Editorial

Nano-Antennen
aufgestellt!

(09.12.2021) Kleinste Spuren von Chemikalien detektieren, und zwar zuverlässig – das verspricht die Technologie des Würzburger Start-ups NanoStruct.
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Jeder einzelne leuchtende Punkt in den Rechtecken des Goldfilms stellt eine Nano-Antenne dar, die je nach Größe/Geometrie eine andere Farbe verstärkt.

Metallische Nanostrukturen verstärken Messsignale bei der Oberflächen-verstärkten Raman-Spektroskopie. Gegründet haben NanoStruct die beiden Physiker Enno Schatz und Henriette Maaß, Pharmazeut Thien Anh Le (im Bild) und der Mann für die Finanzen, Kai Leibfried, Anfang dieses Jahres.

Herr Le, Sie haben Pharmazie studiert, wie sind Sie an das doch recht physikalisch ausgerichtete Start-up Nanostruct geraten?
Thien Anh Le: Ich bin von Haus aus eigentlich Apotheker, habe dann in der Theoretischen Chemie in Würzburg promoviert. In der Arbeitsgruppe von Bernd Engels ging es um Struktur­aufklärung von Proteinen sowie Protein-Wirkstoff-Wechsel­wirkungen. Gegen Ende meiner Promotion kam Enno Krauss, der jetzt Enno Schatz heißt, mit seiner Geschäftsidee auf mich zu.

Kannten Sie sich denn bereits vorher?
Le: Wir drei kennen uns schon seit den ersten Semestern.

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Drei? Also, Sie, Herr Schatz und Henriette Maaß?
Le: Genau, Enno und Henriette haben sich im Physik-Studium getroffen. Ich kenne Enno über Freunde, die zwar in der Chemie waren, so wie ich, aber mit Enno in einer WG wohnten. [Lacht] So sind wir zusammen­gekommen. Wir kennen uns also schon eine ganze Weile.

Wann war denn klar, dass Sie gemeinsam eine Firma gründen wollen?
Le: Das war im Frühjahr 2018, ich lag – wie gesagt – in den letzten Zügen meiner Doktorarbeit, Henriette war schon fertig promoviert und arbeitete bei Singulus Technologies, einer Firma, die Anlagen für verschiedene Beschich­tungsverfahren und Branchen entwickelt und baut. Enno hatte während seiner Promotion an neuartigen Materialien für die Plasmonik gearbeitet, die wir heute für eine spezielle Raman-Spektroskopie, die Oberflächen-verstärkte Raman-Spektroskopie, kurz SERS für Surface-Enhanced Raman Spectroscopy, nutzen können. Eine andere Forschungs­gruppe zeigte Interesse an diesem Material und kaufte ihm etwas davon ab. Da lag der Gedanke nahe, daraus eine Geschäftsidee zu entwickeln. Also hat er Henriette und mich mit ins Boot geholt.

Wie haben Sie sich in der ersten Zeit finanziert?
Le: Wir haben einen Antrag für einen EXIST-Forschungs­transfer gestellt, der auch gleich im ersten Anlauf durchging. Die erste Phase lief von Oktober 2019 bis September 2021 und gab uns die Gelegenheit, unser Projekt weiter­zuentwickeln. Gestartet sind wir also zu dritt, aber schon Anfang 2020 stieß Kai Leibfried zu uns, der sich als Betriebs­wirtschaftler um die Finanzen kümmert. Das ist unser Kernteam, mit dem wir Anfang 2021 unsere Firma NanoStruct gegründet haben. Aktuell befinden wir uns in der Phase 2 des EXIST-Forschungs­transfers, die bis Ende 2022 geht. Wir machen uns jetzt also auf die Suche nach potenziellen Investoren für die Folge-Finanzierung.

Warum haben Sie die Firma NanoStruct genannt?
Le: [lacht] Eine gute Frage. Um ehrlich zu sein, saßen wir echt lange an der Namens­gebung. Letztlich ist NanoStruct im Kern das, was wir machen. Wir stellen Nano­strukturen her, das ist unsere Expertise, unser USP – wenn man so will –, den wir dadurch generieren. Unsere Nano­strukturen sind exakt, extrem genau und dadurch reproduzierbar für verschiedene Anwendungen. SERS ist der erste Ansatz, den wir damit verfolgen, aber wir können uns durchaus vorstellen, dass etliche weitere Produkte und Anwendungen daraus entstehen.

Zum Beispiel?
Le: Es gibt Sensor-Chips auch in anderen Bereichen, aber das ist bislang noch Zukunftsmusik. Vorstellbar wäre die Anwendung in der Oberflächen-Plasmonen­resonanz­spektroskopie.

Aber erst einmal bleibt es bei SERS. Diese Methode ist an sich nicht neu, sondern wurde bereits in den 1980er-Jahren beschrieben. Was macht Ihre Technologie besser als andere SERS-Anwendungen?
Le: SERS ist eine Weiter­entwicklung der klassischen Raman-Spektroskopie, mit deren Hilfe sich Moleküle genau bestimmen lassen. Das Raman-Spektrum eines Moleküls oder auch Stoffes ist quasi wie sein Fingerabdruck. Allerdings ist das Signal oft sehr schwach und ein Peak in einem Spektrum kaum sichtbar, wenn nur wenige Moleküle vorliegen. SERS nutzt metallische Nanostrukturen, meist aus Gold oder Silber, die mit den Molekülen interagieren und wie Antennen deren Signale verstärken, teilweise sogar Milliarden-fach.

Damit können Sie dann feinste Spuren von zum Beispiel Chemikalien oder auch Verunreinigungen nachweisen?
Le: Genau. Bislang werden diese metallischen Nano­strukturen aber recht unspezifisch oder unsortiert auf ihren Träger aufgebracht, zum Beispiel ein Glasplättchen, sodass das Signal der zu analysie­renden Substanz mal hier, mal dort verstärkt wird. Bei einer Messung erhalten wir dann zwar sogenannte Hotspots, also gut messbare Stellen, aber an anderen Stellen tritt kaum eine Verstärkung des Signals auf. Dadurch sind die Messungen schlecht reproduzierbar. Wir haben es nun geschafft, definierte Strukturen dieses metallischen Films zu erstellen, sodass wir davon ausgehen, dass die Signal­intensität für ein bestimmtes Analysat immer gleich ist, egal wie häufig sie die Messung wiederholen.

Das klingt nach einer Anwendung, für die sich die pharma­zeutische Industrie, genauer die Wirkstoff­entwicklung, interessieren könnte. Wer sind Ihre potentiellen Kunden?
Le: Pharmafirmen mit Sicherheit, aber auch die chemische Industrie sowie alle Anwender, die mit hoher Präzision sehr kleine Konzen­trationen von zum Beispiel Verunrei­nigungen messen. Also etwa Analyselabore.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief NanoStruct
Gründung: 2021
Sitz: Würzburg
Mitarbeiter: 4
Produkt: Strukturierte „Biosensoren“ für SERS, Surface-Enhanced Raman Spectroscopy.

Wenn Sie weitere Details über NanoStruct lesen möchten, zum Beispiel, was genau denn SERS ist, dann lesen Sie das Firmenporträt in der kommenden LJ-Ausgabe 1-2/2022. Sie erscheint am 7. Februar 2022.

Bild: NanoStruct


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Letzte Änderungen: 09.12.2021