Editorial

Zulassungschaos an deutschen Hochschulen

Der Kampf um die Studienplätze an Deutschlands Hochschulen geht in die nächste Runde. Wer nicht mit Bestnoten im Abitur aufwarten kann und daher auf einen Nachrückplatz spekuliert, muss sich Sitzfleisch zulegen. Doch auch dann gibt's noch keine Garantie auf eine Zusage von einer Hochschule – trotz freier Plätze. Eine neue Zulassungssoftware soll Abhilfe schaffen.

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Hat das Warten bald ein Ende?

(9. April 2011) Das Bewerbungskarussell um die Studienplätze an Deutschlands Hochschulen dreht sich, aber für viele dreht es sich zu langsam und ab und zu kommt es ins Schleudern. Die Gründe sind Legion. Ein neues, "dialogorientiertes Studienplatzvergabesystem" zur Koordination von Mehrfachbewerbungen soll dem Chaos ein Ende bereiten.

Der Dialog soll zwischen den Studierenden, den Hochschulen und der neuen Zulassungssoftware stattfinden und ist für die Verteilung von Studienplätzen mit örtlicher Zugangsbeschränkung zuständig. Da gilt es, Mitarbeiter fit zu machen für das neue Verfahren, und – noch wichtiger – die hochschuleigene Software auf den neuesten Stand zu bringen.

An diesem Punkt scheiterte bisher an vielen Hochschulen die korrekte Abwicklung der Studienplatzvergabe und die Verteilung der Nachrückplätze: Die Campussoftware war nicht zu der neuen Zulassungssoftware kompatibel. Zum einen weil es verschiedene Hersteller gibt, zum anderen waren die Versionen veraltet, ebenso wie die Hardware. Hätten sie beizeiten Ressourcen in die Aufrüstung der EDV gesteckt, gäbe es dieses Problem nicht, erklärt Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Deutschen Philologenverbandes. "Haben sie aber nicht, und deshalb funktioniert's nicht." Meidinger, der selbst an einer Schule unterrichtet und weiß, welche Probleme die Abiturienten mit ihren Bewerbungen an den Hochschulen haben, hat daher öffentlich Kritik erhoben: Absolut inakzeptabel und skandalös sei die Tatsache, dass nun schon im dritten Jahr in Folge die Hochschulen das Mehrfachbewerbungsverfahren nicht in den Griff bekommen haben.

 

Das neue Zulassungssystem zur Koordination von Mehrfachbewerbungen – an mehreren Hochschulen und/oder für mehrere Fächer – hört sich im Prinzip vernünftig an: Die Hochschulen melden auf dem Portal der Stiftung für Hochschulzulassung, hochschulstart.de, die Zahl der verfügbaren Studienplätze. Interessierte richten sich auf dem Studienportal einen Account ein und bewerben sich an bis zu zwölf Hochschulen. Sie können den Stand ihrer jeweiligen Bewerbung jederzeit einsehen, etwa ob sie von einer Hochschule eine Zusage erhalten haben oder ob sie es auf eine Nachrückliste geschafft haben. Die Bewerber können so abschätzen, ob es sich lohnt, bei ihrer favorisierten Hochschule noch ein wenig abzuwarten, oder ob sie sich gleich an einer anderen Hochschule einschreiben.

hochschulstart.de bietet zudem Daten der letzten Semester über die Anzahl der Bewerber für ein bestimmtes Fach an einer bestimmten Hochschule an, einschließlich aktuellem NC und Zahl der benötigten Wartesemester.

Wenn das System läuft, sollte die Studienplatzvergabe kein Problem sein. Jedoch ist die Teilnahme am System eine freiwillige Veranstaltung und trägt dem jahrelangen Kampf der Hochschulen um mehr Selbstständigkeit Rechnung. Die Stiftung für Hochschulzulassung – und mit ihr viele andere – wünscht sich zwar, dass möglichst alle Hochschulen teilnehmen, doch viele Hochschulen sehen sich durch das neue Zulassungssystem bei der Auswahl ihrer Studierenden eingeengt. Es würde sie an Fristen binden, sie müssten den Status der jeweiligen Bewerbung und Kapazitäten angeben, Nachrückverfahren offenlegen.

 

Für das Wintersemester 2011/2012 läuft ohnehin nur eine abgespeckte Version der Plattform hochschulstart.de, in welcher nur gefragte Monostudiengänge, wie Psychologie, Architektur, Betriebswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft, zur Auswahl stehen. "Nimmt man die Doppelstudiengänge, die immerhin 30 bis 40 Prozent aller Bachelor/Master- und sämtliche Lehramts-Studiengänge ausmachen, und die weiterführenden Studiengänge mit rein, sprengt's die Software", ist sich Meidinger sicher.

Dem widerspricht Bernhard Scheer, Pressesprecher der Stiftung für Hochschulzulassung. "Die Software ist für die Verarbeitung von Mehrfachstudiengängen ausgelegt", erklärt Scheer. "Uns war es jedoch wichtig, die Plattform zum Wintersemester zum Laufen zu bringen", so Scheer, "um den erwarteten Ansturm von Bewerbern aus den doppelten Abitursjahrgängen und durch Aussetzung der Wehrpflicht aufzufangen. Für das nächste Sommersemester ist ein komplettes Angebot geplant."

Bleibt am Ende die Hoffnung, dass damit das Studienplatzvergabechaos beendet ist, und die Frage, wer das Ganze zahlen soll, Länder oder Hochschulen? Laut duz sollen ab dem Sommersemester 2012 pro vermitteltem Studienplatz 20 Euro fällig werden (duz Magazin 02/11, 28.01.2011). Einige Hochschulen wollen daher erst nach einer dreijährigen Probezeit entscheiden, ob sie weiterhin an dem neuen Zulassungssystem teilnehmen.

 

Lara Winckler

Bild: benicce/photocase.com



Letzte Änderungen: 04.03.2013