Editorial

US-Politiker als Mietmäuler

Apropos Pharmaskandal (siehe unten): Über einen echten Skandal gäbe es derzeit aus den USA zu berichten. Dort schreiben Pharma-Lobbyisten regelmäßig Reden für US-Politiker, berichtete die New York Times am 15. November. Doch im deutschen, von GEZ-Gebühren finanzierten Qualitätsfernsehen herrscht dazu Funkstille.

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(18. November 2009) Zahlreiche US-Politiker haben in der Debatte zur Gesundheitsreform vorgefertigte Stellungsnahmen benutzt, die von der Firma Genentech beauftragt und durch Lobbyisten verbreitet wurden. “Im Parlament sprechen viele mit einer Sprache – und zwar mit der der Lobbyisten” titelte dazu die New York Times am 15.11. auf Seite 1. Dem Journalisten Robert Pear war demnach aufgefallen, dass viele Politiker immer wieder die Biotechnik-Industrie lobten – und zwar teilweise mit identischen Sätzen. Zitiert wird der republikanische Abgeordnete Joe Wilson mit der Stellungsnahme: “Einer der Gründe, warum ich die US-Biotechindustrie schon lange unterstütze ist, dass dies eine hausgemachte Erfolgsgeschichte ist und ein Motor zur Schaffung neuer Arbeitsplätze für unser Land”. Den Exakt gleichen Satz hatte auch Wilsons Parteigenosse Blaine Luetkemeyer genutzt. Die schönen Worte stammten allerdings nicht von den beiden “Volksvertretern”, sondern sie wurden von Lobbyisten geschrieben, die in der US-Hauptstadt Washington für die Firma Genentech arbeiten.

 

Immer die gleiche Botschaft

 

E-Mails, die der New York Times vorliegen, zeigen demnach, dass die Lobbyisten die gleiche Botschaft in zwei Varianten an die Abgeordneten heran trugen: Eine für Angehörige der Demokratischen Partei und eine zweite Variante für Republikaner. Mit dieser Strategie seien die Lobbyisten so erfolgreich gewesen, dass die entsprechenden Äußerungen auch mehrfach im Congressional Record landeten, der offiziellen Zeitung, in der alle Tätigkeiten und Debatten des US-Parlaments für die Öffentlichkeit und die Geschichtsbücher dokumentiert werden.

 

Genentech wurde 1976 als erste reine Biotechnologiefirma der Welt gegründet. Das Unternehmen zählt zu den erfolgreichsten auf diesem Sektor und ist mittlerweile vom Schweizer Pharmariesen Roche übernommen worden.

 

42 Abgeordnete nahmen dankbar an

 

Wie Pear berichtet, hätten insgesamt 42 Abgeordnete beider Parteien Argumente aus den Vorlagen von Lobbyisten übernommen, die von Genentech beauftragt wurden. Die nahe liegende Frage, ob und welche Gegenleistungen die Politiker für das Nachplappern der Pharmaparolen bekommen haben, beantwortet der Journalist zwar nicht. Pear deckt aber auf, dass die Stellungsnahmen aus der Feder von Matthew L. Berzok stammen, einem Anwalt der Kanzlei Ryan, MacKinnon, Vasapoli & Berzok. Verteilt wurden die Statements dann von den Lobbyisten einer anderen Kanzlei, Sonnenschein Nath & Rosenthal. Zum Beweis zitiert Pear aus einer E-Mail, die einer der Leiter der Kanzlei geschrieben hat: ““Wir versuchen alles menschenmögliche, um so viele republikanische und demokratische Kongressabgeordnete für diese Stellungsnahmen zu gewinnen, wie wir können”, gab Todd M. Weiss die Richtung vor und wies seine Lobbyisten an: “aggresiv auf unsere Kontaktleute einzuwirken, damit deren Bosse die angehängten Stellungsnahmen in die öffentlichen Aufzeichnungen bringen.”

 

"So etwas passiert jeden Tag"

 

Pear hat übrigens auch einen nicht namentlich genannten Lobbyisten befragt, “der Genentech nahe steht”. Für diesen Mann war die Sache offensichtlich wenig aufregend: “So etwas passiert jeden Tag”, sprach der Lobbyist. “Daran war überhaupt nichts Schändliches.”

 

Michael Simm



Letzte Änderungen: 04.03.2013