Editorial

Paper von Olivier Voinnet unter Beschuss

(20.1.2015) Anonyme Kommentatoren nahmen die Artikel des Zürcher Pflanzenforschers Olivier Voinett ins Visier. Was ist dran an den Vorwürfen der Bildmanipulation?
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Wieder einmal ist die Post Publication Review-Plattform PubPeer das Forum für kontroverse Diskussionen über „verdächtig aussehende“ Daten in der wissenschaftlichen Literatur. Denn anonyme Pflanzenforscher auf der Suche nach potenziellen Bildmanipulationen lieferten reichlich neuen Zündstoff. Auch bei Arbeiten aus dem Labor eines der weltweit bekanntesten Pflanzenforscher, Sir David Baulcombe (University of Cambridge, England), wurden sie fündig.

Baulcombes Beitrag für die Wissenschaft ist kaum zu überschätzen. In seinem Labor wurde die RNA-Interferenz (RNAi) in Pflanzen entdeckt, was zusammen mit anderen Arbeiten nachfolgend die gesamte biomedizinische Forschung und deren Technologie revolutionierte (Stichwort siRNA). Erstaunlicherweise taucht ein Name auf allen bisher kritisierten Publikationen aus Sir Davids Labor auf: Olivier Voinnet wird regelmäßig als Erst- oder Ko-Autor geführt (zur Zeit bei sieben Artikeln, unter anderem in Cell, PNAS und EMBO Journal).

Editorial

Mit Preisen überhäuft

Während seiner Doktorarbeit im Baulcombe-Labor (damals in Norwich) publizierte Voinnet 13 Paper, zum Teil in Top-Journals wie Cell. So war es keine Überraschung, als er schon als 33-Jähriger Forschungsgruppenleiter am CNRS-Institut für Molekularbiologie der Pflanzen in Straßburg wurde. Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich berief ihn dann Ende 2010 zum Professor für RNA-Biologie. Kurz darauf erhielt er den höchstdotierten Preis der ETH, den Max-Rössler-Preis. Schon zuvor hatte Voinnet renommierte Förderpreise wie den ERC Starting Grant und den EMBO Young Investigator Preis gewonnen, dazu die EMBO Goldmedaille.

In die Diskussion geraten sind nun aber nicht nur Artikel, die Voinnet zusammen mit Baulcombe veröffentlicht hatte. Auch in den späteren Veröffentlichungen, die Voinnet als Straßburger Forschungsgruppenleiter und Letztautor zu verantworten hatte, fanden die PubPeer-Kommentatoren Hinweise auf mögliche Ungereimtheiten, wie auch die Seite RetractionWatch berichtet. Viele davon wiederum in Journals wie Science, Nature Cell Biology, PNAS oder dem EMBO Journal. Auch Voinnet-Publikationen aus seinem jetzigen Labor in Zürich wurden bereits beanstandet.

Verdächtig gerade Kanten

In allen betroffenen Publikationen geht es auf den ersten Blick um Kleinigkeiten. Zum Beispiel erwecken mehrere Abbildungen den Verdacht, dass Aufnahmen von Ladungskontrollen bei unterschiedlichen Membranen wiederverwendet wurden. Falls tatsächlich jemand diese Abbildungen manipuliert haben sollte, hätte man durchaus Grund, wegen der nicht verlässlich gezeigten Ladungskontrolle an der Aussage des jeweiligen Assays zu zweifeln – wenn nicht gar an der Kernaussage der gesamten Publikation.

Was besonders auffällt: Man muss schon sehr genau hinschauen, um repetitive Muster oder verdächtig gerade Übergangskanten im Hintergrund der gezeigten Blot-Membranen zu erkennen. Wie einer der anonymen Kommentatoren mitteilte, hätten er und seine Kollegen die Auffälligkeiten nur durch genaues Hinschauen entdeckt – ohne irgendwelche raffinierte Bildanalyse-Software, wie sie viele Journal-Redaktionen besitzen.

Die Journals wurden anonym über die Beobachtungen der PubPeer Community informiert, so auch das EMBO Journal und EMBO Reports, bei denen Baulcombe und Voinnet als Mitglieder des Advisory Editorial Board fungieren. Dem EMBO Journal zufolge sei eine Untersuchung der Vorwürfe bereits eingeleitet. Man kann nur hoffen, dass die Journal-Editoren ihre Möglichkeiten schnellstmöglich einsetzen, um die Zweifel der Pubpeer-Kommentatoren entweder auszuräumen oder zu bestätigen.

Während immer mehr Funde auf PubPeer auftauchten, meldeten sich auch die verantwortlichen Autoren über die Kommentarfunktion der Seite zu Wort. Sir David Baulcombe versprach, den Verdachtsmomenten zusammen mit den Journal-Redaktionen nachzugehen. Voinnet und manche seiner Erstautoren versicherten ebenfalls, der Sache auf den Grund zu gehen.

James Carrington, ein früherer US-amerikanischer Kollaborationspartner der beiden und Präsident des bekannten Donald Danforth Plant Science Center, will die Untersuchung aber nicht ausschließlich Voinnet und seinen Zöglingen überlassen. Entschlossen erklärt er auf PubPeer, die Ursache für die „verdächtig aussehenden“ Abbildungen herauszufinden und „die Literatur am geeignetsten und transparentesten zu korrigieren“.

Nicht so gravierend?

Wer aber war im Voinnet-Labor in Straßburg konkret für die Zusammenstellung der Abbildungen zuständig? Voinnet selbst oder seine wissenschaftlichen Mitarbeiter? Auch das ist im Moment unklar. Einige von ihnen haben sich jedenfalls schon zu Wort gemeldet. Angélique Deleris bekam vor kurzem die prestigeträchtige Human Frontier Science Program (HFSP)-Förderung, um ihr eigenes Labor in Paris aufzubauen. In ihrem Science-Paper von 2006 wurden Manipulations-verdächtige Abbildungen entdeckt, die sie auf PubPeer aber als nicht so gravierend einschätzt, dass die wissenschaftlichen Aussagen hinterfragt werden sollten (Wörtlich schrieb sie „The interpretation should not be questioned and the community should remain assured about the science“). Andere frühere Voinnet-Postdocs sind bereits Professoren, so wie Constance Ciaudo, die nun ebenfalls an der ETH Zürich lehrt. Drei ihrer Publikationen, als Erst- und Zweitautorin, sind momentan von Anschuldigungen betroffen.

Einen Namen trifft man besonders oft: Patrice Dunoyer, in Straßburg offenbar eine Art rechte Hand von Voinnet und Autor auf vielen kritisierten Publikationen aus dem dortigen Labor. Seit Voinnet dem Ruf aus Zürich folgte, übergab er die Laborleitung in Straßburg an Dunoyer, der nun als eigenständiger Forschungsgruppenleiter fungiert. Dunoyer versprach auf PubPeer ebenfalls eine Untersuchung, in einem Fall kommentierte er aber: „Mir wurde klar, dass ich eine Abbildung benutzte, die nicht für die Publikation vorgesehen war“. Ungeklärt bleibt, wofür die besagte Abbildung erstellt wurde, die nur bei sehr genauem Hinsehen als offenbar zusammengeschustert erkennbar ist, und was Dunoyer – oder wer auch immer – mit ihr sonst vorgehabt haben könnte.

Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Der Ball liegt nun bei den Autoren. Falls die Verdachtsmomente zutreffen sollten, wäre nicht nur der Rössler-Preisträger und Zürcher Professor Voinnet selbst betroffen. Seine Gruppenleiter-Zöglinge müssten sich gegebenenfalls auch ihrer Verantwortung stellen.

Voinnets Doktorvater Baulcombe versprach Aufklärung. Man ist gewillt, seiner Aufrichtigkeit zu trauen. Aber die einzigen, die eine halbwegs unabhängige Untersuchung voranbringen könnten, wären die betroffenen Journal-Redaktionen. Informiert sind sie, nun erwarten viele eine professionelle und unparteiische Aufklärung – möglichst bald.

 

 

Leonid Schneider


 Illustration: © purplequeue / Fotolia



Letzte Änderungen: 17.02.2015