Von Beirut nach Hamburg
Gegründet wurde Mushlabs im Jahr 2018 vom libanesischen Biotechnologen Mazen Rizk. Nach Bachelor und Master an der Lebanese American University in Beirut war dieser für die Promotion an die Technische Universität Hamburg-Harburg gekommen. Schon damals beschäftigte ihn der Nachhaltigkeitsgedanke: Mithilfe optimierter Enzyme sollte durch den Abbau holziger Biomasse nachhaltiger Treibstoff entstehen. Anschließend arbeitete Rizk beim weltweit drittgrößten Hefeextrakt-Produzenten und später als Entrepreneur in Residence bei Atlantic Food Labs in Berlin, wo er für die Gründung wichtige Erfahrungen sammelte. Atlantic Food Labs investierte später auch in die neu gegründete Firma.
Rizks Ansatz ist so einfach wie umweltschonend: Mithilfe von Abfällen aus der Nahrungsmittelproduktion – sogenannten Side Streams, zu denen beispielsweise Kaffeesatz, Stroh und Pressrückstände der Weinproduktion (Trester) gehören – wird in flüssigem Nährmedium ein Pilzmyzel kultiviert, aus dem sich anschließend ein fleischartiges Produkt herstellen lässt. Dadurch könnte in Zukunft ein zirkuläres Lebensmittelsystem entstehen.
Ein weiterer Vorteil dieser Kultivierungsweise ist, dass sie überall in der Welt stattfinden kann, wie der Mushlabs-Gründer erklärt: „Lebensmittel werden oft am anderen Ende der Welt produziert und über weite Entfernungen transportiert, während in den Produktionsländern Lebensmittelknappheit herrscht. Die Kultivierung unseres Pilzmyzels braucht wenig Platz und wächst unabhängig von landwirtschaftlichen Parametern wie Bodenqualität, Sonneneinstrahlung oder Klima. Das heißt, man kann direkt dort produzieren, wo verkauft wird. Das schont die Umwelt und macht die Produkte preislich erschwinglicher, da Transport- und Lagerkosten beinahe gänzlich entfallen.“
Mehr als nur Fruchtkörper
Welche Pilze zum Einsatz kommen, ist noch ein Betriebsgeheimnis. „Allerdings können wir verraten, dass es sich um weit verbreitete Speisepilze handelt, die man auch auf einem Wochenmarkt finden kann“, sagt Co-Gründerin Anne-Cathrine Preißer. „Da das Pilzreich extrem divers ist, können wir auf Pilze mit teils sehr unterschiedlichen, aber immer natürlichen Geschmacksprofilen zurückgreifen.“ Letzteres ist wichtig, denn das Produkt soll kein reiner Fleischersatz sein, sondern ein eigenes, leckeres Lebensmittel. „Unsere Produkte sind schmackhaft, zeichnen sich durch einen hohen Nährstoffanteil aus und können einen wichtigen Teil zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen“, fasst Preißer zusammen.
Tatsächlich ist das Pilzmyzel gesünder als Fleisch. Es ist reich an Proteinen, die noch dazu alle essentiellen Aminosäuren enthalten, an Ballaststoffen, die das Darmmikrobiom fördern, sowie an Spurenelementen und Antioxidantien. Außerdem ist es frei von Cholesterol, Hormonen und Antibiotika, die Fleisch oft belasten. Da Pilzmyzel einen kräftigen und von vielen Menschen als lecker empfundenen Eigengeschmack nach „umami“ hat – der Geschmacksrichtung, die typisch ist für würzige Fleischprodukte, alten Käse, Sojasoße und Meeresfrüchte – kann außerdem auf chemische Zusätze wie Geschmacksverstärker, Aromen und Verdickungsmittel verzichtet werden, wie sie bei eher geschmacksneutralen Lebensmitteln wie Tofu zum Einsatz kommen. „Damit richten wir uns an Verbraucher, die nicht unbedingt ganz auf Fleisch verzichten, sondern die sich abwechslungsreich und gesund und dabei gleichzeitig nachhaltig ernähren wollen“, sagt die Co-Gründerin.
Hamburger Klimapioniere
Heute arbeiten bei Mushlabs 42 Menschen aus 20 verschiedenen Nationen. Der Großteil sitzt in Hamburg, ein kleines Team befindet sich aktuell noch in Berlin. „Hauptsitz und Heimat der Firma ist aber ganz klar die Hansestadt, wo wir aktuell neue Räumlichkeiten planen und unser Team stetig erweitern“, so Firmengründer Rizk. „Wir sind immer auf der Suche nach spannenden Kandidaten, die sich uns und unserer Mission anschließen wollen.“ Im Hamburger Labor werden zurzeit monatlich mehrere Kilogramm Rohstoffe geerntet, mit denen an ersten Produktprototypen für Verkostungen gearbeitet wird. Demnächst soll dann kommuniziert werden, wann welches Produkt auf den Markt kommt. „Uns ist es wichtig, über verschiedene Vertriebswege eine möglichst breite Käuferschaft zu erreichen“, so Rizk.
Die (Erfolgs-)Geschichte von Mushlabs hat somit gerade erst begonnen. Die Tatsache, dass die Pilze im Fermenter kultiviert werden können, erleichtert es, den Herstellungsprozess an verschiedene Bedingungen und Bedürfnisse anzupassen. Inzwischen ist es möglich, das Myzel bereits nach nur wenigen Tagen zu ernten. Außerdem wird laufend daran gearbeitet, die Produktion weiter hochzuskalieren, um zeitnah ein industrielles Level zu erreichen. In der Zukunft soll die Produktion in verschiedenen Niederlassungen dezentral erfolgen, um lange Wege der Produkte zu vermeiden. Auch das soll dem Klima helfen. Das Handelsblatt hat das Start-up bereits Anfang November 2021 zu einem von 50 Klimapionieren der deutschen Wirtschaft gewählt.
Larissa Tetsch
Bild: Pixabay/Alexas_Fotos
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