Editorial

Warten auf den großen Schnupfen

Dreizehn Menschen sterben an einem Virus, doch das große Zittern vor einer alles verschlingenden Pandemie bleibt aus. Vertrauen wir der Wissenschaft, dass sie rechtzeitig ein Gegenmittel findet, oder wurde einmal zu oft die Panik vor einem weltweiten Grippetsunami geschürt?
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(16. April 2013) Am Wochenende berichtete die chinesische Nachrichtenagentur XINHUANET fast stündlich von weiteren Infektionen des Menschen mit dem H7N9-Virus. Die offizielle Zahl der infizierten Personen lag am Montag bei 60 – von ihnen seien 13 Personen gestorben.

„Das in China aufgetretene Virus H7N9 war in dieser Form nicht bekannt", sagte der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI), Thomas Mettenleiter. Erste Untersuchungen des beim Menschen gefundenen Virusstamms tragen Merkmale des niedrig-pathogenen aviären H7N9-Virus. Diese Variante zeigt bei den infizierten Vögeln keine Auffälligkeiten, beim Menschen führt sie zu schweren Krankheitssymptomen.

Die chinesische Regierung hat die ersten drei Sequenzen der neuen H7N9-Virusvariante in der öffentlich zugänglichen GISAID-Datenbank für Influenzaviren veröffentlicht.

Sequenzanalysen offenbaren, dass das neue H7N9-Virus eine größere Wirtsaffinität zu Säugetieren hat als alle bisher bekannten Vogelgrippe-Arten, wie die WHO bekanntgibt. Für den Virologen Mettenleiter deuten "einige genetische Signaturen des H7N9-Virus in China auf ein pandemisches Risiko dieser Erreger" hin. Eine Erforschung von H7N9 unter entsprechenden Sicherheitsbedingungen wie bei dem gefährlichen Vogelgrippe-Virus H5N1 sei daher sicher sinnvoll.

Die Forschung mit gefährlichen Vogelgrippe-Viren war zwischen 2011 und 2012 auf Eis gelegt. Nachdem ein Team um den Rotterdamer Virologen Ron Fouchier (Science 2012, 336(6088):1534-41) nachgewiesen hatte, dass eine Luft-Übertragung des Virus zwischen Säugern ohne Zwischenwirt möglich ist, bekam man Bedenken, ob eine Veröffentlichung dieser Studie ein mögliches Risiko darstelle, etwa für die Biosicherheit. Um in Ruhe darüber nachzudenken, legten sich die Grippeforscher ein einjähriges Moratorium auf.

Nun ist die Forschung am Vogelgrippe-Virus H5N1 wieder möglich. Allerdings hat die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) die Risikobewertung gefährlicher Grippeviren der Subtypen H5 und H7 neu definiert. Seit 2013 darf die Erforschung der Luftübertragung dieser Viren nur noch in Hochsicherheitslaboren der Stufe 4 durchgeführt werden (siehe auch Laborjournal 4/2013, S.8). 

In Marburg steht eines dieser Hochsicherheitslabore. Allerdings führt dieses Labor keine Forschung zur Luftübertragbarkeit derartig gefährlicher Viren durch. "Wir dürfen maximal mit Mäusen und Ratten arbeiten. Und das auch nur dort, wo wir den Impfstoff dazu produzieren", erklärte Laborleiter Markus Eickmann.

Stephan Becker, Leiter des Marburger Instituts für Virologie, mahnt dazu, im Zusammenhang mit den in China aufgetretenen Infektionsfällen einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn schließlich seien solche Szenarien gar nicht so selten. Und bei der "neuen" H7N9-Virusvariante lassen Sequenzanalysen auf frühere Wirtswechsel schließen, die von niemandem bemerkt wurden. Weil es keine Pandemie gegeben hatte.

 

Daniela Knoll

Foto: michaklootwijk/Fotolia.com



Letzte Änderungen: 12.07.2013