Editorial

Proteinbestimmung
mit Farbfoto

(21.09.2022) Fotografiert man die Probenplatte beim Bradford-Assay mit der Handykamera, lassen sich die Proteinkonzentrationen per RGB-Bilddaten bestimmen.
editorial_bild

Der US-amerikanische Biochemiker Marion Bradford schuf 1976 einen Assay für die Ewigkeit. Sein Bradford-Assay zur Protein­bestimmung erfreut sich auch heute noch weltweiter Beliebtheit als kostengünstiger und schneller Allrounder. Messprinzip ist ein mit bloßem Auge erkennbarer Farbumschlag. Im Gleichgewicht liegt der verwendete Triphenyl­methan-Farbstoff Coomassie-Brillant-Blau (CBB) in drei Formen vor mit jeweils charakteristischer Farbe. In saurer Lösung dominiert die freie, kationische Form mit einem Absorptions­maximum (Amax) von 470 Nanometern. Die ladungsneutrale Form ist grün (Amax 650 Nanometer), die anionische blau (Amax 595 Nanometer).

In Gegenwart von Proteinen verschiebt sich das Gleichgewicht, weil CBB mit kationischen und unpolaren Seitenketten von Proteinen Komplexe bildet. Die Komplexbildung stabilisiert die nicht-protonierte blaue Form. Je höher die Protein­konzentration, desto intensiver blau erscheint die Probe. Am Spektrometer oder Plattenlese­gerät sind die A595- oder A590-Werte schnell gemessen, doch ab einem bestimmten Proteingehalt ist der Zusammenhang nicht mehr linear und die Verlässlichkeit des Assays schwindet. Da die CBB-Formen im Gleichgewicht sind und Proteine dieses in Richtung anionische Form verschieben, bleiben für ungebundene Proteine immer weniger Moleküle der kationischen Form übrig. Mit der Konsequenz, dass der Experimentator geringere Protein­konzentrationen misst, als eigentlich vorliegen.

Editorial

Rote, grüne, blaue Peaks

Es wäre also verlässlicher, sowohl zunehmende als auch abnehmende CBB-Formen zu messen und beide Werte in die Konzentrations­berechnung einfließen zu lassen. Dass die Absorptions­kurven der Protein­konzentration länger linear bleiben, wenn statt A590 der A590/A450-Wert aufgetragen wird, konnte Daniel Moreira von der University of Brasilia bestätigen. Er maß Proben mit unterschiedlichen BSA-Konzentrationen in 5-Nanometern-Schritten zwischen 400 und 700 Nanometern und erhielt für jede Konzentration eine entsprechende Kurve.

Die Peaks der Kurven lagen wie erwartet bei 470 Nanometern (rote Form), 650 Nanometern (grüne Form) sowie 590 Nanometern (blaue Form). Rot, Grün und Blau sind aber auch die Farben des RGB-Farbmodells, das davon ausgeht, dass jede Farbe mit einer Mischung der drei Grundfarben darstellbar ist. Das brachte Moreira auf die Idee, den Bradford-Assay einfach mit einer Handykamera zu fotografieren und anhand der RGB-Daten auszuwerten. Vom Farbfoto müsste ein Programm die Daten der drei Farbkanäle dann nur noch extrahieren. Der Rest ist einfache Mathematik. Vorteil: Das Handy mit Kamera ist immer parat, während man auf ein Laborgerät mitunter warten muss und eventuell das begrenzte Zeitfenster von zehn bis fünfzehn Minuten verpasst, bevor der Farbstoff ausfällt.

Parallel zur Bench

Um eine Aufnahme der kompletten 96-Well-Platte zu machen, hält man die Mikrotiter­platte mit einer Hand über einem weißen Hintergrund, etwa ein Blatt Papier und fotografiert sie mit der Handykamera in der anderen Hand. Dabei sollte man darauf achten, sowohl die Platte als auch das Handy parallel zur Bench zu halten. Die Bilddaten vom Well-Mittelpunkt lassen sich am Computer zum Beispiel mit dem Tool Inkscape auslesen, man benutzt dazu die Funktion „pick colours from image“.

Nach einigen mathematischen Überlegungen kam Moreira schließlich zu dem Ergebnis, dass das Verhältnis von Blau zu Grün der RGB-Daten die Protein­konzentration verlässlich widerspiegelt. Wertete er die fotografierten Platten damit aus, erhielt er exakt die gleichen Protein­konzentrationen wie mit einem Plattenlesegerät.

Andrea Pitzschke

Moreira D. (2022): RGBradford: Accurate measurement of protein concentration using a smartphone camera and the blue to green intensity ratio. Analytical Biochemistry, 655:114839

Bild: Pixabay/geralt





Letzte Änderungen: 21.09.2022