer Ebene stark für den Schutz der Schmetterlinge und der Biodiversität auf den Philippinen sowie weltweit engagiert“, begründen die Entdecker ihre Entscheidung.
Seltene Falter
Settele und Cerný sind erstmals in den 1980er-Jahren aufeinander getroffen und haben gemeinsam in den bergigen und schwer zugänglichen Regionen des tropischen Regenwalds der Philippinen die zur Erforschung der Nachtfalter nötige Infrastruktur aufgebaut. In den Jahren von 2011 bis 2016 leitete Settele zudem ein Projekt u. a. im Ort Banaue, um Strategien für einen nachhaltigen Reisanbau zu entwickeln. Banaue ist ein Dorf in der Provinz Ifugao, einer Gebirgsregion im Norden der größten philippinischen Insel Luzon, deren Reisterrassen seit 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Gleichzeitig ist die Region auch die Heimat der neu beschriebenen Art Setteleia carota.
Bei ihr und ihren bisher bekannten Verwandten S. witti, S. Iourensi und S. bakunawa handelt es sich um Bärenfalter mit auffallend abgerundeten Vorderflügeln. Bislang kennt man sie nur aus waldnahen Standorten in bestimmten Regionen der Inselgruppe. Ihr kleines Verbreitungsgebiet und die Tatsache, dass sie wohl auf bestimmte Flechten und Algen als Nahrung angewiesen sind, legt eine potenzielle Gefährdung nahe. Als nächste Verwandte in Mitteleuropa lebt das ockerfarbene bis orange gefärbte Rosen-Flechtenbärchen (Miltochrista miniata) in Misch-, Bruch- und Moorwäldern. Auch diese Art ist eher selten.
Verborgen in einer Sammlung
Entdeckt wurden die vier neu klassifizierten Arten übrigens in einer Sammlung, die Czerny zusammen mit Kollegen aus Fundstücken von den Philippinen angelegt hatte. Bei einer Untersuchung der Geschlechtsorgane der präparierten Schmetterlinge fielen unbekannte Merkmale auf, die am Ende zur Beschreibung einer neuen Gattung führten. Dass sich in wissenschaftlichen Sammlungen noch nicht klassifizierte Fundstücke befinden, ist dabei nicht ungewöhnlich. Settele selbst besitzt eine Sammlung mit etwa 100.000 Schmetterlingen von den Philippinen, in der sich seinen Schätzungen zufolge bis zu 1.000 unbeschriebene Arten befinden könnten.
Gemeinsam mit Kollegen möchte der Schmetterlingsforscher diesen Schatz in Zukunft noch heben – sofern ihm seine vielfältigen Aktivitäten dafür Zeit lassen: Nach seiner Promotion wechselte der Agrarökologe im Jahre 1993 an das heutige Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), wo er unter anderem das Tagfalter-Monitoring Deutschland mitaufgebaut hat und seit 2020 das Department Naturschutzforschung leitet. Außerdem ist er als außerplanmäßiger Professor für Ökologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig und Mitglied des Deutschen Zentrums für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).
Berührende Benennung
Für den Schutz der Biodiversität, vor allem von Insekten, setzt sich Settele auch politisch ein. So war er im Weltbiodiversitätsrat einer der drei Direktoren für das Global Assessment, das 2019 veröffentlicht wurde, und ist seit 2020 Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen der deutschen Regierung. Im selben Jahr – bereits vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – ist auch sein Buch „Die Triple-Krise“ erschienen, in dem er Artensterben, Klimawandel und Pandemien in Beziehung zueinander setzt. Über die nach ihm benannten Schmetterlinge freut er sich laut Pressemitteilung sehr: „Dass eine Schmetterlingsgattung nach mir benannt wurde, berührt mich sehr und ist für mich zugleich eine Reise in meine Vergangenheit.“
Larissa Tetsch
Bild: Björn Kray Iversen (Settele) + Volynkin A. & Cerny K. (Setteleia carota), Montage: LJ
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