Endstation Magen
Ziel des Projekts ist es, ein prophylaktisches Nasenspray und ein Inhalat für die Lunge zu entwickeln, um eine Infektion und die weitere Mensch-zu-Mensch-Übertragung zu verhindern. Die Viren adsorbieren an die eingesprühten antiviralen Peptide, werden dann mit dem Schleim heruntergeschluckt und im Magen durch die Magensäure unschädlich gemacht. „Wir konnten in vitro bereits zeigen, dass SARS-CoV-1 sowie SARS-CoV-2-Wildtyp, Alpha- und Deltavariante an die Peptidstrukturen binden“, berichtet Lauster.
Unterstützung erhält der Wissenschaftler durch den Peptidexperten und Spezialisten für Konjugationschemie Christian Hackenberger vom Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, der die Peptidstrukturen herstellt. Christian Sieben vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig wird die antivirale Wirkung der Peptide in einem Hochsicherheitslabor an einem zellbasiertem Lungenmodell untersuchen.
„Bis zum Ende der ersten Förderphase Ende Oktober 2022 wollen wir in der Lage sein, Peptide im Milligramm-Bereich herzustellen. Bis zum Ende des zweiten Jahres möchten wir zeigen, dass sich die Technologie auch für bis dato aktuellere SARS-CoV-2-Stämme anpassen lässt. Im dritten Jahr wollen wir die antivirale Wirkung der Peptide in einem Hamster-Modell erproben“, erläutert Lauster. „Mit unserer Lösung könnten Menschen ohne Masken miteinander lachen und wären in Situationen geschützt, in denen man keine Maske tragen kann“, gibt der Biophysiker zu bedenken.
Mit RNA-Interferenz gegen Parainfluenzaviren
Axel Schambach, Direktor des Instituts für Experimentelle Hämatologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, setzt gegen virale Atemwegserkrankungen auf RNA-Interferenz-basierte molekulare Therapien. „In Vorarbeiten hat der IT-begeisterte Arzt und Forscher Adrian Schwarzer aus meinem Institut und der Klinik für Hämatologie einen Algorithmus für die automatisierte Suche nach Zielsequenzen entwickelt, um mithilfe von kurzen Haarnadel-förmigen RNAs die Expression von Zielgenen effizient herunterregulieren zu können“, berichtet Schambach. „Mit der iGUARD genannten, auf Maschinenlernen basierenden Plattform haben wir eine Trefferquote von 80 bis 90 Prozent. Es ist uns gelungen, in der Zellkultur mithilfe von RNA-Interferenz den Zelleintritt von SARS-CoV-2-Partikeln um das Zehn- bis Fünfzigfache zu reduzieren“, erläutert er. Der Fokus des Projekts liegt aber zunächst auf den Parainfluenzaviren, die im Kindesalter Krupp auslösen und für immunsupprimierte Transplantationspatienten tödlich sein können.
Mit an Bord ist auch der Lungenpharmakologe Armin Braun vom Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) in Hannover, der im ersten Förderjahr zusammen mit dem Biochemiker Philippe Vollmer Barbosa an lebenden Gewebeschnitten aus menschlichem Lungengewebe und 3-D-Modellsystemen überprüfen wird, ob die Interventionsstrategie auch gegen die Ausbreitung von Parainfluenzaviren beim Menschen wirksam ist.
„In der zweiten Förderphase möchten wir unsere Strategie systemisch im Tiermodell testen. Bis zum Ende des Wettbewerbs möchten wir sie auf weitere respiratorische Viren ausdehnen“, berichtet das Forscherteam. „Der Vorteil unserer RNA-Interferenzstrategie liegt darin, dass sie schnell und flexibel auf neu auftretende Viren angepasst werden kann. Wir können mögliche Angriffsstrukturen schnell durchtesten und so neue RNA-Therapeutika schnell entwickeln.“
Besonders hat dem Team bisher die schnelle Förderentscheidung gefallen, die nur wenige Tage nach dem mündlichen Projektvortrag erfolgte und so Ideen zu aktuellen Themen schnellstmöglich unterstützt. Der Antrag selbst hat nur 7 Seiten umfasst. Auch das Coaching zu Produktentwicklung, Zulassung und Vermarktung und die Networking-Möglichkeiten mit den anderen Gruppen im Wettbewerb, Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und industriellen Partnern finden sie spannend.
Umgewidmete Phagenabwehr
Chase Beisel, Professor am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg, macht sich für das Projekt BacDefense bakterielle Abwehrmechanismen gegen Viren zunutze. Im Laufe der Evolution kam es zwischen Phagen und Bakterien zu einem regelrechten Wettrüsten. In den letzten zwei Jahren sind entscheidende Details zu Abwehrsystemen (Science, 359(6379):eaar4120) und ihren Komponenten (Science, 369(6507):1077-1084) entdeckt worden.
„Wir arbeiten mit CRISPR/Cas-Systemen, die mit einem speziellen Satz an Nukleasen ausgestattet sind. Diese können die Virus-RNA zerschneiden oder Virus-infizierte Zellen lahmlegen. Bakterien können zudem Virus-befallenen Zellen auf verschiedene Weise wesentliche Nährstoffe entziehen und so die Virusvermehrung eindämmen. Bakterielle Moleküle gegen Bakteriophagen werden derzeit auch als antivirale Mittel für den Menschen entwickelt“, erläutert der Wissenschaftler.
Die Effekte der neuen Wirkstoff-Kandidaten auf replizierende Viren sollen in verschiedenen Zellkultursystemen getestet werden, die Mathias Munschauer beisteuert. Er ist Juniorprofessor am gleichen Institut wie Beisel. Claus-Michael Lehr vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland und Olivia Merkel von der Ludwig-Maximilians-Universität München bringen ihre Expertise zu Systemen für den Wirkstoff-Transport in verschiedene Teile der Lunge in das Projekt ein. Oliver Fackler vom Universitätsklinikum Heidelberg verfügt über ein Tiermodell für die SARS-CoV-2-Infektion, in dem die neuen Wirkstoff-Kandidaten getestet werden sollen.
„Nach einem Jahr wollen wir die erfolgversprechendsten antiviralen Abwehrmechanismen aus Bakterien identifiziert haben, auf die wir uns für den restlichen Wettbewerb konzentrieren wollen. Am Ende der Challenge wollen wir deren antivirale Wirkung gegen SARS-CoV-2 im Tiermodell nachgewiesen haben“, erklärt Beisel.
Booster für umwälzende Ideen
Jedes Team bekommt von SPRIN-D einen Coach zur Seite gestellt, der die Entwicklungsarbeiten begleitet, um das Produkt schnell als Medizinprodukt oder Arzneimittel auf den Markt bringen zu können. Bei entsprechendem Potential ist auch eine Unterstützung nach Abschluss des Wettbewerbs möglich.
Die Bundesagentur fördert neben medizinischer Forschung auch andere Projekte zu sozialen, ökologischen und ökonomischen Problemen unserer Zeit. Bis 2029 stehen eine Milliarde Euro zur Verfügung. Man wird sehen, ob das Konzept aufgeht und die antiviralen Therapeutika bei den Patienten mit Lichtgeschwindigkeit ankommen.
Auch an der Impfstoff-Front gibt es Neuigkeiten. Auf einer Online-Pressekonferenz berichteten Özlem Türeci und Ugur Sahin, wie weit sie mit ihren Analysen hinsichtlich der Wirksamkeit ihres Impfstoffes gegen die Omikron-Variante gekommen sind. Nach noch sehr vorläufigen In-vitro-Daten neutralisiere eine dritte Dosis des bisher verwendeten Impfstoffs BNT162b auch Omikron-Viren, allerdings weniger effektiv als andere Varianten. Der Anstieg des Antikörpertiters nach der dritten Impfung sei deutlich und ähnlich hoch wie nach einer zweiten Dosis. Aktuell arbeite man bei BioNTech an fünf verschiedenen Varianten-Impfstoffen, je einen gegen Alpha, Beta, Delta, gegen eine Kombination Alpha-Delta und gegen Omikron. Die ersten vier seien in klinischen Studien, für den gegen Omikron passend gemachten Impfstoff habe man bereits die Plasmide kreiert, die für die Produktion der RNA nötig sind. Sahin erklärte, man könne erste Batches dieses Impfstoffes vermutlich im März 2022 liefern, abhängig vom Zulassungsprozess.
Bettina Dupont (mit Impfstoff-Update von Karin Hollricher)
Bild: AdobeStock/nikirov
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