Editorial

Von viel muss nicht viel kommen

(15.07.2022) Die Höhe eingeworbener Drittmittel taugt nicht zur Evaluation von Forschungsleistung. Man misst, was reinfließt – nicht, was hinten rauskommt.
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Wer viel Geld bewilligt bekommt, der kann nicht schlecht sein – so lautet eine allzu simple Logik hinter vielen Entscheidungen zur Projektförderung. Immerhin müssen die entsprechenden Kandidaten bei der Antragsprüfung jede Menge kritische Kollegen überzeugen. Also hängen sich die Entscheider gerne dran: Denn wo nach eingehender Prüfung stetig Geld hinströmt, da muss ja wohl auch Qualität sein.

Allerdings: Bis heute hat man keinerlei belastbare Korrelation zwischen Antragshöhe und Antragserfolg feststellen können – unter anderem, da bei letzterem doch auch viel Glück, Zufall, Beziehungen und andere Parameter im Spiel sind. Statt für eigene reine Forschungsleistung würde man auf diese Weise eher dafür belohnt, wie diese Parameter ausfallen  – so stänkern einige. 

Letztlich muss dies ziemlich demoralisierend für viele Forscher sein, da sie sich mit ihrem Forschungs-Output nicht wirklich fair evaluiert fühlen. Denn was passiert, wenn man solcherart ungeeignete Kriterien in die Evaluation von Forschern mit hineinspielen lässt? Abgesehen davon, dass zwangsweise die Produktivität leiden muss, werden Anreize geschaffen, die die Forscher dazu treiben, vor allem teure Projekte zu verfolgen. Mit dem Resultat, dass womöglich manche brillante, aber „billige“ Idee zugunsten eines teuren Low-Hanging-Fruit-Projekts geopfert werde.

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In einer früheren Glosse nahmen wir diese Unsitte einmal folgendermaßen aufs Korn: 

„Kollege Maier betitelte das Ganze mal als „wissenschaftlichen Benzinverbrauch“  – und spottete weiter, dass einige Fahrer auch mit viel verfahrenem Benzin nur im nächsten Ort landen. War schon witzig. Und Kollege Müller ergänzte süffisant, dass man ja auch die Qualität eines Gemäldes nicht nach den Kosten für Pinsel, Farbe, Leinwand und so weiter beurteilt …"

Die generelle Crux an diesem Prinzip ist jedoch vielmehr, dass eine Evaluation nach Höhe der eingeworbenen Fördermittel ein Input-Maß ist, das ein „End in itself“ darstellt. Der Output – also das, was mit dem Geld am Ende tatsächlich herauskommt – wird nicht mehr wirklich evaluiert. Höchstens indirekt und an anderer Stelle über die Publikationen, die aus dem geförderten Projekt entstehen.

Ein Punkt, den der Psychologe Adrian Burgess von der englischen Aton University auf Twitter kürzlich folgendermaßen kommentierte:

"Ich stimme allem zu – insbesondere dem Punkt, dass die Fördermittel-Einnahmen eine Input-Maßnahme sind. Das führt zu perversen Anreizen, teure Forschung zu betreiben, und lenkt von kosteneffektiven Alternativen ab. Wo sonst belohnen wir Leute dafür, dass sie die gleiche Arbeit zu einem höheren Preis machen?"

Ralf Neumann

(Foto: Monster Ztudio)

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Letzte Änderungen: 12.07.2022