Editorial

Kostengünstige
RNA-Bibliothek

(27.04.2022) Trotz detaillierter Einzelzell-Analyse müssen ab und an auch ganze Zellpopulationen sequenziert werden. Das Prime-seq-Protokoll spart dabei viel Geld.
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Für Genexpressions-Studien ist die RNAseq-Technologie das Mittel der Wahl. Ob zur Quantifizierung von Genaktivitäten, für die Analyse Behand­lungs-bedingter Expressions-Änderungen oder zur Aufdeckung von Expressions­mustern und möglichen regulatorischen Zusammen­hängen – die RNAseq bedient verschiedenste Fragestellungen.

Die Einzelzell-RNAseq (scRNAseq) ist die feinauflösende Variante, die das Transkriptom jeder Zelle erfasst und ein detailliertes Bild davon liefert. Sehr viele Proben zu analysieren, ist aber aufwendig und manchmal unmöglich. Die RNAseq ganzer Zell-Populationen (bulkRNAseq) ist daher weiterhin unverzichtbar – bulk- und scRNAseq sind keine Konkurrenten, sondern ergänzen sich gegenseitig. scRNAseq-Ergebnisse können helfen, bulkRNAseq-Daten mittels Algorithmen zu „sezieren“ und genauer zu interpretieren (Computational Deconvolution). BulkRNAseq-Daten verraten hingegen, ob und welche scRNAseq-Analyse sich auszahlen könnte.

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Ohr- oder Wurzelstücke

Bei der bulkRNAseq wird eine mehrzellige, teils heterogene Probe, beispielsweise ein Mäuseohr oder eine Pflanzenwurzel, analysiert. Ob man sich für scRNAseq oder bulkRNAseq entscheidet, hängt von der konkreten Fragestellung ab sowie vom Preis-Leistungs-Verhältnis. Proben­spezifische Barcodes, die bereits während der cDNA-Synthese, eingeführt werden, reduzieren die Kosten. Sobald der Barcode hängt, können sämtliche weitere Einzelreaktionen die Analyse­schritte gepoolt durchlaufen. Beim Sequenzieren lassen sich die Transkripte schließlich mithilfe der Barcodes den Proben zuordnen.

Da die Kosten der Proben­vorbereitung für die bulkRNAseq dank gesunkener Sequenzier-Preise immer stärker ins Gewicht fallen, sind Protokolle gefragt, die nicht nur schnell und einfach durchzu­führen sind, sondern auch ohne Abstriche an die Qualität der generierten RNAseq-Bibliotheken bares Geld sparen. Mit dem Prime-seq-Protokoll, das Wolfgang Enards Team an der Ludwig-Maximi­lians-Universität München entwickelte, ist dies möglich. Prime-seq basiert auf zwei scRNAseq-Techniken, wurde jedoch für die bulkRNAseq konzipiert.

Kügelchen mit Primer-Angel

Das Sparen geht gleich zu Beginn der Proben­vorbereitung los, denn die Zellen werden direkt lysiert und ihre mRNA unmittelbar isoliert und aufgereinigt. Hierzu dienen zunächst Magnet­kügelchen mit oligo(dT)-Primern als Angel. Nach der Barcodierung im Zuge der cDNA-Synthese können die cDNA-Proben gepoolt und sequenziert werden. Das Protokoll (hier abrufbar) nutzt vier Prinzipien, um die Effizienz zu steigern: poly(A)-Priming, Template switching, Barcodierung sowie Unique Molecular Identifiers (UMIs). Mit ihrer Hilfe entsteht eine RNAseq-Bibliothek mit 3‘-getaggten Molekülen.

Oft tauchen beim Prime-seq-Protokoll Intron-Sequenzen in der RNA-Sequenzierung auf, die den Verdacht wecken, dass eine DNA-Kontamination vorliegt. Doch ist dieser überhaupt gerechtfertigt? Um die Gefahr einzuschätzen, führte die Gruppe ein Experiment mit HEK293T-Zellen durch. Nach der Lyse der Zellen wurden die Proben vor der reversen Transkription mit DNAse oder RNAse behandelt oder blieben unbehandelt. Pro 1.000 Zellen erhielten die Münchner fünf Nanogramm „cDNA“ von genomischer DNA sowie 12 bis 32 Nanogramm echte cDNA von RNA.

Introns unter Generalverdacht

Inwieweit DNA im Zuge der DNAse-Behandlung beseitigt werden kann, zeigten Experimente mit Mischproben aus genomischer DNA von Mäusen und humaner RNA -- ohne und mit DNAse-Behandlung. Tatsächlich stammten die Intron-Sequenzen oft vom Transkript selbst. Was die Zelle nicht selbst herausspleißt, taucht im RNAseq-Datensatz auf. Die Forscher schlagen daher vor, Intron-Sequenzen nicht wie Stiefkinder bei der Auswertungen zu behandeln und sie auch nicht unter Generalverdacht zu stellen. In ihren Proben fanden sie keine nennenswerten Mengen an DNA, solange ein DNAse-Schritt durchgeführt wurde.

Die RNA-Isolation während des Prime-seq-Protokolls funktioniert mit Magnet­kügelchen genauso gut wie mit Silikagel-Säulchen, ist aber viermal kostengünstiger und zweimal schneller – Intron-Sequenzen tauchen bei beiden Reinigungs­verfahren auf. Durch eine Proteinase-K-Behandlung sinkt der Intron-Sequenz-Anteil. Dies liegt aber nicht an der Proteinase K selbst, sondern an der nötigen Inkubation bei 50 bis 75 Grad Celsius.

Prime-seq ist recht flexibel, was die Probenmenge betrifft. Mit 1.000 HEK293T-Zellen erreicht man eine Ausbeute von 10 bis 20 Nanogramm RNA, mit 10.000 Zellen 100 bis 200 Nanogramm. Die RNAseq-Bibliotheken sind quasi identisch. Übertreiben sollte man es jedoch mit der Menge des Ausgangs­materials nicht. Aussagekraft und Verlässlichkeit der RNA-Bibliotheken würden darunter leiden, da sich zunehmend Spuren nichtverdauter DNA unerkannt hineinmogeln.

Unbedenkliches Swapping

Ein weiteres Qualitäts­kriterium ist das sogenannte Barcode-Swapping, bei dem Barcodes während der PCR von einem Transkript auf ein anderes springen. Das führt zu chimären Produkten und suggeriert, eine ursprüngliche Probe enthielte ein Transkript, das eigentlich von einer anderen Probe stammt. Das Barcode-Swapping hängt ab von der Anzahl der PCR-Zyklen, den Input-Mengen sowie ähnlichen Sequenzen der Probenmoleküle untereinander.

Bei der Probenvorbereitung von Stammzellen aus Maus und Mensch mit dem Prime-seq-Protokoll fand Enards Team einen Anteil von 0,5 Prozent der UMIs in den Humanen RNA-Bibliotheken, die eigentlich zu den Maus-Bibliotheken gehörten. Computer­simulationen zeigten aber, dass selbst ein Anteil von zehn Prozent unbedenklich wäre und das Sequenzier-Ergebnis nicht verzerren würde.

Andrea Pitzschke

Janjic A. et al. (2022): Prime-seq, efficient and powerful bulk RNA sequencing. Genom Biol, 23: 88

Bild: Pixabay/Engin Akyurt




Letzte Änderungen: 27.04.2022