Widerstand gegen Resistenzen

(28.03.2019) Die großen haben längst aufgegeben, nun stellen sich kleinere Pharmafirmen den fast übermächtigen „Superbugs“. Unterstützung kommt von der Initiative CARB-X.
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Editorial

Noch vor einigen Jahren waren Antibiotika die wichtigste Waffe im Kampf gegen lebensbedrohliche bakterielle Infektionen. Zuverlässig – wirksam – schnell. Leider kann man das heute nicht mehr behaupten. Auf die Wirksamkeit des einst so zuverlässigen Allheilmittels ist kein Verlass mehr.

Schuld daran sind Antibiotika-Resistenzen, die Bakterien natürlicherweise entwickeln, wenn sie häufig mit Antibiotika in Kontakt kommen. Ein ganz normaler Vorgang, mit dem die Mikroorganismen auf den Selektionsdruck reagieren und ihr Überleben sichern. Eine einmal ausgebildete Resistenz kann ganz einfach von Bakterium auf Bakterium übertragen werden und sich rasant ausbreiten. Der übermäßige Gebrauch von Antibiotika bei Menschen und auch Tieren hat dazu geführt, dass Infektionen mit resistenten Keimen in den letzten Jahren massiv zugenommen haben – nicht selten mit tödlichem Ausgang. Laut WHO sterben jährlich etwa 700.000 Menschen an Infektionen mit Antibiotika-resistenten Bakterien.

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Schlachtfeld geräumt

Die Entwicklung neuer Medikamente und Strategien gegen diese „Superbugs“ ist daher dringend notwendig. Da die Erforschung neuer wirksamer Antibiotika aber sehr zeitauf­wendig und teuer ist, trauen sich nur wenige überhaupt aufs Schlachtfeld, um den resis­tenten Bakterien den Garaus zumachen. Andere haben sich mittlerweile resigniert zurückgezogen. „Große Firmen sind aus dieser Forschung und Entwicklung weitgehend ausgestiegen“, hat Thomas Hesterkamp, Produktentwickler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), beobachtet. „Wenn wir nicht in zehn Jahren ohne wirksame Antibiotika dastehen wollen, müssen wir jetzt neue, schlagkräftige Konsortien bilden,“ sagt er in einer Pressemitteilung des DZIF.

Die nötige finanzielle Unterstützung dafür könnte unter anderem von der Förderorga­ni­sation CARB-X (Combating Antibiotic Resistant Biopharmaceutical Accelerator) kommen. CARB-X hat sich zur Aufgabe gemacht, die „antibakterielle Forschung voranzutreiben, um der wachsenden Bedrohung Antibiotika-resistenter Bakterien Herr zu werden.“ Dazu will man Firmen mit Partnern aus der Wissenschaft zusammenbringen und deren gemeinsame Projekte fördern.

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Millionen für die beste Wissenschaft

Rund 500 Millionen US-Dollar stehen CARB-X zur Verfügung, unter anderem gesponsert vom Wellcome Trust (Großbritannien), der Bill & Melinda Gates Foundation und den National Institutes of Health (USA). Das Geld soll für „die beste Wissenschaft der Welt“ ausgegeben werden. In diesem Fall heißt das für neue Antibiotika, Impfstoffe, Diagnostika und andere Produkte, die lebensbedrohliche bakterielle Infektionen verhindern und bekämpfen.

Seit Kurzem ist auch das DZIF Teil der CARB-X-Familie. „Die Mitgliedschaft im sogenann­ten Accelerator-Netzwerk von CARB-X bietet dem DZIF eine große Chance, wichtige Projekte in der Antibiotika­forschung zu unterstützen“, sagt Hesterkamp. Zusammen mit neun weiteren Organisationen begleitet und berät das DZIF Produktentwickler CARB-X geförderter Projekte in wissenschaftlichen, technischen und unternehmerischen Fragen.

Einige der 34 geförderten Projekte haben es mit der Hilfe von CARB-X und dem breit aufgestellten Unterstützer-Netzwerk bereits in die klinische Phase 1 geschafft, andere stehen noch am Anfang. Wie zum Beispiel Idorsia aus Allschwil, Schweiz.

Das Biotech-Unternehmen setzt im Kampf gegen resistente Pathogene auf bakterielle Topo­iso­­merase-Inhibitoren (NBTI). Topoiso­merasen sind Enzyme, die DNA-Stränge vorübergehend spalten können und so die räumliche Struktur der DNA ändern. Dies ist Voraussetzung für das Ablesen der DNA im Laufe der Replikation. Der neue Wirkstoff TOPESKAPE inhibiert die beiden bakteriellen Typ-II-Topoisomerasen DNA-Gyrase und Topo IV, die beide für die Replikation bei Bakterien essenziell sind. Im Maus-Modell zeigte TOPESKAPE bereits eine breite Wirkung gegenüber multiresistenten Enterobakterien, Pseudomonaden und Staphylokokken. CARB-X unterstützt das Entwicklungsprogramm mit zunächst rund 1,8 Millionen Euro.

Mit OMPTA gegen Pathogene

Ein weiteres Pharma-Unternehmen, ebenfalls mit Sitz in Allschwil, ist Polyphor. Auch Polyphor ist mit seinen Entwicklungen in der präklinischen Phase angekommen. Die Spezialität der Schweizer sind Antibiotika namens OMPTA (Outer Membrane Protein Targeting Antibiotics). CARB-X unterstützt das Pharma-Unternehmen mit rund 2,6 Millionen Euro dabei, einen der neuen OMPTA-Kandidaten – POL7306 – in Phase 1 der klinischen Studien zu überführen. POL7306 ist ein Breitband-Antibiotikum gegen Gram-negative Bakterien, das vor allem gegenüber den multiresistenten ESKAPE-Pathogenen Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und Entero­bacter-Spezies eine starke Wirkung zeigt. Auch bei Stämmen mit Resistenz gegenüber dem Reserve-Antibiotikum Colistin macht POL7306 nicht Halt.

CARB-X will die Zahl der geförderten Projekte dieses Jahr noch auf 50 erhöhen. Finan­zielle und beratende Unterstützung hat die Organisation bereits zugesagt. Jetzt ist es an den Firmen und Wissenschaftlern, ihre Ideen in die Tat umzusetzen.

Eva Glink