Kohlenstoff-Recycling
mit Gasfresser
(02.03.2022) Ein umgemodelter Stamm von Clostridium autoethanogenum produziert Aceton und Isopropanol aus industriellen Abgasen und fixiert dabei CO2.
Ein grünes Image haben sie wahrlich nicht, Isopropanol und Aceton, die unter anderem als Ausgangsstoffe für chemische Synthesen, als Treibstoffe oder Desinfektionsmittel allgegenwärtig sind. Sie basieren auf fossilen Rohstoffen, die energieintensiv umgewandelt werden. Dabei fallen neben Treibhausgas-Emissionen auch giftige Substanzen an. Durch Cracking zerlegt man längerkettige fossile Kohlenwasserstoffe in Propen, das mit Benzol und Sauerstoff zu Aceton und Phenol umgesetzt wird. Via Dehydrierung entsteht aus Aceton schließlich Isopropanol.
Sauberer ist das schon 1919 von Chaim Weizmann patentierte Aceton-Butanol-Ethanol (ABE)-Verfahren mittels anaerober Clostridien-Kulturen. Es verschwand jedoch wieder aus der industriellen Produktion, weil in den 1950er-Jahren billigere petrochemische Synthesen Einzug hielten. Schwachpunkte des ABE-Verfahrens sind die teuren Substrate Zucker und Stärke, die aufwendige Aufbereitung (es entstehen zahlreiche Nebenprodukte) sowie die begrenzte Produktionsrate (Butanol ist toxisch für die Zellen).
Wertvolles in Hasenkacke
Was Michael Köpkes Gruppe von der US-amerikanischen Firma LanzaTech zusammen mit Forschern der Northwestern University in Nature Biotechnology publizierte, klingt daher wie die berühmte eierlegende Wollmilchsau: Mit einem genetisch umprogrammierten Bakterium stellen sie Isopropanol und Aceton her und beseitigen nebenher auch noch Treibhausgase. Die C3-Verbindungen entstehen, anders als im ABE-Verfahren, nicht durch Zerlegen, sondern durch Verknüpfen. Bausteine sind CO und CO2.
Angefangen hatte alles mit Hasenkacke, aus der in den 1990ern das Bakterium Clostridium autoethanogenum isoliert und zur Umwandlung von Stahlindustrie-Abgasen zu Ethanol perfektioniert wurde (Arch Microbiol, 161:345–351). Das Bakterium bildet aus CO, CO2 und H2 zunächst AcetylCoA, und daraus dann Ethanol (Synthesegas-Fermentation). Mittlerweile produziert LanzaTech auf diese Weise 90.000 Tonnen Ethanol pro Jahr und kooperiert unter anderem auch mit BASF.
Aceton statt Ethanol
Den Clostridium-autoethanogenum-Stamm wollte Köpke, der 2009 an der Universität Ulm mit einer Arbeit zur „Genetische(n) Veränderung von Clostridium ljungdahlii zur Produktion von 1-Butanol aus Synthesegas“ promovierte und seit vielen Jahren die Forschungsabteilung „Synthetische Biologie“ bei LanzaTech leitet, mit seinem Team so ummodeln, dass er Aceton oder Isopropanol statt Ethanol produziert. Welche enzymatischen Umwandlungsschritte hierzu nötig sind, war zumindest auf dem Papier klar: In ABE-Stämmen läuft die Aceton-Biosynthese ausgehend von AcetylCoA über die Enzyme Thiolase (ThlA), CoA-Transferase (CtfAB) und Acetoacetat-Decarboxylase (Adc).
Ein Screening vollständig sequenzierter ABE-Stämme nach ThlA-, CtfAB- und Adc-homologen Enzymen förderte 41 Kandidaten zutage. Von diesen nahm die Gruppe 30 in die engere Auswahl und kombinierte sie systematisch auf verschiedenen Genkonstrukten. Die Enzym-codierenden Gene erhielten jeweils einen eigenen Promotor, als unabhängige transkriptionelle Einheit. Um sich vorerst auf die Aceton-Produktion fokussieren zu können, knockten die Forscher die endogene Adh von C. autoethanogenum kurzerhand aus, die Aceton zu Isopropanol reduziert.
Überraschendes Produkt
Weil Aceton flüchtig ist, war das Screening nach Höchstleistungsstämmen allerdings nicht ganz so einfach. Köpkes Team ersetzte das ursprüngliche Plattenformat deshalb durch ein System mit abgeschlossenem Druckbehälter. Die produktivste Konstellation aus den drei Enzymen und den dazugehörigen Promotoren schaffte es schließlich auf eine Aceton-Konzentration von 100 Millimolar. Dieses Konstrukt integrierten die Forscher in das Genom von C. autoethanogenum. Wie geplant, fand sich in den Reaktionsprodukten kein Isopropanol, doch überraschenderweise 3-Hydroxybutyrat (3-HB), dessen Produktion auf Kosten der Aceton-Ausbeute geht.
Um die hierfür verantwortlichen endogenen Enzyme auszuschalten, musste sie die Gruppe erst einmal identifizieren. Ein Library-Screening von C. autoethanogenums sAdh-Enzymen führte schließlich zum Knockout-Stamm delta0553. Eine fast komplette Umwandlung von Aceton zu Isopropanol erreichten die US-Amerikaner schließlich, indem sie eine mutierte Version von sAdh (S199A und S199R) co-exprimierten. Auch diese Veränderungen integrierten die Forscher in das Genom des anaeroben Bakteriums.
Damit war der Optimierungsspielraum aber noch längst nicht ausgereizt. Mit bioinformatischen Kniffen identifizierte das Team die zwei Stoffwechselprodukte 2,3-Butandiol (2,3-BDO) und 3-HB als mögliche Widersacher der Isopropanol-Synthese. Beide haben eine relativ hohe Siedetemperatur. Sie würden sich daher bei der kontinuierlichen Fermentation sukzessive anreichern und eine aufwendige Abtrennung erfordern. Die Gruppe suchte deshalb mithilfe von Sequenz-Vergleichen bekannte 2,3-BDO und 3-HB-produzierende Enzyme und stieß dabei auf 13 mögliche Kandidaten.
Elegante Abkürzung
Die Frage war jedoch, welche davon tatsächlich als Störenfriede auftreten. Da es viel zu aufwendig war, die unzähligen Kombinationen aus den entsprechenden Mehrfach-Knockouts durchzuspielen, nahmen die Forscher eine elegante Abkürzung in Form der „In vitro Protoyping and Rapid Optimization of Biosynthetic Enzymes“ (iPROBE, Nat Chem Biol, 16, 912–919).
Bei dieser Technik werden E.-coli-Zellextrakte, in denen die jeweiligen Enzyme der Aceton-Biosynthese angereichert sind, in vitro kombiniert, und die Aceton-Produktion (mit Glukose als Substrat) gemessen. In Gegenwart eines störenden 2,3-BDO- oder 2-HB-produzierenden Enzyms ist eine verminderte Aceton-Ausbeute zu erwarten. Man muss dann nur noch das dazugehörige Gen ausknocken. Das tat Köpkes Team und erhielt schließlich einen perfektionierten Clostridium-autoethanogenum-Stamm, mit einem in das Genom integrierten Knockout- und Expressions-Konstrukt. Dieser produziert mindestens drei Wochen lang stündlich 2,5 Gramm Aceton pro Liter Kultur (das ist 17-mal mehr als im ABE-Verfahren). Das mit der sAdh-Expression erweiterte Pendant bringt es stündlich auf drei Gramm Isopropanol pro Liter.
Die Produktion klappt mittlerweile auch im 120-Liter-Fermenter. Die Klimabilanz des neuen Synthesewegs kann sich sehen lassen, wie die Lebenszyklus-Analyse verdeutlicht: Während jedes petrochemisch hergestellte Kilogramm Aceton beziehungsweise Isopropanol mit Emissionen von 2,55 Kilogramm beziehungsweise 1,85 Kilogramm CO2-Äquivalenten zu Buche schlägt, entfernt die Fermentation stattdessen 1,78 Kilogramm beziehungsweise 1,17 Kilogramm aus der Atmosphäre.
Andrea Pitzschke
Liew F. et al. (2022): Carbon-negative production of acetone and isopropanol by gas fermentation at industrial pilot scale. Nature Biotechnol, DOI: 10.1038/s41587-021-01195-w
Bild: CDC/James Archer, Jennifer Oosthuizen (gemeinfrei)