Editorial

Offen für alles

(22.11.2014) Ob DFG oder Gates Foundation: Immer mehr Forschungsförderer empfehlen oder verlangen den Gebrauch „offener“ Lizenzen für wissenschaftliche Publikationen. Was ist damit gemeint?
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Publikationslizenzen. Genau, das ist das Kauderwelsch, das man vor Veröffentlichung eines Papers unterschreiben (oder per Mausklick bestätigen) muss. Klingt nach einem staubtrockenen Thema. Aber es gibt einen aktuellen Anlass, oder vielmehr zwei, doch einmal darüber zu sprechen: Die DFG appelliert and die Wissenschaftler, vermehrt offene Lizenzen zu nutzen. Und die Gates Foundation hat gestern angekündigt, dass sie von ihren künftigen Projektnehmern erwartet, dass sie ihre  Ergebnisse unter einer CreativeCommons-Attribution-Lizenz (CC-BY) publizieren (gleich mehr dazu, was CC-BY bedeutet). Da horcht man auf. Denn im Prinzip hat das zur Folge, dass Ergebnisse aus Gates-geförderten Projekten künftig nicht mehr in Nature, Science oder Cell publiziert werden dürften (siehe diesen Artikel von Richard van Noorden).

Wenn dem Autor sein Werk nicht mehr gehört

Denn bei traditionellen Journals tritt der Autor das Urheberrecht an den Verlag entweder komplett ab, oder erteilt eine exklusive Lizenz. Tritt man das Urheberrecht ab, so kann der Verlag alleine entscheiden, wo das Werk erscheinen darf, wer es verbreiten darf, wie viel der Zugang über diverse Kanäle kostet, und so weiter. Die „exklusive Lizenz“ ist auch nicht viel besser, der Unterschied ist aus Autorensicht eher eine juristische Spitzfindigkeit. Das Werk gehört zwar formal dem Autor, aber er überträgt alle wesentlichen Rechte an den Verlag und darf diese Rechte nicht noch einmal anderen übertragen (wobei Ausnahmen, wie z.B. der freie Zugang für alle nach einer Sperrfrist - Stichwort „green open access“ - im Kleingedruckten geregelt sind.

Was heisst das nun in der Praxis? Es heisst zum Beispiel, dass Elsevier unter Androhung rechtlicher Schritte Universitäten ermahnen kann, doch gefälligst Elsevier-PDFs von den öffentlich zugänglichen Servern herunterzunehmen – ja, auch PDFs der Autoren dieser Uni, die ihre eigenen Paper auf der eigenen Uni-Seite eingestellt hatten (siehe hier).

Denn genau darin besteht ja der unternehmerische Sinn des Copyright-Transfers und der exklusiven Lizenzen: Der Verlag sichert sich so sein Wirtschaftsgut. Wie der Verlag das Werk dann zu Geld macht, und ob das im Sinne des Autors ist, darauf hat der Autor kaum noch Einfluss, wenn er seine Rechte erst einmal abgetreten hat. Das Kleingedruckte zu lesen lohnt, denn manche Journals sind großzügiger als andere, was z.B. das Einstellen von PDFs auf die eigene Homepage angeht. Aber oft ist es dem Autor gerade mal erlaubt, PDFs der eigenen Arbeiten per Email an Kollegen zu schicken – und selbst da würden manche Verlage gerne einen Deckel aufsetzen, wenn es technisch realisierbar wäre.

Der Fluch der exklusiven Lizenz

Es geht bei der Lizenz-Frage aber nicht nur um die übliche OpenAccess-Debatte, auch wenn die Themen naturgemäß überlappen. Es geht nämlich nicht nur ums Lesen-Dürfen, und Abonnement-Bezahlen-Müssen, sondern auch um Weiterverbreitung und „sekundäre“ Nutzungen. Ein fiktives Beispiel (das aber auf ähnlichen, realen Fällen beruht): Der Autor eines wichtigen Stammzell-Papers wird gefragt, ob eine Grafik aus seinem Paper für ein neues Lehrbuch genutzt werden darf. Der Autor ist begeistert, bessere Werbung und mehr Anerkennung für seine Forschung gibt es nicht. Aber leider hat er dem Journal eine exklusive Lizenz gegeben. Da die Macher des Lehrbuchs nicht bereit sind, für die Nutzung der Illustration eine (oft unverschämte) Gebühr zu bezahlen, lassen sie es bleiben. Der Autor jedenfalls kann nicht mehr darüber entscheiden, was mit „seiner“ Abbildung geschieht.

Das war schon immer ärgerlich, aber früher gab es eben keine Alternative. Und bevor es Textverarbeitungs- und Layout-Programme gab, als Journals noch ausschließlich auf Totholz gedruckt wurden, war das auch ein halbwegs fairer Deal. Der Verleger investiert in die Produktion und Verbreitung eines Werks, er kauft Druckmaschinen, stellt Grafiker an, baut ein Vertriebsnetz auf. Ein Riesen-Aufwand, um eine sehr enge Marktnische zu bedienen. Im Gegenzug verzichtet der Urheber auf quasi alle seine Rechte und auf jegliche Bezahlung. Aber die Herstellung und Verbreitung digitaler Dokumente ist heute ein Kinderspiel, ein Verlag ist dazu eigentlich nicht nötig – wieso also sollen Autoren auch noch die Rechte an ihren Werken abtreten, für mau?

CC-was?

Hier kommen die Creative Commons (CC)-Lizenzen ins Spiel. CC-Lizenzen sind untrennbar mit der OpenAccess-Bewegung verbunden. Denn die Autoren von Forschungsartikeln haben in der Regel nichts dagegen, nein, sie freuen sich sogar, wenn ihre Werke nicht nur von allen gelesen, sondern auch beliebig vervielfältigt und weitergenutzt werden. Aber Wissenschaftler bestehen darauf, dass man sie ordentlich zitiert. Jeder darf Werke unter CC-Lizenz kostenfrei nutzen und weiterverbreiten, mit der einen Bedingung, dass Originalquelle und Urheber genannt werden. Das ist der Unterschied zu „Public Domain“-Werken, die jeder beliebig verwursten darf, auch ohne Quellenangabe. Eigentlich einfach. In den Details wird es aber verwirrend, denn es gibt mehrere Varianten der CC-Lizenz, die mal mehr, mal weniger „offen“ sind.

OpenAccess-Verlage wie PLOS, PeerJ oder BioMedCentral verwenden die sogenannte Creative Commons Attribution-Lizenz (kurz CC-BY). Diese erlaubt auch eine kommerzielle Nutzung. Und da wird es dann ein wenig zweischneidig.

Nehmen wir an, ein kreativ begabter Doktorand hat in nächtelanger Arbeit eine tolle Erklär-Grafik für sein Paper über das Sexualverhalten der Pinguine Patagoniens gebastelt, die Teil seines unter CC-BY publizierten Papers wurde. Der Redakteur einer Tageszeitung mit Millionenauflage schnappt sich die tolle Grafik für seine Titelstory, steigert damit die Verkaufszahlen und spart noch Geld – denn das Bild kostet ihn nur eine klein gedruckte Quellenangabe. Der Doktorand grummelt ein wenig, denn die Story hat gar nicht direkt mit seiner Arbeit zu tun. Hätte der Redakteur nicht wenigstens fragen können, ob er seinen Artikel mit der Grafik illustrieren darf? Können schon, müssen nicht.

Wissen, worauf man sich einlässt

Und noch eine schräge Geschäftsidee: Ein Buchverlag könnte ein Dutzend Open-Access-Artikel zu einem definierten Themenkreis herunterladen, zusammenheften, ein buntes Cover, ein Inhaltsverzeichnis und vielleicht eine Einleitung basteln, und das zusammengepfuschte Machwerk als „Fachbuch renommierter Experten“ für 89,50 Euro verkloppen. Ohne dass die Autoren oder der OpenAccess-Verlag einen Cent davon sehen, oder auch nur gefragt werden. Einzige Bedingung: In jedem Kapitel muss der jeweilige Autor mit Originalquelle genannt werden. Natürlich wären die leichtfertigen Käufer sauber angeschmiert, schließlich gibt’s genau die gleichen Informationen umsonst an jedem Rechner mit Internetzugang. Und das Renommee eines solchen Blindflug-Verlegers wäre schlagartig im unterirdischen Bereich. Aber illegal ist das Geschäftsmodell nicht.

In der Praxis ist das für die allermeisten Artikel nicht relevant – wer will schon Geld mit all den hochspezialisierten OpenAccess-Papers machen, und wie? Ich will niemanden davon abbringen, unter CC-BY zu publizieren, ganz im Gegenteil. Die Vorteile überwiegen bei weitem mögliche (doch eher hypothetische) negative Folgen. Aber wissen sollte man schon, worauf man sich einlässt. Denn im Ausnahmefall ist es vielleicht auch mal besser, den traditionellen Weg zu gehen, wenn man über Teile des Werks (z.B. Fotos mit "kreativen Mehrwert") die Kontrolle behalten will.

Unter anderem wegen dieser möglichen Komplikation bevorzugen manche die sogenannte „CC-BY-NC“-Lizenz, wobei NC für non commercial steht – Weiterverwendung ist erlaubt, solange der Nutzer mit dem Werk kein Geld verdient. Aus guten Gründen halten erfahrene OpenAccess-Unterstützer davon wenig. Es ist nämlich gar nicht so leicht zu definieren, was denn nun als nicht-kommerzielle Nutzung durchgeht. Rechtsprechung und Terminologie dazu sind von Land zu Land verschieden, was weiter zur Verwirrung beiträgt. Wie steht es zum Beispiel mit dem Hobby-Blogger, der zur Finanzierung seiner Seite Werbung schaltet – darf er Werke unter CC-BY-NC nutzen oder nicht?

Insbesondere aber verhindert die CC-BY-NC-Lizenz auch solche Verwendungen, die im Sinne des Autors wären – wie etwa das freie Abdrucken von Original-Abbildungen aus dem Paper in einem populärwissenschaftlichen Magazin-Artikel.

Wenn das jetzt alles doch zu trocken war, gibt’s hier die Quintessenz: Bei der Wahl der Publikations-Lizenz geht es nicht nur um „Die Bibliotheken müssen Abonnements kaufen, sonst kann man es nicht lesen“ (traditionelle Journals) oder „Jeder kann meine Arbeit frei lesen, aber ich muss eine Gebühr dafür bezahlen“ (Open Access). Es geht auch darum, was andere mit meinem Werk (nicht) anstellen dürfen, und ob ich das im Einzelfall will.

 


Hans Zauner

Illustration: (c)  Melpomene / Fotolia

 



Letzte Änderungen: 20.01.2015