Aufgemotzte Genschere
(16.01.2019) Mit der zirkulären Permutation kann man die Peptidkette in Proteinen umorganisieren. Bei Cas9 führt dies zu interessanten Varianten.
Die Struktur der Genschere Cas9 eignet sich nicht besonders gut für Fusionen mit funktionellen Proteindomänen oder die Steuerung des Enzyms durch zelluläre Signale. Beides wäre jedoch wünschenswert, um die Aktivität von Cas9 besser kontrollieren zu können.
Ein Team um die CRISPR-Cas9-Pionierin Jennifer Doudna und David Savage von der University of California, Berkeley, machte deshalb Nägel mit Köpfen und veränderte die Struktur von Cas9 mit der zirkulären Permutations-Technik in die entsprechende Richtung. Die Forscher verbanden hierzu N- und C-Terminus der Cas9-Untereinheit mit verschiedenen Peptid-Linkern. Gleichzeitig zerschnippelten sie die Proteinsequenz an einer anderen Position, um neue benachbarte N- und C-terminale Enden zu erzeugen. Die Gruppe erhielt auf diese Weise verschiedene funktionelle Cas9-Varianten, mit neuen N- und C-Termini, die gut zugängliche Verknüpfungsstellen für Fusionsproteine bieten.
Schaltbare Cas9-Varianten
Die Forscher stellten fest, dass sich die Länge des Peptid-Linkers entscheidend auf die Aktivität der modifizierten Cas9-Varianten auswirkte. Er musste mindestens zehn Aminosäuren lang sein, damit die Nuklease-Aktivität nicht verloren ging – eine größere Länge blieb jedoch ohne Auswirkung auf die Aktivität. Das brachte die Forscher auf die Idee, „schaltbare“ Cas9-Varianten herzustellen, die sich vom inaktiven in den aktiven Zustand umschalten lassen.
Die Gruppe setzte hierzu einen kurzen Peptid-Linker mit einer Protease-Sequenz ein, der das Enzym inaktiviert. Wird der Linker proteolytisch gespalten, wandelt er sich in einen offenen aktivierenden Peptid-Linker um. Bei der hieraus erhaltenen Variante ProCas9, wirkt der Peptid-Linker wie eine molekulare Sperre, welche die Aktivität von Cas9 blockiert. Die handlungsunfähige Cas9-Nuklease kann nur durch eine Protease entsperrt werden, welche die Peptidsequenz des Linkers erkennt und schneidet. Die Forscher testeten dies mit der sieben Aminosäuren langen TEV-Protease-Sequenz (ENLYFQ/S) aus dem Tobacco Etch Virus (TEV). Dieser kurze Linker reichte aus, um die Cas9-Aktivität auszuschalten. Nach Zugabe der TEV-Protease wurde sie wieder hergestellt.
Viren-Sensor
Das Team um Doudna und Savage verknüpfte ProCas9 mit einem GFP-Reportersystem, um das System als Sensor für virale Infektionen in eukaryotischen Zellen einsetzen zu können. Der ProCas9-Sensor funktionierte nicht nur bei landwirtschaftlich interessanten Viren, wie dem zu den Potyviren zählenden Kartoffelvirus, sondern auch bei medizinisch relevanten Flaviviren, zu denen Zika-, West-Nil-, Dengue- sowie Gelbfiebervirus zählen.
Das ProCas9-System lässt sich wie eine synthetische Immunabwehr programmieren, die virale Infektionen in eukaryotischen Zellen erkennt und darauf reagiert. Hierzu wird CRISPR-ProCas9 mit guide-RNAs beladen, die auf essentielle Gene der infizierten Zelle abzielen, zum Beispiel Gene für die Replikation. Werden in diesen Genen Doppelstrangbrüche durch das aktivierte Cas9 erzeugt, führt dies unmittelbar zum Zelltod.
Durch die unendliche Vielfalt an möglichen Peptid-Linkern kann das System auf beliebige endogene oder exogene sequenzspezifische Proteasen reagieren. So könnte man es zum Beispiel als Sensor und Reporter in Signalwegen einsetzen oder für die zellspezifische Cas9-Aktivierung in Geweben oder Organen. Da ProCas9 nicht permanent aktiv ist, sinkt gleichzeitig das Risiko für Off-Target-Effekte deutlich.
Miriam Colindres
Oakes B. et al. (2019): CRISPR-Cas9 circular permutants as programmable scaffolds for genome modification. Cell, 176(1-2):254-267.e16