Editorial

Der Fehlerbalken im Auge des Forschers

"Der Charité-Skandal" (Folgen 1, 2 3 und 4, Update vom 23. Februar 2010) -- Es gehen Gerüchte, Forscher an der Charité hätten eine Unzahl von gefälschten Papern veröffentlicht. Höchste Stellen seien verwickelt, der Filz reiche bis nach Hamburg. Selbst Ulrike Beisiegel, Sprecherin des Ombudsman der DFG, Kandidatin für das Präsidentenamt der Göttinger Universität, Ikone der deutschen Wissenschaftsethik, wurde angegriffen.

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Da biegt sich der (Fehler-)Balken

Folge 4: Savaskan weist die Vorwürfe zurück

 

Kühbachers Mail bewirkte, so Savaskan, daß er in Zürich vor das Direktorium zitiert und seine Anschlußfinanzierung als Oberassistent eingestellt wurde. „Schwab war sauer“, sagt Savaskan. Er lebte nach seinem Abgang vom Zürcher Hirnforschungsinstitut, Ende Dezember 2008, von Erspartem, erhielt aber im Juli 2009 eine von Nitschs Assistentenstellen.

 

Zurück zum Juli 2008. Savaskan antwortete Kühbacher am 6.7.2008 und wies die Vorwürfe zurück - wobei die Kontrahenten teilweise aneinander vorbei redeten. Savaskan und auch Nitsch, Hahnen und andere bezogen Kühbachers Kritik am Ms1 auf Ms2 und argumentierten (zu Recht), in Savaskans eingereichten Manuskript (Ms2) seien gar keine time lapse videos aufgeführt, auch enthielten die Legenden in Ms2 keine Fallzahlen, diese könnten also auch nicht gefälscht sein. Savaskan gewann den Eindruck, daß Kühbacher das Ms2 gar nicht kenne. Dies um so mehr als Kühbacher geschrieben hatte, er wolle vom Editor des J. Neurochem. die eingereichte Manuskriptversion anfordern. Savaskan schickte Kühbacher daher am 6.7.08 das Ms2 zu: „Damit der sich beruhigt.“

 

Die Anforderung war jedoch eine Nebelkerze Kühbachers. Er hatte schon im Mai 2008 von einem der Reviewer des J. Neurochem. eine Kopie von Ms2 erhalten. Zum Plagiatsvorwurf erwidert Savaskan, daß Kühbacher nur die Gewebe beigesteuert habe. Auch gegenüber Laborjournal versicherte Savaskan, er habe nie Gewebeschnitte von Kühbacher erhalten, sondern Gewebe. Er, Savaskan, habe die Hirne und Hoden von Kühbacher erhalten und am 20.12.01 und 14.1.02 im Isotopenlabor der Anatomie und Biophysik geschnitten: Am 20.12.01 das Se+ Hirn und am 14.1.02 Se- Hirn und  Se- Hoden. Von Se+ Hoden habe er keine Schnitte gemacht. Die Objektträger seien mit seiner Handschrift bzw. der seiner Laborantin Winkler beschriftet worden (Zur Erinnerung: Kühbacher sagt, er habe geschnitten und die Objektträger beschriftet). Savaskan weiter: Die Aufsicht habe der Strahlenschutzbeauftragte Ninnemann gehabt. Den anfallenden radioaktiven Abfall habe Ninnemann abklingen lassen. In der Tat steht in Savaskans Laborbuch von 2001-2002: „20.12.01, Donnerstag. Se+ Tier geschnitten, 10 mm Durchmesser, fixierung nach ISH-Protokol mit Ethanol-Reihe. Schnitte strahlen nicht, Reste auch nicht, das Se+ Hirn jedoch schon etwas Se- Hirn im Januar.“


Savaskan hat die Filme am 31.10.02 (Hoden von Se- Ratten für 15 Tage) und am 18.9.02 (Se- Hirne) exponiert. Die lange Zeit zwischen Schneiden und Exponieren erklärt er mit der hohen Radioaktivität der Schnitte, die er erst habe abklingen lassen wollen; er habe die Schnitte allerdings auch schon vorher exponiert. Pdfs dieser Filme liegen Laborjournal vor.

 

Der  Laborjournal-Reporter lernte daraus, daß Rattenhoden so groß sind wie Rattenhirne. Dennoch ist Rattus evolutionär erfolgreicher als Homo sapiens. Seltsam. Verzeihen Sie die Abschweifung aber die Mühseligkeit dieser Recherche verlangte eine Abwechslung.

 

Weiter zu Savaskans Version: Die Se+ Hirne, die naturgemäß weniger 75Se enthielten, seien am 21.12.01 oder am Tag danach exponiert worden. Savaskan will die Filme am 28.1.08 und 5.2.08 mit dem Programm ImageJ ausgewertet haben. Ein Teil der Schnitte sei nach dem Abklingen auch gefärbt worden. Die Lieferung der Organe sei in Absprache mit Kühbacher und dessen Dienstvorgesetztem Kyriakopolous in den Acknowledgements von Ms2 festgehalten worden. Dort wird Kühbacher für „materials and technical support“ gedankt. Die fehlende Se+ Ratte in der Figur 2, Ms2 bezeichnet Nicolai Savaskan dem Laborjournal-Reporter gegenüber als Schreibirrtum. Auf Kühbachers Vorwürfe bezüglich der Quantifizierung in Ms2 ging Savaskan am 6.7.2008 nicht ein. Er schlug aber ein Treffen in Berlin vor, um die Angelegenheit gütlich zu klären.

 

 

von Hubert Rehm

 

Als PDFs zum Download:

 

MS1 v4

MS1 v5

Ms2

Dalla Pu


Was bisher geschah:

Folge 1: Die Kontrahenten

 

Folge 2: Der Krach

 

Folge 3: Die Affäre eskaliert

 

Folge 4: Savaskan weist die Vorwürfe zurück

 

Folge 5: Nachforschungen des LJ-Reporters

 

Folge 6: Vermittlungsversuche

 

Folge 7: Der DFG-Ombudsman wird angerufen

 

Folge 8: Der Ombudsman fordert Unterlagen an

 

Folge 9: Der DFG-Ombudsman gibt an den DFG Ausschuß für Fehlverhalten ab

 

Folge 10: Kühbachers Generaluntersuchung

 

Folge 11: Frau Beisiegels Stellungnahme

 

Folge 12: Noch ein fehlerhaftes Paper: Das Nogo Paper

 

Folge 13: Juristische Nullnummer

 

Folge 14: Ein neuer Ermittler schaltet sich ein

 

Folge 15: Hugo Habicht widerspricht Adebar Storch!

 

Folge 16: Seltsame Endziffern

 

Folge 17: Zusammenfassung und Kommentar

 

Folge 18: Ergänzungen und Bemerkungen

 



Letzte Änderungen: 09.08.2010