Editorial

Wieder ein gescheiterter Tumormarker!

Seit Jahrzehnten versucht man, Tumormarker zu finden, vor allem Marker für die noch behandelbaren Frühformen von Tumoren. Bis jetzt erfolglos, wenn man von PSA für Prostatatumoren absieht. Die Spezifität von PSA ist jedoch gering. Bei erhöhten PSA-Werten im Serum (> 4 ng/ml) liegt in Dreiviertel der Fälle kein Tumor vor und bei dem restlichen Viertel wächst der Tumor oft so langsam, dass keine Gefahr besteht. Die Gefahr besteht eher in den Biopsien, die übereifrige Ärzte wegen des hohen PSA-Wertes durchführen.

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(25. September 2009) Die Forschungsrichtung krankt an zwei Problemen.

Das Erste: Frühe Tumormarker treten im Blut in astronomisch niedrigen Konzentrationen auf. Dies weil es (frühe Marker!) noch wenig Krebszellen gibt, weil diese nur einen Teil des Markers ins Blut abgeben (wenn überhaupt!) und weil der Marker von Proteasen abgebaut wird.

Das Zweite: Tumorentstehung und -entwicklung sind Zufallsprozesse, die bei jedem Patienten anders verlaufen. Es gibt nicht den Lungentumor, er bleibt im Laufe der Krankheit auch nicht konstant, sondern bildet immer neue/andere Proteine. Warum also sollte es einen Marker für Lungentumoren geben?

Manche suchten denn auch nicht einzelne Marker, sondern Proteinmuster, die Krebs und möglichst dessen Frühstadium anzeigen sollen. Nicht das Auftauchen eines einzelnen Proteins zeige Krebs an, behaupten sie, sondern die Konzentrationsab- und zunahmen einer ganzen Reihe von Proteinen.

So wollten Petricoin et al. im Jahre 2002 mit einem Mustererkennungs-Algorithmus aus Massenspektren Proteinmuster identifiziert haben, die Ovarialcarcinome im Frühstadium anzeigen. Dies würde bedeuten, dass es Proteinmuster für Krebs gibt, die über die Entwicklung des Krebses konstant bleiben. Auch das zu glauben, fällt schwer und wahrscheinlich stimmt es nicht, zumindest Petricoins Muster scheint nicht zu stimmen. Keith Baggerly und Kollegen, Statistiker des Anderson Cancer Centers, haben im Jahre 2004 die Daten von Petricoin et al. untersucht und darin "various inconsistencies" gefunden. Sie kamen zu dem Schluss: "Taken together, these and other concerns suggest that much of the structure uncovered in these experiments could be due to artifacts of sample processing, not to the underlying biology of cancer." Anscheinend konnten Petricoin et al. ihre Lancet-Daten auch nicht reproduzieren, angeblich weil ihr SELDI-TOF nicht reproduzierbar arbeitete. Er soll mit den gleichen Proben verschiedene Muster an verschiedenen Tagen gegeben haben. Der Hersteller von SELDI bestritt das. Er glaubt, das Mustererkennungsprogramm von Petricoin et al. tauge nichts.

2008 wurde einer Firma, die einen anderen Test für Ovarialcarcinome vertrieb, der an der Yale-Universität entwickelt worden war, von der FDA der Verkauf untersagt. Der Test sei nicht richtig evaluiert worden, hieß es.

Seltsame Dinge hört man auch von einem Bluttest für Prostata-Tumoren, den Robert Getzenberg, ein Forscher der Johns Hopkins-Universität, entwickelt haben will (Science 325:1484). Ein Protein aus der nuklearen Matrix von Prostatatumorzellen namens EPCA (early prostrate cancer antigen) eigne sich zum Nachweis und sei fast 100% spezifisch. Doch die Biotechfirma Onconome, die innerhalb von fünf Jahren 13 Millionen US-Dollar in Getzenbergs Tumordiagnoseforschung steckte, verklagte Getzenberg (und die Universitäten, in denen er arbeitete) auf Betrug. Er habe der Firma irreführende Daten präsentiert, seine Daten seien nicht reproduzierbar und sein Tumortest so zuverlässig wie das Werfen einer Münze.

So wie es aussieht, kann man sich auch mit den ausgefeiltesten methodischen und anderen Tricks nicht über biologische Gegebenheiten hinwegsetzen.

 

Hubert Rehm

 

 

 

 



Letzte Änderungen: 04.03.2013