Editorial

Ein Bundesministerium auf der Suche nach dem Stein der Weisen

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat drei Esoteriker mit einer Studie zu erneuerbarer Energie beauftragt. Klaus Keck findet die Ergebnisse fragwürdig.

(04.09.2007) Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) macht sich Sorgen, dass Erkenntnisse unbekannter Forscher nicht genutzt werden, weil die etablierte Wissenschaft sich weigere diese zur Kenntnis zu nehmen. Um diesem Mangel abzuhelfen, beauftragte das Ministerium drei in der Esoterikszene beheimatete "Wissenschaftler" im Rahmen eines Forschungsvorhabens eine Studie zu erstellen mit dem Ziel, "neue Kategorien von erneuerbaren Energien" und Methoden zur "Aktivierung biologischer Prozesse" zu identifizieren. Die drei mit der Untersuchung Beauftragen sind die Gründungsmitglieder der in Esoterikkreisen bekannten Firma Binnotec in Berlin, Marco Bischof (Schriftsteller), Dr. Thorsten Ludwig (Physiker, Präsident der Deutschen Vereinigung für Raumenergie, DVR) und Andreas Manthey (KFZ-Ingenieur). Die Studie wurde 2005 abgeschlossen (Bericht E5001-15). Der Öffentlichkeit bekannt wurde sie aber erst jetzt durch einen Hinweis auf der Webseite der DVR.

Das BMZ befürchtet, die zunehmende Verknappung der Energieressourcen könnte dem wirtschaftlichen Forschritt der Entwicklungsländer entgegen stehen. Die drei Autoren der Studie haben dafür kein Verständnis. Die etablierte Wissenschaft denke in ausgetretenen Pfaden und sei nicht in der Lage, neue Wege zu gehen, so ihr Argument. Dabei sehe sie den Wald vor lauter Bäumen nicht, denn eine unerschöpfliche Energiequelle sei überall vorhanden. Man brauche den Schatz nur zu heben.

"Gesamte Materie des Universums in einer Kaffeetasse"

In eingeweihten Kreisen hat diese Energie Namen wie "Raumenergie", "Nullpunktsenergie" oder "Vakuumenergie". Man versteht darunter eine noch unerforschte Energieform, die mit Hilfe geeigneter Apparaturen jederzeit in eine gebräuchliche Energieform, wie Elektrizität, umgewandelt werden könne. Die Größe der zur Verfügung stehenden Energiemenge erläutern die Autoren an einem Beispiel: "Dies ist eine so unvorstellbar große Energiemenge, dass bereits der Inhalt einer Kaffeetasse ausreichen würde, die gesamte Materie des bekannten Universums daraus zu erzeugen (E=mc2)."

Finanzkräftige Investoren stellen beträchtliche Summen für Firmen zur Verfügung, die sich mit diesen alternativen Methoden der Energiegewinnung befassen. Esoterik auf diesem Gebiet ist ein gutes Geschäft für die beteiligten "Forscher". Die Autoren schlagen dem Ministerium eine Reihe von Methoden vor, die ihrer Ansicht nach für eine Anwendung in Entwicklungsländern geeignet sein sollen. Ein bisschen Forschung sei aber noch nötig, wird eingeräumt. Spezielle Institute sollten gegründet werden, um diese Methoden weiter zu entwickeln.

An einigen Beispielen soll gezeigt werden, welch unerschöpfliches Potential an Ideen nach Ansicht der Autoren von der etablierten Wissenschaft beharrlich ignoriert wird.

Als erste Methode aus dem Energiebereich schlagen die Autoren die Herstellung von "Brownschem Gas" vor. Diese Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff wird durch Elektrolyse von Wasser gewonnen und ist allgemein unter dem Namen Knallgas bekannt. Dieses Gasgemisch ist hochexplosiv. Vermutlich wird deshalb die hässliche Bezeichnung Knallgas in der Studie vermieden. So neu ist das Verfahren allerdings nicht. Es wurde bereits 1800 von dem Chemiker Johann Wilhelm Ritter entdeckt. Wohl jeder kennt diesen Prozess durch den Schulversuch mit dem Hoffmann'schen Wasserzersetzungsapparat. Die Knallgasflamme kann bekanntlich zum Schweißen benutzt werden.

Über die Eigenschaften des Gases erfährt der Leser gar Wunderliches. Die Flamme soll so heiß sein, dass man damit Wolfram sublimieren kann. Den Autoren ist offenbar entgangen, dass Wolfram (Schmelzpunkt: 3422 Grad Celsius, Siedepunkt: 5555 Grad Celsius) nicht sublimiert. Die Gutgläubigkeit des Lesers wird auch dadurch strapaziert, dass er glauben soll, dass dabei die Temperatur der Flamme nur 138 Grad Celsius betrage.

Die Autoren preisen den hohen Energiegehalt des Gases und empfehlen unter anderem dieses als "Energieträger/Speicher" einzusetzen. Wie man das hochexplosive Gas lagern oder transportieren soll, wird nicht mitgeteilt. Es wäre abenteuerlich, Knallgas zu verflüssigen, um es in Druckbehältern in Entwicklungsländer zu befördern. Auf die einfache Idee, nur den Wasserstoff zu transportieren, da der Sauerstoff ja sowieso überall zur Verfügung steht, sind die Autoren nicht gekommen.

In einem späteren Abschnitt der Studie erfährt der Leser, dass es mit Hilfe von Knallgas sogar möglich sein soll, radioaktiven Abfall zu beseitigen. Sie schildern eine öffentliche Demonstration in den USA, bei der Professor Brown angeblich radioaktives Americium mit Hilfe der Knallgasflamme mit anderen Metallen verschmolzen habe. Dabei soll innerhalb von fünf Minuten die Radioaktivität von 16.000 Curie/min um zirka 95 Prozent reduziert worden sein.

Bekanntlich ist das Curie definiert als die Menge einer radioaktiven Substanz, die eine Zerfallsrate von 3.7 mal 10 hoch 10 Zerfällen pro Sekunde hat. Was mit Curie/min gemeint ist, erfährt der Leser nicht. Aber vielleicht sollte man nicht so kleinlich sein, wenn es um wirklich große Dinge geht. Und wirklich groß ist die Menge an Radioaktivität tatsächlich. Die 16.000 Curie entsprechen einer Zerfallsrate von 6 mal 10 hoch 14 Zerfällen pro Sekunde. Das kann mit keinem Geigerzähler gemessen werden. Die Bewilligungsgrenze für Am(241), dem am häufigsten verwendeten Isotop des Americiums, liegt bei 200 Becquerel (Zerfälle pro Sekunde). Der Professor hätte sicher gegen alle Strahlenschutzrichtlinien verstoßen, wenn er eine größere Menge bei einer öffentlichen Demonstration gehandhabt hätte. Da liegen die Autoren mal eben um etwa 12 Zehnerpotenzen daneben.

Geschrumpfte Wasserstoffatome

Als Beispiel einer Energieerzeugung aus dem Nichts wird der Blacklight-Prozess angeführt. In dieses Verfahren wurden angeblich schon mehrere Millionen Dollar investiert. Der Energieerzeugungs-Apparat besteht aus einer Zelle, in die Wasserstoff unter Unterdruck eingeleitet wird. Nach Zuführung elektrischer Energie erzeugt dies in der Zelle ein Plasma. Dabei wird Energie in Form von UV- und Wärmestrahlung nach außen abgegeben und durch eine Kraft-Wärmekopplung wieder in elektrischen Strom umgewandelt. Das Verfahren soll sich zur Energiegewinnung eignen, weil angeblich mehr Energie abgegeben als zugeführt wird.

Zur Erklärung der wundersamen Energievermehrung hat der Erfinder eine neue Quantentheorie entworfen. Sie postuliert Energieniveaus unterhalb des Grundzustands und geschrumpfte Wasserstoffatome.

Als Beweis für die Energie-Gewinnung führen die Autoren an, dass Tests in Universitätslaboratorien (zum Beispiel Penn State University) ergeben hätten, dass die Energieausbeute hundertmal höher sei als bei Verbrennung des Wasserstoffs. Die Autoren haben geflissentlich übersehen, dass die Energie in Form von elektrischem Strom zugeführt wird. Der Wasserstoff wird in Wirklichkeit nicht verbraucht. Es muss bezweifelt werden, dass Wissenschaftler einer Universität solche unsinnigen Messungen tatsächlich vorgenommen haben.

Die Autoren sorgen sich auch um die Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Sie verweisen auf die Firma Plocher Technology in Meersburg. Diese vermarktet "Transmateriale Katalysatoren", mit denen man angeblich die Erträge in der Landwirtschaft erhöhen kann - ohne Düngemittel, nur durch Übertragung von Information. Man braucht dazu nur eine "Energie, die im Äther oder Kosmos ihren Ursprung hat". Diese Kosmische Energie, auch Orgon genannt, wurde von Wilhelm Reich 1939 postuliert. Man kann sie, so sind die Autoren überzeugt, mit einem Trichter konzentrieren, dessen Wände aus wechselnden Schichten organischen Materials und Metall bestehen.

Unter dem Trichter wird Sauerstoff durchgeleitet. Der Orgonstrahl soll nun die Information des Sauerstoffs aufnehmen und diese auf einen darunter befindlichen Träger, zum Beispiel Sand, übertragen. Der informierte Sand, so wird behauptet, könne anschließend seine Sauerstoff-Information an die Pflanzen weitergeben, wenn er auf die Felder aufgebracht wird. Das Wort Information ist ein Modewort bei Esoterikern jeder Provenienz. Es wird nie erklärt, was darunter zu verstehen ist.

Die Autoren verraten dem Leser nicht, warum der Orgonstrahl beim Durchlaufen der Erdatmosphäre nicht bereits Sauerstoff-Information aufnimmt und sie, ohne Zwischenschaltung der Firma Plocher, direkt an die Felder weiter gibt. Die Autoren beschäftigen sich nicht mit solch trivialen Fragen. Statt dessen verweisen sie auf "Forschungsergebnisse" des promovierten Volkswirts und Erfinders der Transmaterialen Katalysatoren, Professor Bechmann. Dieser habe mit einer Reihe von Untersuchungen die Wirksamkeit der Plocher-Produkte nachgewiesen. Bechmann, Gründer eines eigenen Zukunfts-Zentrums in Barsinghausen, hat in der alternativen Szene einen guten Ruf, beispielsweise durch Vorträge und Schriften über geistiges Heilen und Homöopathie für Pflanzen. Ihm verdanken wir auch die Einsicht, dass wirklich neue Erkenntnisse nur von den "nachmaterialistischen Naturwissenschaften" zu erwarten sind.

Im Interesse der Entwicklungsländer muss man hoffen, dass die Esoteriker im BMZ, die für diese Verschwendung von Steuergeldern verantwortlich sind, nicht auch noch darüber entscheiden, welche von den vorgeschlagenen Methoden und Produkten in diesen Ländern zum Einsatz kommen sollen. Die Raumenergie-Forscher träumen schon lange von dem großen Durchbruch, der mit der offiziellen Anerkennung auch einen Geldregen mit sich bringen soll. Sie sehen in dieser Studie einen wichtigen Schritt zu diesem Ziel.

Klaus Keck, Konstanz

Photos: Flamme: iStockphoto/mikhail choumiatsky, Geld: iStockphoto/Stefan Klein; Montage: Lara Winckler



Letzte Änderungen: 11.09.2007