Editorial

Oberpfälzer Mikronauten

Die NASA-erprobte Regensburger Astrobiologin Christine Moissl-Eichinger charakterisiert Mikroben von Raumfahrzeugen und deren Montagehallen. Ihr Traum ist es, irgendwann Alien-Mikroben zu entdecken.
editorial_bild

(21. Mai 2013) Astrobiologie? Wow, das klingt erstmal hochexotisch und aufregend nach unendlichen Weiten und fremden Galaxien. Doch wenn die Regensburger Mikrobiologin Christine Moissl-Eichinger über ihre Arbeit spricht, wird schnell klar, dass es sich hierbei um bodenständige Forschung handelt, in der es vor allem um den Schutz der zu erkundenden Planeten geht.

Zu dieser Planetary Protection sind laut Weltraumvertrag der Vereinten Nationen alle Staaten verpflichtet, die ins All fliegen. Die Schutzmaßnahmen sollen sicherstellen, dass keine Mikroorganismen von der Erde auf andere Planeten, Monde, Asteroiden etc. gelangen. Das dient zum einen dem Schutz des fremden Ökosystems und soll zum anderen verhindern, dass bei der Suche nach Leben auf diesen Himmelskörpern falsch-positive Ergebnisse durch eingeschleppte Mikroorganismen erzielt werden. Neben den technischen Anforderungen ist auch das ein Grund dafür, warum die verschiedenen Weltraumfahrzeuge in Reinräumen zusammengebaut werden.

Die „andere“ Raumschiff-Besatzung

Früher wurden die Raumschiffe nach dem Bau durch Heißluft sterilisiert. Heute ist das aufgrund der enthaltenen Elektronik jedoch kaum mehr möglich. Trotzdem gilt es, die vorgeschriebenen Grenzwerte bezüglich der maximalen Anzahl vorhandener Mikroorganismen einzuhalten. „Von der ersten Schraube bis zum Abflug findet ein ständiges Monitoring statt“, erzählt Moissl-Eichinger. Um die Belastung von bestimmten Einzelteilen oder Werkzeugen, aber auch verschiedenen Bereichen der Reinräume zu überprüfen, werden diese regelmäßig beprobt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anna Auerbach ist gerade mit frischem Material aus Rom zurückgekommen, wo sie von einem Fallschirm für die Raumsonde ExoMars Proben genommen hat. „Mit speziellen Tüchern wird jeweils ein Quadratmeter Fläche nach einem vorgeschriebenem Schema abgewischt – zunächst von rechts nach links, dann von oben nach unten“, erklärt Auerbach. „Diese Wipes sind feucht. Das erhöht die Anzahl aufgenommener Mikroorganismen enorm“, ergänzt Doktorand Alexander Probst, der über die Effizienz dieser Wischtests seine Diplomarbeit verfasst hat.

Terrestrische Kontaminationen

Nun gilt es herauszufinden, wie stark belastet der Fallschirm ist und welche Bakterien und Archaeen sich darauf nachweisen lassen. Das wiederum klingt einfacher als es ist. Wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, bieten Reinräume nicht gerade ideale Voraussetzungen für Mikroorganismen. Dort finden sich vermehrt Arten, die extreme Umgebungen tolerieren. Diese Extremisten sind es, für die sich die Astrobiologen um Moissl-Eichinger interessieren. Um sie zu bestimmen, kultivieren die Wissenschaftler sie in über 30 Ansätzen mit unterschiedlichen Bedingungen: Auf Agarplatten, in Flüssigmedien, anaerob in unterschiedlichen Gasgemischen, bei sehr hohen Temperaturen oder in stark salzhaltigem Medium. Dabei entstehen erstaunlicherweise relativ viele Kolonien.

„Je nachdem, in welchem Bereich Proben genommen werden, unterscheiden sich die Belastungen enorm. Prinzipiell sind die Kontaminationen dort am höchsten, wo Menschen arbeiten“, erklärt Moissl-Eichinger. Aber auch die Beschaffenheit der untersuchten Oberfläche beeinflusst deren mikrobielle Besiedelung. Rauhe und poröse Materialien sind schwieriger zu reinigen und deshalb meist stärker belastet. Die abgenommenen Kolonien werden mehrmals ausgestrichen, bis schließlich nur noch Reinkulturen vorliegen, und taxonomisch eingeordnet. Bei der Auswertung dieser Wischtests von Raumfahrzeugen und Reinräumen entdecken die Regensburger manchmal neue Arten. „Etwa 50 der von uns isolierten über 300 Arten waren bisher unbekannt“, erläutert Moissl-Eichinger.

Nach ihrer Doktorarbeit in Regensburg über ein extremophiles Archaeon wechselte die Biologin 2005 zum Jet Propulsion Laboratory der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA in Pasadena. Dort war man auf der Suche nach einem Experten für extremophile Mikroorganismen und deren Nachweis in sehr geringen Mengen. Für Moissl-Eichinger ein Sechser im Lotto. „Die Arbeit dort war faszinierend. Als Biologe hat man ja sonst kaum einen Zugang zu derartigen Einrichtungen“, erzählt Moissl-Eichinger. Die Reinräume, in denen Proben genommen wurden, haben teilweise Grundflächen von 1.000 m2 und sind um die vier Stockwerke hoch. Das und die Tatsache, dass viele Menschen an den Weltraumfahrzeugen arbeiten, erschweren es, alles keimfrei zu halten. „Je näher der Abflug rückt, desto strikter werden dann auch die Vorschriften“, erklärt Moissl-Eichinger.

Reinraum-Biodiversität

Durch ihre Forschung bei der NASA wurde die Europäische Weltraumorganisation ESA auf die Wissenschaftlerin aufmerksam. Die ESA war sehr an einer Zusammenarbeit interessiert und ließ es sich was kosten, die Biologin zurück nach Regensburg zu holen. So kam die Astrobiologie in die Oberpfalz. Seitdem ist die Arbeitsgruppe regelmäßig in aller Welt unterwegs, um Proben zu nehmen und auszuwerten. Die Arbeit wird den Regensburgern nicht ausgehen: Für 2016 und 2018 sind ExoMars-Missionen geplant, bei denen Raumsonden zum Mars geschickt werden, unter anderem um dort nach Leben zu suchen. Irgendwann, so hofft Moissl-Eichinger, wird es dann auch einen „sample return“ geben, eine Rückkehr der Sonden mit Probenmaterial vom Mars. „Das ist jedoch noch Zukunftsmusik!“

Und selbst wenn sie etwas finden – man kann nie sicher sein, dass die Funde tatsächlich extraterrestrisch sind und nicht etwa ein falsch-positives Ergebnis durch Kontamination einer auf der Erde bisher unbekannten Art. Ein Grund dafür ist, dass nur ein Prozent aller Mikroben aus Reinräumen überhaupt kultivierbar ist. Deshalb werden neben den unterschiedlichen Kulturansätzen auch immer die 16S-rRNAs von Bakterien und Archaeen amplifiziert, sequenziert und taxonomisch eingeordnet (Astrobiology 2012, 12(11):1024-34). „Nach und nach entsteht dadurch ein grobes Bild der Biodiversität in Reinräumen“, erklärt die Biologin. „Trotzdem geht immer ein Teil der vorhandenen Arten verloren oder bleibt unentdeckt.“ 

Die taxonomische Charakterisierung der kultivierbaren Mirkoorganismen aus den Proben kann die Regensburger Gruppe allerdings nicht alleine stemmen. Jedes Isolat wird deshalb immer auch an die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH (DSMZ) in Braunschweig zur Aufbewahrung geschickt. Dort ist es anderen Forschern jederzeit zugänglich und kann im Nachhinein noch genauer charakterisiert werden. „Diese Kulturensammlung ist etwas Besonderes“, so Moissl-Eichinger. „Sie ermöglicht uns zudem, mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten.“ Im Gegensatz dazu gibt die NASA nur eine begrenzte Auswahl gefundener Isolate oder Informationen darüber nach außen.

Weltraum-Mikroben

ExoMars ist nicht das einzige aufregende Projekt der Regensburger. Hauptsächlich beschäftigt sich das Team mit der Charakterisierung kälteliebender Archaeen, doch es laufen auch Vorbereitungen für das Projekt ARBEX  (Archaea and extremophilic Bacteria onboard the International Space Station ISS), in dem untersucht wird, welche Mikroorganismen auf der Internationalen Raumstation ISS vorkommen. Leider ist diese Reise ins All den Astronauten vorbehalten. Um sicherzustellen, dass die Proben dort entsprechend den Vorgaben des Routine-Katalogs der ESA gesammelt werden, wird Moissl-Eichinger einen Astronauten entsprechend ausbilden.

Bisher wurden auf der ISS nur Bakterien gefunden, die mit dem Menschen assoziiert sind. Aber gibt es dort auch Archaeen? Die Vermutung liegt zwar nahe, da sie ja bereits in den Reinräumen vorhanden sind. Es ist jedoch noch völlig unklar, wie sich die noch extremeren Bedingungen im isolierten System der ISS auf die Artenvielfalt und deren Zusammensetzung auswirken. Lässt sich eine Anpassung der Mikroorganismen an ihre extreme Umgebung feststellen? Haben die minimale Schwerkraft und die hohen Strahlungswerte einen Einfluss?

ARBEX soll diese und andere Fragen klären.

Stefanie Haas (Text & Foto)

(Der Artikel erschien bereits in der aktuellen Laborjournal-Druckausgabe 5/2013 auf den Seiten 26-27)



Letzte Änderungen: 31.05.2013