Editorial

Gefährliche Fördertrends

(01.04.2022) Immer weniger gleicht die Forschungsförderung einer Lizenz zum Entdecken. Stattdessen ähnelt sie eher einem Vertragsabschluss.
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Eigentlich kommt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Vergleich mit anderen Förderorganisationen stets ganz gut weg. Erst vor einigen Wochen bilanzierte ein nicht ganz unbekannter Forscher kurz und prägnant: „Wir können doch froh sein, dass wir hierzulande die DFG haben.“

Nun sind solche Urteile sicherlich subjektiv gefärbt und hängen stark von den konkreten Fördererfahrungen ab, die einzelne Forscherinnen und Wissenschaftler jeweils mit ihr gemacht haben. Versucht man jedoch einen objektiveren Blick, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass es die DFG zuletzt zunehmend schwerer hatte. Trotz stetiger Mittelzuwächse sank die Bewilligungsquote über die letzten zwanzig Jahre auf mittlerweile unter dreißig Prozent der eingereichten Anträge.

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Schon vor über zehn Jahren sah der damalige DFG-Präsident Peter Strohschneider daher ein gefährliches Dilemma am Horizont: Aufgrund der notorischen Unterfinanzierung von Forschungsprojekten würden die Wissenschaftler zunehmend nicht mehr das Geld beantragen, das sie für ihre Forschung brauchen – sondern vielmehr dort forschen, wo sie überhaupt noch an Geld kommen. Die Folge davon: Die Forschungsfreiheit drohe deutlich eingeschränkt zu werden, während sich das Finanzierungsdilemma eher noch verschärfe.

Ziel- und Zeitvereinbarungen

Doch dieser Trend, der natürlich für andere Forschungsförderer genauso gilt, ist noch auf andere Art gefährlich. Denn was passiert, wenn DFG und Co. mit so viel mehr Förderanträgen überschwemmt werden, als sie bewilligen können? Im Bestreben, so fair wie möglich zu sein, verlangen sie immer spezifischere Zielsetzungen und Forschungspläne in den beantragten Projekten. Beispielsweise soll bisweilen sogar die Rolle jedes einzelnen Labormitglieds präzisiert werden. Und natürlich muss man bereits mit ausreichend Daten untermauern, dass die Ziele innerhalb der Förderperiode auch tatsächlich erreichbar sind. Nicht nur die Ergebnisse, auch der Zeitrahmen soll also vorab möglichst klar sein. Und so wird Forschungsförderung endgültig zu einem Vertrag – statt zu einer Lizenz zum Fischen nach neuen Entdeckungen.

Vielleicht würde es dem künftigen Ruf der DFG eher guttun, wenn sie dieser Entwicklung entgegensteuert.

Ralf Neumann

(Zeichnung: Aus "Forscher Ernst" von Rafael Florés)

 

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Letzte Änderungen: 30.03.2022