Editorial

Süße Zeitgeber

Die Kleine Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) stellt ihre innere Uhr mithilfe von Zuckern, die sie photosynthetisch produziert.  
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(31. Oktober 2013) Eine hohe Zuckerkonzentration in der Pflanze unterdrückt die Expression des Gens Pseudo-Response Regulator 7 (PRR7), einer Komponente der zirkadianen Uhr. Dadurch steigt die Expression von Circadian Clock Associated 1 (CCA1), berichten Pflanzenforscher der britischen Universität Cambridge. Die Ergebnisse erschienen kürzlich in Nature (Haydon et al.).

Die Forscher aus Cambridge machten sich für ihre Analysen Luciferase-Reportergene zunutze, die durch Promotoren von Innere-Uhr-Komponenten gesteuert wurden. Dadurch leuchten die Arabidopsis-Pflanzen im Rhythmus der Promotoraktivität auf (zum Film).

Sie hemmten die Photosynthese, setzten von außen Zucker zu und verwendeten verschiedene Arabidopsis-Mutanten. Alex Webb, der Seniorautor der Veröffentlichung, erläutert: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Zuckerspiegel in Pflanzen eine wesentliche Rolle dabei spielen, zirkadiane Rhythmen mit der Umgebung zu synchronisieren. Wenn man zum Beispiel die Photosynthese hemmt, verlangsamt dies die innere Uhr um zwei bis drei Stunden.“ (1) Ein innerer molekularer Rhythmus, der dem 24-Stunden-Zyklus der Erde angepasst sei, ermögliche es Pflanzen, besser zu wachsen, da sie ihren Stoffwechsel und ihre Physiologie ihrer Umgebung anpassen könnten, erklären Alex Webb und Erstautor Mike Haydon. Schätzungsweise 30% des Arabidopsis-Genoms unterliegen der Steuerung durch die zirkadiane Uhr. So werden nicht nur das Pflanzenwachstum, sondern auch Photosynthese, Kohlenstoff-Umsatz und die Reaktionen auf Kälte von der zirkadianen Uhr beeinflusst.

Signal an Stoffwechsel

Anhand ihrer in Nature veröffentlichten Daten nehmen Webb und Haydon an, dass die innere Uhr von Arabidopsis mindestens zweimal am Tag gestellt wird. Früh am Morgen setzt das Licht der aufgehenden Sonne die innere Uhr auf Morgendämmerung. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung produziert die Pflanze zunehmend Zucker, die die innere Uhr ab einem bestimmten intrazellulären Niveau auf vier bis fünf Stunden nach der Morgendämmerung einstellen.

„Die Anhäufung von Zucker in der Pflanze liefert ihrem zirkadianen Zyklus eine Art von Rückmeldung. Wir denken, dass der Pflanze dadurch mitgeteilt wird, dass Energie in Form von Zuckern zur Verfügung steht, um wichtige Stoffwechselaufgaben durchzuführen,“ erläutert Mike Haydon, der inzwischen als Lecturer an der britischen Universität York tätig ist (1).

Komplexes biologisches Uhrwerk

An der inneren Uhr von Arabidopsis sind etwa ein Dutzend Proteine beteiligt. Neben Zuckern sind Licht und Temperatur wichtige Zeitgeber. Um einen zirkadianen Rhythmus zu erzeugen, regulieren dabei Transkriptionsfaktoren in einem komplexen Netzwerk über Rückkopplungs-Mechanismen die Expression anderer Transkriptionsfaktoren. Im Zentrum stehen die Myb-Transkriptionsfaktoren CCA1 und Late Elongated Hypocotyl (LHY), die an drei miteinander vernetzten Rückkopplungsschleifen beteiligt sind. In der zentralen Schleife kommt es zur wechselseitigen transkriptionellen Regulation von Myb-Transkriptionsfaktoren und Timing of Cab Expression 1 (TOC1). In einer anderen Schleife beeinflussen sich die Myb-Transkriptionsfaktoren und die TOC1-Verwandten PRR5, PRR7 und PRR9 gegenseitig.

Die zirkadiane Uhr von Pflanzen beschäftigt die Menschen seit über zweitausend Jahren. Im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung beschrieb Androsthenes als erster die täglichen Blattbewegungen des Tamarindenbaumes. 1729 berichtete der französische Astronom de Mairan, dass die täglichen Blattbewegungen der Mimose auch in konstanter Dunkelheit zu beobachten sind, was auf einen endogenen Auslöser in der Pflanze hindeutet (2,3).

Molekulare Details als Zukunftsaufgabe

Webb und Haydon glauben, dass die Rolle von Zuckern unter den sehr variablen natürlichen Verhältnissen noch wichtiger sein könnte als unter Laborbedingungen. Pflanzen brauchen zum Beispiel an trüben Tagen länger als an sonnigen Tagen, um große Mengen an Zuckern zu produzieren und müssen ihren Stoffwechsel entsprechend darauf einstellen. Als nächstes wollen die Wissenschaftler auf molekularer Ebene genauer aufklären, wie Zucker die innere Uhr reguliert. Sie vermuten, dass es sich dabei um einen grundsätzlichen Mechanismus handelt, der in allen Pflanzenspezies, also auch in Nutzpflanzen, vorkommt.

 


Bettina Dupont

Foto: Montage istockPhoto & Q. Groom

 

 

Quellen:
(1) http://www.cam.ac.uk/research/news/researchers-show-how-plants-tell-the-time
(2) McClung, CR (2006). Plant Circadian Rhythms. Plant Cell 18: 792-803.
(3) Bass, J (2012). Circadian topology of metabolism. Nature 491: 348-356.




Letzte Änderungen: 18.12.2013