Verbesserte Partnersuche für RNAs

(30.01.2019) Bei der Suche nach RNA-bindenden Proteinen fallen viele hinten runter, die an kleine RNAs binden. Eine neue Extrak­tionstechnik verhindert das.
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Editorial

Viele RNAs frönen in der Zelle kein Single-Dasein, sondern sind mit Proteinen verbandelt. Je nach Typ, Sequenz, Länge, Struktur und dem Partnerangebot, das wiederum vom Zelltyp und dem Alter der Zelle abhängt, gehen RNAs in ihrem Leben verschiedenste Bindungen mit Proteinen ein. RNA-bindende Proteine (RBPs) spielen häufig eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle ihrer RNA-Bindepartner, etwa bei der posttranskriptionalen Regulation. Sie aufzuspüren, ist deshalb nicht ganz uninteressant – aber auch ein ziemlich kniffliges Unterfangen.

Zunächst heißt es, die Partnerschaft während der Isolierung zu festigen, was meist durch Quervernetzung mittels UV-Bestrahlung geschieht. Die quervernetzten Ribonukleoproteine (clRNPs) müssen anschließend von den restlichen RNAs und Proteinen getrennt werden, bevor die RBPs per Massenspektrometrie identifiziert werden können. Bisher funktionierte das jedoch nur mit RBPs, die an eukaryo­tische mRNAs mit einem polyA-Schwanz binden, der mit oligo(dT)-Kügelchen immobilisiert werden kann. mRNAs von Archaeen und Bakterien sowie alle anderen RNAs ohne polyA-Schwanz, wie zum Beispiel rRNAs, tRNAs, snRNAs, Histon-mRNAs oder lncRNAs gingen bisher bei der Suche nach Bindepartnern oder in RNA-Interaktom-Studien durchs Netz.

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Ähnlich der Trizol-Methode

Ein Team um Benedikt Beckmann von der Humboldt Universität Berlin hat ein Extrak­tionsverfahren entwickelt, das Ribonukleoprotein-Komplexe allein aufgrund ihrer physiko­chemischen Eigenschaften isoliert. Die Technik ähnelt der RNA-Extraktion mit der Trizol-Methode, bei der die Zellkomponenten zunächst mit chaotropen Substanzen und ionischen Detergenzien denaturiert werden. Bei der anschließenden Extraktion mit Phenol reichert sich die RNA in der sauren, wässrigen Phase an, während Proteine und sonstige Zell­bestandteile in der organischen Phase landen.

Phenol besteht aus einem Benzol-Ring mit einer Hydroxyl-Gruppe, welche die Wasser­löslichkeit erhöht. Toluol trägt anstelle der Hydroxyl-Gruppe eine Methyl-Gruppe und ist dadurch nicht ganz so hydrophil. Beckmanns Team vermutete daher, dass sich querver­netzte clRNPs mit einem Phenol-Toluol-Gemisch von freien RNAs und Proteinen trennen lassen müssten: RNAs sind am hydrophilsten, gefolgt von RNPs und Proteinen.

RNAs schwimmen oben
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Im ersten Trennschritt der Phenol-Toluol-Extraktion (PTex), der bei neutralem pH-Wert durchgeführt wird, landen RNAs, Proteine und clRNPs in der wässrigen Oberphase, DNA und Lipide in der Interphase, und alles, was noch hydrophober ist, in der unteren orga­nischen Phase.

Die wässrige Phase wird danach zweimal mit einer sauren Mischung aus Phenol, Guani­dinium-Isothiocyanat, Citrat sowie dem Detergenz Laurosylsarcosin extrahiert. Freie RNAs wandern bei diesem Schritt in die wässrige Oberphase, clRNPs in die Zwischen­phase und freie Proteine vornehmlich in die organische Unterphase. Anschließend fällt man die in der Zwischenphase enthaltenen clRNP-Komplexe mit einer Phenol-Ethanol-Lösung.

Ausgehend von HEK293-Zellen als Startmaterial hat die Gruppe den Verlauf der Phasen­trennung – was sammelt sich wo an – in allen drei Extraktionsstufen akribisch anhand von Western Blots mit dem RNA-Bindeprotein HuR verfolgt. Wie erwartet, reicherte sich der quervernetzte Komplex in der Zwischenphase an, ungebundenes Protein dagegen in der organischen Phase. In der wässrigen Phase sammelte sich die freie RNA. Auch DNA blieb während der Extraktion wunschgemäß auf der Strecke und war in der Zwischenphase nicht mehr vorhanden.

Wie lang muss eine RNA sein, um sie mit PTex als Ribonukleoprotein-Komplex isolieren zu können? Eine sieben oder mehr Nukleotide lange Uracil-Sequenz ist das Bindemotiv für das RNA-Bindeproteine RBD4 aus Drosophila. Daraus bastelten die Forscher Varianten unterschiedlicher Länge, mischten diese in vitro mit einem rekombinanten RBD4-Protein und extrahierten die gebildeten RNPs mit dem PTex-Verfahren. Dabei zeigte sich, dass PTex RBD4-RNA-Komplexe extrahierte, die nur 30 Nukleotide lange RNAs enthielten.

Besonders interessant für Mikrobiologen

Aus Zellkulturen des Typhus-Erregers Salmonella typhimurium, die ein getaggtes RNA-bindendes-Protein exprimierten, extrahierte die Gruppe jede Menge quervernetzte RNPs. Die massenspektrometrische Analyse brachte insgesamt 172 potenzielle RBPs zutage, von denen 113 bisher nie mit RNA in Verbindung gebracht wurden. PTex ist also insbe­sondere auch für Mikrobiologen interessant, denen bisher viele RBPs aufgrund der fehlenden poly-A-Schwänze in bakterieller mRNA durch die Lappen gingen.

Die riesige Zahl potenzieller RBPs, die Beckmanns Gruppe mit PTex zutage förderte, ist ziemlich verblüffend. Nach den Ergebnissen des Teams umfasst das RNA-Interaktom in HEK293-Zellen über 3.000 Proteine, was etwa einem Drittel des gesamten Proteoms entspricht. Das könnte noch spannend werden.

Andrea Pitzschke

Urdaneta E. et al. (2019): Purification of cross-linked RNA-protein complexes by phenol-toluol extraction. bioRxiv, DOI: 10.1101/333385