Editorial

Mein Partnachklamm-Trauma

(3.8.15) Der Betriebsausflug, eine willkommene Abwechslung vom Laboralltag? Nicht unbedingt. Unsere (andere) TA erinnert sich an ein zweifelhaftes Erlebnis in einer nassen, kalten Schlucht.
editorial_bild

Passend zum Hochsommer eine erfrischende Geschichte über meinen allerersten Betriebsausflug, veranstaltet von einer bayerischen Universität.

Es war Ende Oktober und die Außentemperatur lag bei –5 °C.

Beim morgendlichen Blick auf das Thermometer beschlichen mich erste Zweifel, ob der für den Ausflug gewählten Jahreszeit. Ich packte mich warm ein: Wintermantel, Mütze, Handschuhe, extralanger Schal. Dass ich für das „Unternehmen Partnachklamm“ mit einer kompletten Polarausrüstung besser beraten gewesen wäre, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Am Treffpunkt wartete eine überraschend kleine Gruppe tapferer Weggefährten, bereit, sich ins Abenteuer zu stürzen. Dass es sich dabei ausschließlich um Neulinge handelte hätte mir schon eine Warnung sein sollen. Die alten Hasen gingen wohlweislich zur Arbeit ins beheizte Labor.

Editorial

Unser erstes Ziel war eine mittelgroße, mittelalte und mittelinteressante Steinkirche, gelegen auf einer Art Almwiese. Ein bayerischer Betriebsausflug eben. Was genau wir dort besuchten, ob Andacht oder Orgelkonzert, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls saßen wir eine gute Stunde regungslos auf den Bänken des ungeheizten Gotteshauses.

Sie erinnern sich? Es war Ende Oktober, bei –5 °C.

Die folgenden sechzig Minuten vermittelten uns einen Einblick in das Körperempfinden von Igeln, die im Spätherbst darauf warten, in den Winterschlaf zu entschweben, unter einem Laubhaufen liegend. Eine Stunde später quälten wir unsere starren Glieder die Wiese hinunter und zurück in den Bus, der uns zu unserem zweiten Ziel bringen sollte:

Der Partnachklamm.

Eine 700 Meter lange und 80 Meter tiefe Schlucht, die ein wildschäumender Fluss durchbraust, und die auf einem schmalen Steig durchwandert werden kann. Dem Wanderer tropft permanent eisiges Wasser in den Nacken, während die schäumende Gischt Kleider und Füße durchnässt. An heißen Sommertagen gewiss eine wunderbare Abkühlung. Aber heute?

Zur Erinnerung: Es war Ende Oktober, bei –5 °C.

Warum sind wir nicht im Sommer hier gewesen?

Vermutlich hat sich der Organisator von einem Werbeversprechen blenden lassen. Im Winter, verheißt eine Tafel am Eingang der Schlucht, sei ein einzigartiges Naturschauspiel aus meterlangen Eiszapfen und Eiswänden zu bewundern.

Dummerweise ist es Ende Oktober in Bayern zwar kalt, aber eben noch nicht Winter. Eher so eine Art Missing Link zwischen Spätherbst und Frühwinter, sozusagen Werbst oder Hinter.
Es war zu warm für das einzigartige Naturschauspiel, aber kalt genug um sich den Tod zu holen.

Erwähnte ich schon, dass es Ende Oktober war, bei –5 °C?

Zählt eine Gruppe weißblau gefrorener Laborarbeiter in Bayern als einzigartiges Naturschauspiel?  Benutzt die Universität derartige Ausflüge gar, um die Akklimatisierung ihrer neuen Angestellten an das bayerische Klima zu prüfen? Eine Art Survival-of-the-Fittest-Test?

In unserem Fall war die Selektion jedenfalls erfolgreich. Am nächsten Tag erschienen mehrere meiner Weggefährten nicht zur Arbeit, während sich die Hartgesottenen der mit einem wissenden Lächeln vorgebrachten Frage der alten Hasen stellen mussten:

„Na, wie war's?“


Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 22.09.2015