Editorial

Mein Genom - Dein Genom

Die Kartierung von Einzelnukleotidvarianten im menschlichen Genom geht mit dem "1000 Genome Projekt" in eine weitere Phase. Bereits heute kann jeder sein Genom für 1000 US-Dollar testen lassen, um verschiedene Krankheitsrisiken abzuklären.

(3.3.2008) Die DNA verschiedener menschlicher Individuen ist zu 99,9 % identisch. Ein Großteil der Varianz von 0,01% besteht aus Einzelnukleotidvarianten (Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs). Sie entstehen durch Fehler in der DNA-Replikation oder -Reparatur. SNPs werden, sofern sie in der DNA der Keimzellen auftreten, vererbt und können die Empfänglichkeit eines Menschen für bestimmte Krankheiten oder seine Reaktion auf Medikamente beeinflussen. Das britische Wellcome Trust Sanger Institut, das chinesische Beijing Genomics Institute Shenzhen und das US-amerikanische National Human Genome Research Institute haben im Januar 2008 den Start des "1000 Genome Projekts" angekündigt. Ziel dieses Projekts ist es, den auf der Basis des "HapMap Projekts" erstellten Katalog der menschlichen genomischen SNPs zu verfeinern. Der Katalog ist öffentlich zugänglich und liefert die Datenbasis für genomweite Studien. So kann man damit die Assoziation von bestimmten SNPs mit einem Krankheitsrisiko untersuchen. Das "1000 Genome Projekt" hofft nun, die Sequenzierungs-technologie und die statistische Auswertung genomischer Daten per Computer zu verbessern und zu beschleunigen. So soll die genomische Umgebung der im "HapMap Projekt" gefundenen genetischen Varianten analysiert und strukturelle Veränderungen im Genom wie Rearrangements, Deletionen und Duplikationen berücksichtigt werden. Während sich das 2005 abgeschlossene "HapMap Projekt" auf die Analyse von 269 Genomen weltweit stützte, will das "1000 Genome Projekt" mindestens 1000 Genome in die Analyse einbeziehen. Dies soll es ermöglichen, genetische Variationen mit einer Häufigkeit von mehr als 1 % auf Genomebene und von weniger als 0,5 % auf Genebene in einer Population zu finden. Das "HapMap Projekt" spürte Variationen mit einer Häufigkeit von mehr als 5 % auf Genomebene in der untersuchten Population auf. Es führte unter anderem zur Identifizierung einer genetischen Varianz, die das Risiko erhöht, an Makuladegeneration zu erkranken.

Die "Hap-Map"- Ergebnisse - und später wohl auch die des "1000 Genome Projekts" - nützt die Firma "23andMe". Sie bietet seit Januar 2008 für etwa 1000 US Dollar eine personalisierte Genomanalyse an. Der Preis gilt für Europäer. Innerhalb von 4-6 Wochen nach Einsendung einer Speichelprobe schreibt Ihnen die Firma, ob der Sie eine Prädispostion beispielsweise zu Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs, Diabetes oder Enteritis regionalis Crohn haben. Als Grundlage für die Chip-basierte Analyse der eingesendeten Probe dienen im "HapMap Projekt" gefundene SNPs, die im Nachhinein mit dem Auftreten bestimmter Krankheiten assoziiert werden konnten. Die Analyse ersetzt jedoch nicht die genetische Beratung. Bezüglich Brustkrebs wird beispielsweise nicht nach Mutationen in den Genen für BRCA1 und BRCA2 gesucht, die für erblichen Brustkrebs verantwortlich sind. Es werden stattdessen SNPs im Gen für den Rezeptor für Wachstumsfaktor FGF2 herangezogen, der in 5-10 % der Brustkrebse überexprimiert ist.

Soll man die 1000 $ riskieren?

Kenntnisse über die persönliche genetische Ausstattung bereiten den Weg für die individualisierte medizinische Behandlung und eventuell für eine neue Lebensweise. Sie bergen aber auch das Risiko von Angst, Diskriminierung und Abstempelung. Letzteres jedenfalls dann, wenn die Daten in die Hände anderer gelangen.



Bettina Dupont



Letzte Änderungen: 04.08.2008