Editorial

Virustest im
Scheibenlabor

(15.12.2021) Mehrere SARS-CoV-2-Gene gleichzeitig nachweisen? Klingt kompliziert, ist mit einem Lab-on-a-Disk-System aus dem 3D-Drucker aber recht einfach.
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Alpha, Delta, Omikron. Wer weiß, mit welchen Verwand­lungskünsten SARS-CoV-2 noch aufwartet und versucht, sich Antikörpern oder der rechtzeitigen Erkennung in Tests zu entziehen. Eine Mutation in der Primer-Annealing-Sequenz beispiels­weise könnte die PCR-Amplifikation verhindern und zu falsch-negativen Befunden führen.

Umso wichtiger ist es daher, in Corona-PCR-Tests mehrere Gene zu checken. Das bedeutet aber auch mehr Zeit, Personal, Instrumente und Budget – und all dies ist knapp. Multiplex-Assays, die drei Gene gleichzeitig testen, erfordern qPCR-Thermocycler mit drei Fluores­zenzkanälen, um die einzelnen Amplifika­tionsprodukte unterscheiden zu können. Der entsprechende Reaktions­ansatz ist mit sechs Primern ziemlich komplex, die Gefahr von Mispriming und anderen Primer-Allüren entsprechend hoch.

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Kammern und Kanäle

Bei isothermalen Amplifika­tionsstrategien, die pro Gen von vorneherein schon vier bis sechs Primer benötigen, würde das Multiplexing die Amplifikation noch komplizierter und fehler­anfälliger machen. Wie es dennoch auch hier ohne aufwendige Detektions­systeme funktionieren kann, zeigt Changchun Lius Team von der University of Connecticut. Die Gruppe fand einen eleganten Weg, die parallel ablaufenden Reaktionen räumlich zu trennen. Die wichtigste Komponente des isothermalen Amplifika­tionssystems aus Connecticut ist eine kleine durch­sichtige Scheibe, die Lius Team mit dem 3D-Drucker herstellt (siehe Bild). Die darauf enthaltenen Kanäle und Kammern erinnern an die klassische Mikrofluidik, für die Beförderung der Flüssig­keiten sind jedoch keine Mikro-Pumpen oder sonstige pneumatische Steuerungen nötig.

Die runde Scheibe aus Methacrylat-Harz ist sechs Millimeter dick und hat einen Durchmesser von 45 Millimetern. In der Mitte enthält sie eine drei Millimeter weite Bohrung, um sie auf den Rotor einer üblichen Minizen­trifuge aufstecken zu können. Von einem ringförmigen Kanal um den Mittelpunkt herum, gehen in gleichmäßigem Abstand acht feinere Kanäle rechtwinklig ab, deren Enden sich jeweils zu einer kleinen Kammer erweitern. Breite und Höhe der Kanäle sind auf die erforderlichen Volumina abgestimmt, die einzelnen Kanäle und Kammern sind nicht miteinander verbunden.

Isolierte Reaktionen

Auf der Scheibe können acht Reaktionen parallel ablaufen – in jeweils zwei benachbarten Kammern lassen sich damit vier Gene testen. Zunächst wird hierzu die entsprechende Primer-Lösung in den ringförmigen Schacht pipettiert, und zwar jeweils am Zugang zu einem der acht Kanäle. Fünf Sekunden auf der Zentrifuge (6.000 rpm) transportieren die Primer mithilfe der Fliehkraft in das zugehörige Kämmerchen. Über eine verschließbare Öffnung (Inlet), die zwischen dem ringförmigen Schacht und dem Scheiben­mittelpunkt liegt, werden danach 250 Mikroliter Mastermix inklusive RNA und Farbstoff in das System pipettiert. Da die Öffnung an den Schacht angeschlossen ist, breitet sich der Mastermix ringförmig darin aus. Um ihn gleichmäßig in die acht Kammern mit den dort vorgelegten Primern zu befördern, wird die Scheibe wiederum kurz zentrifugiert.

Jetzt wären die Reaktionen prinzipiell startklar. Damit sie garantiert isoliert voneinander ablaufen, füllt man zusätzlich 200 Mikroliter Mineralöl via Inlet ein und zentrifugiert kurz. Hierdurch wird jeder der acht Kanäle mit einer dünnen Ölschicht abgeschirmt. Die befüllte Scheibe kommt anschließend eine knappe Stunde auf eine 63 Grad Celsius warme Thermoplatte, um die isothermale Amplifikation durchzuführen.

Leuchtend positiv

Positive Amplifikations-Reaktionen leuchten anschließend unter UV-Licht, und sind mit bloßem Auge zu erkennen. Ein einfaches Gel-Dokumen­tations-System oder Ähnliches reicht aus, um sie zu detektieren. Als Farbstoff dient Calcein-MnCl2, wobei MnCl2 als Quencher agiert. Im Verlauf der Amplifikation entsteht Pyro­phosphat, mit dem MnCl2 viel lieber Komplexe eingeht als mit Calcein, wodurch positive Proben leuchten. Der Reaktions­mechanismus ist im Grunde eine leistungs­stärkere Variante der RT-LAMP (reverse transcription loop-mediated isothermal amplification). Schon 2019 hatte die Gruppe die sogenannte Dual-Priming Isothermal Amplification (RT-DAMP) entwickelt (Anal Chem, 91(20): 12852–8).

In Testläufen des Scheiben­systems nutzte das Team die SARS-CoV-2 Gene N-1, N-2, und E-Gen als Targets und verwendete humanes POP7 als Kontrolle. In 20 klinischen Proben von Nasen­abstrichen wurden diese korrekt identifiziert. Die Sensitivität lag bei 5 (N-1), 500 (N-2) beziehungsweise 500 (E) Kopien. Als nächste Vereinfachung der Lab-on-Disk-Plattform strebt Lius Gruppe eine Extraktions-freie Detektions­strategie an. Sie sieht vor allem dann Vorteile für die Scheibe aus dem 3D-Drucker, wenn Ressourcen knapp sind und Multiplexing gefragt.

Andrea Pitzschke

Ding X. et al. (2022): Monolithic, 3D-printed lab-on-disc platform for multiplexed molecular detection of SARS-CoV-2. Sensors and Actuators B: Chemical, 351:130998

Bild: Ding et al.




Letzte Änderungen: 15.12.2021