Editorial

Die Aktien der schwerreichen Mäzenin

Beim Roche-Konzern knarzt es hinter den Kulissen. Das überraschende Ausscheren einer Großaktionärin sorgt an der Börse kurzfristig für Übernahmegerüchte.

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Maja Oeri

(1. April 2011)  Kennen Sie Maja Oeri? Vermutlich nicht – es sei denn, Sie interessieren sich für superreiche Schweizerinnen, die zeitgenössische Kunstobjekte sammeln und für diese Leistung von der Uni Basel einen Doktor honoris causa verliehen bekommen.

Frau Oeri ist nicht nur Kunstsammlerin. Ihr gehören auch acht Millionen Aktien (entspricht fünf Prozent) des Baseler Pharmakonzerns Roche. Diese Aktien waren am gestrigen 31. März eine knappe Milliarde Euro wert (genauer: 933 Millionen Sechshundertfünfundzwanzigtausendneunhundertsieben Euro).

Frau Oeri verkauft diese Aktien aber nicht. Sie hat genug Geld, um Miete, Strom und Wasser zu bezahlen. Außerdem hat sie allein im letzten Jahr für jede ihrer Aktien sechs Schweizer Franken Dividende kassiert. Sie ist also 2010 nochmal um 48 Millionen SFr (knapp 37 Millionen Euro) reicher geworden. Damit lassen sich schon ein paar Gemälde und Plastiken kaufen. Tja, Urenkelin des Gründers des Roche-Konzerns müsste man sein!

Seismografische Zuckungen in der Finanzwelt

Vor wenigen Tagen sorgte Frau Oeri für ein kleines Erdbeben in der Finanzwelt, das in panischen Gerüchten über eine baldige Übernahme der Roche AG durch den Baseler Nachbarkonzern Novartis gipfelte. Was war passiert?

Nicht viel. Maja Oeri möchte endlich selbständig werden. Sie hatte daher beschlossen, aus dem seit 1948 bestehenden (und 2009 erneuerten) sogenannten „Aktionärsbindungsvertrag" der Roche Holding auszusteigen. Mit anderen Worten: Frau Oeri wird künftig nicht mehr mit den restlichen direkten Nachkommen des Firmengründers Fritz Hoffmann-La Roche an einem gemeinsamen Tisch sitzen.

Die Konsequenz: Die Milliardärs-Clique der Hoffmann-LaRoche-Nachkommen verliert ihre Stimmenmehrheit (bisher 50,01, neu nur noch 45,01 Prozent) und damit auch die Kontrollmehrheit. Die verbleibenden Mitglieder (ob ebenfalls Sammler zeitgenössischer Kunst, ist dem Schreiber nicht bekannt): Vera Michalski-Hoffmann, Maja Hoffmann, André Hoffmann, Andreas Oeri, Sabine Duschmalé-Oeri, Catherine Oeri, Jörg Duschmalé und Lukas Duschmalé.

Zusammen besitzen diese acht Damen und Herren ein Aktienvermögen von 8,4 Milliarden Euro. Maja Oeri spielt als Einzelaktionärin mit ihren fünf Prozent der Stimmrechte künftig Einzelkämpferin.

Übernahme durch Novartis? Bisher nicht.

Und warum die Erschütterungen an den Finanzmärkten? Nun, dass Novartis seinen Nachbarn Roche übernehmen wolle, munkelt man seit Jahren. Bisher wurde dies von der Novartis-Führung regelmäßig bestritten – und da die Nachkommenschaft von Fritz Hoffmann-La Roche immer wieder beteuert hatte, ihren Mehrheitsanteil nicht verkaufen zu wollen, schien an den Gerüchten nichts dran zu sein.

Nun jedoch beginnt das Fundament, auf dem Roches Selbstständigkeit ruht, ganz leise zu wackeln, auch wenn sowohl der Roche-Familienpool als auch Maja Oeri bislang versichern, ihre Anteile behalten und damit an der Unabhängigkeit von Roche und dem Konzernsitz in Basel festhalten zu wollen.

Vorerst ändert sich also in Basel nichts. Auch wenn Novartis mit 33 Prozent Anteil an Roche seit längerem der zweigrößte Aktionär ist.


Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013