Editorial

Grüner geht immer –
Green Labs Austria

(15.02.2022) Die Berge aus Plastikmüll wachsen, auch in den Laboren. Es wird Zeit, das Problem zu lösen. Ein Verein aus Österreich hat dafür mehrere Ansätze.
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Würden Labore ihren ganzen Abfall getrennt sammeln und dem Recycling zuführen, ließen sich beachtliche Mengen Ressourcen einsparen und Emissionen verhindern. Diese Erkenntnis kann man still­schweigend hinnehmen oder aber die Initiative ergreifen – wie eine Handvoll Forscher der Universität Wien, die den „Verein zur Förderung Nachhaltiger Forschung“, oder synonym „Green Labs Austria“ (GLA) gegründet hat.

Das GLA-Logo zeigt die Pfeile des bekannten Recycling-Symbols in Form eines Erlen­meyer­kolbens. Es steht für das wichtigste Ziel des Vereins: Eine geschlossene Labor-Kreislauf­wirtschaft, einschließlich der damit verbundenen gesell­schaftlichen Institutionen und industriellen Interessen­gruppen (Stakeholder). Das GLA-Team umfasst derzeit elf Personen verschiedener Wissenschafts­disziplinen. „Wir haben uns seit längerem daran gestört, wie viel Plastikmüll im Laboralltag produziert wird und wie wenig über den Ressourcen­verbrauch in unseren Laboren nachgedacht wird. Unterstützt von unseren Professoren haben wir dann unsere Bottom-up-Initiative gegründet mit dem Ziel, diese Probleme sichtbar zu machen, damit Labore nachhaltig werden“, erklärt GLA-Mitglied Philipp Weber, der gerade seine Dissertation am Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien fertigstellt.

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Schwieriger Umstieg

Mit kleinen Steinchen beginnen, um vereint größere ins Rollen zu bringen, hat sich als gute Strategie erwiesen. „Die Idee von Green Labs Austria ist es, Arbeitsgruppen und Labore als kleinste Einheiten im Wissen­schaftsbetrieb zu vernetzen”, erläutert Weber. „Unsere Website bildet dafür das Fundament. Dort werden alle unsere Mitglieder präsentiert und es können Ideen in Form von Blogbeiträgen publiziert werden, beispielsweise zum Waschen von Küvetten aus Polystyrol“.

Potenziellen Mitmachern könnte der Umstieg von Wegwerf­artikeln zu nachhaltigeren Labor­utensilien angesichts knapper Budgets schwerfallen. Nicht so, wenn der Umstieg schon auf höherer Ebene stattfindet. „Für uns ist klar”, meint Weber, „dass die Trans­formation des Wissenschafts­betriebes hin zur Nachhaltigkeit umgehend notwendig ist und auch Investitionen erfordert. Die Verantwortung hierfür sehen wir nicht bei den PhD-Studenten, Technikern oder Professoren. Vielmehr sind die Universitäten und Regierungen gefordert, die Trans­formation zu finanzieren und zu organisieren.“

Aufmerksamkeit in Eigenregie

Wer nicht weniger als eine Transformation fordert, braucht vor allem schlagkräftige Argumente und den richtigen Ansprech­partner. Weber dazu: „Wir sehen die Rolle von Forschern vor allem darin, ihren Ressourcen­verbrauch zu reflektieren und dann auf die Probleme aufmerksam zu machen.“ Konkrete Tipps, was Labore unmittelbar machen könnten oder sollten, liefert Weber gleich mit. „Wir raten Laboren zum Beispiel, einfach mal den eigenen Ressourcen­verbrauch zu analysieren. Mit Aktionen zum Recycling sowie Sammeln von Laborplastik oder auch der Temperatur­erhöhung in Ultrafreezern von -80 Grad Celsius auf -70 Grad Celsius (Strom­einsparung dreißig Prozent!) können sie Aufmerk­samkeit für das Thema Nachhaltigkeit schaffen. Ein koordiniertes Vorgehen ist wichtig, um Verän­derungen voran­zubringen. Vernetzt haben wir eine größere Chance, genug Druck auf die Institutionen auszuüben, damit sie Maßnahmen ergreifen.“

Auch bei größeren Labor­geräten ist laut Weber ein Umdenken nötig. „Neben der Wieder­verwendung müssen wir eine Kultur der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen in den Laboren aufbauen und teure Labor­geräte reparieren, anstatt immer die neuesten Geräte zu kaufen. Dies dient oft nur dazu, den Gewinn der Unternehmen zu erhöhen, während es der Forschung nicht immer einen Vorteil bringt. So musste beispielsweise eines unserer Labore ein voll funktions­fähiges, fünf Jahre altes Sequen­ziergerät weggeben (es konnte nicht einmal verkauft werden, und das Unternehmen weigerte sich, die Teile zu recyceln), weil das Unternehmen den Verkauf der Reagenzien-Kits eingestellt hatte. Das Gerät war zwar nach den heutigen Standards der Sequenzier­technik veraltet, deckte aber immer noch den Forschungs­bedarf des Labors vollständig ab.“

Sammeln, Sortieren, Reinigen und Verarbeiten

Solche Erfahrungen befeuern weitere Aktivitäten des GLA: „Wir arbeiten an einer zukünftigen Kollaboration mit Precious Plastic, um das ungenutzte Recycling-Potenzial unseres Labor­plastik­mülls aufzuzeigen“, erläutert Weber. Precious Plastic Wien ist ein 2018 gegründeter Verein, bei dem sich alles um das Sammeln, Sortieren, Reinigen und Verarbeiten von sorten­reinem Kunststoff mit eigens dafür konstruierten Maschinen dreht. Die Wiener gehören zur globalen, stetig wachsenden, on- und offline verbundenen Precious-Plastic-Community, deren gemeinsames Ziel darin besteht, praktische Lösungs­ansätze für das weltweite Problem der Plastik­verschmutzung und -verschwendung zu finden.

Motivierend, fordernd und voller Energie blickt Weber nach vorn: „Die Zeit ist reif für eine Veränderung der Forschung. Wir sind uns bewusst, dass dieser Wandel über die nationalen Grenzen hinaus­gehen muss und eine internationale Koordinierung von Wissen­schaftlern und Institutionen erfordert. Nach dem Start unserer Website und unseres Twitter-Accounts haben uns Forscher aus Europa, aber auch aus Kanada und den USA kontaktiert, um sich mit uns zu vernetzen. Es freut uns sehr, dass daraus mittlerweile auch ähnliche Netzwerke in anderen Ländern, wie zum Beispiel in den Niederlanden entstanden sind. Außerdem sind wir Mitbegründer des neuen europäischen Netzwerkes ‚Sustainable European Laboratories‘, kurz SELs.“

Andrea Pitzschke

Bild: Pexels/Polina Tankilevitch

Dieser hier gekürzte Artikel erschien zuerst in ausführlicher Form in Laborjournal 1-2/2022.


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Letzte Änderungen: 15.02.2022