Der Klüngel lebt

(20.05.2019) … an deutschen Forschungszentren. Zwei Beispiele aus Jena und Berlin zeigen, dass bei der Stellenbesetzung nicht immer alles mit rechten Dingen zuzugehen scheint.
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Editorial

Eigentlich läuft die Besetzung eines öffentlich finanzierten, akademischen Jobs nach einem streng geregelten Prozedere ab – an dessen Ende der geeignetste Kandidat die Stelle bekommt. Hinter den Kulissen wabert jedoch ein Sumpf aus alten Seil­schaften, Klüngelei, Intrigen und Nepotis­mus. Diesen Eindruck bekommt man zumindest, wenn man sich zwei aktuelle Beispiele anschaut.

Zuerst nach Berlin, wo letzten Mittwoch Martin Lohse von seinem Posten als Wissenschaftlicher Vorstand des Max-Delbrück-Centrums (MDC) für Molekulare Medizin zurücktrat. Offiziell erfolgte der Rücktritt, weil Lohse „künftig wieder vermehrt Arzneimittelwirkungen und Herz-Erkrankungen erforschen“ will. Tatsächlich, so will es der Tagesspiegel erfahren haben, soll der Mediziner „über eine Berufungsaffäre gestolpert“ sein. Was war passiert?

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Elf Bewerber, ein Kandidat

Vor rund zwei Jahren suchte man für das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) einen neuen Professor für Genomforschung. Die Ausschreibung ging raus, elf Wissen­schaftler, auch einige von außerhalb Deutschlands, bewarben sich. Für den Auswahl­prozess setzte man auf ein beschleunigtes, das Fast-Track-Verfahren, bei dem der Berufungskommission letztendlich nur ein einziger Kandidat vorgeschlagen wird.

Auch dabei soll es schon zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, wie der Tagesspiegel berichtet. Denn etwas zu schnell schien man sich auf einen Bewerber festgelegt zu haben. Hatte man mit ihm vorab bereits alles abgesprochen? Erwin Böttinger, damaliger Vor­standsvorsitzender des BIG, verneint. Gesprochen habe man zwar mit dem Bewerber – wie sich später herausstellte, handelte es sich um Roland Eils – „das war aber keine Vorauswahl. Es ging um die Sicherung einer Option, also um die Frage, ob (Eils) uns zur Verfügung steht“, sagte er auf Tagesspiegel-Anfrage.

Hier nun kommt Lohse ins Spiel, der als MDC-Direktor auch im BIG-Vorstand saß und ein Wörtchen bei der Neueinstellung mitzureden hatte. Offenbar hielten er und weitere „einflussreiche Personen am MDC“ Eils für keine gute Wahl. Der Tagesspiegel schreibt: „Speku­liert wird in der Berliner scientific community, Lohse habe den vom BIG-Vorstand favorisierten Kandidaten, einen ausgewiesenen Genomforscher, womöglich als Konkurrenz für das am BIG beteiligte MDC gesehen.“

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Geheime E-Mails

Da sich Lohse gegen die anderen Vorstandsmitglieder nicht durchsetzen konnte, griff er offenbar zu anderen Mitteln. Von den BIG- und MDC-Aufsichtsräten beauftragte Gutachter fanden Hinweise darauf, dass Lohse vertrauliche Informationen an einen Mitbewerber von Eils weitergegeben und diesen darüber hinaus ermutigt hat, eine Konkurrentenklage ein­zureichen. „Die Beschreibung der Vorgänge in dem Gutachten soll als so gravierend ein­gestuft worden sein, dass Lohse der Rückzug nahegelegt wurde“, heißt es im Tages­spiegel.

Genutzt hat ihm das alles letztlich nicht, Lohse trat als Wissenschaftlicher Vorstand zurück – und Eils seine Professur auf Lebenszeit im April 2018 an.

Währenddessen ist man in Thüringen ebenfalls auf der Suche nach einem neuen Wissenschaftlichen Vorstand für das Universitätsklinikum Jena – und das schon bald ein Jahr lang. Seit Januar 2019 ist die Stelle vakant und wird wohl auch so schnell nicht besetzt werden. Denn, wie die Thüringer Allgemeine (TA) berichtete, erklärte Wissenschaftsstaatssekretär Markus Hoppe (SPD) Mitte April die Verhandlungen mit dem ausgewählten Kandidaten für gescheitert. Vorausgegangen waren monatelange Zwistigkeiten um die Stelle.

Zu Beginn lief alles nach Plan. Im Frühjahr letzten Jahres hatte die Findungskommission die Bewerber für den Posten gesichtet und sich für den externen Kandidaten – Christopher Baum, ehemaliger Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) – ausgesprochen.

Entscheidung abgelehnt

Der Fakultätsrat des Uniklinikums Jena stimmte jedoch in geheimer Wahl mit deutlicher Mehrheit für den internen Kandidaten: Andreas Hochhaus, seines Zeichens Direktor der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie am Uniklinikum Jena sowie Prodekan für Forschung. Diese Entscheidung akzeptierte jedoch der Verwaltungsrat nicht, denn in seinen Augen war sie nicht nachvollziehbar. Er teilte deshalb dem Fakultätsrat schriftlich mit, er würde keine Vertragsgespräche mit Hochhaus aufnehmen.

Vorsitzender des Verwaltungsrats ist oben erwähnter Markus Hoppe, der wie die TA schreibt, „wie Baum aus Niedersachsen kommt“. Dass die gemeinsame Herkunft der Grund für die Favorisierung Baums ist, lässt Hoppe jedoch vom Ministeriumssprecher entschieden zurückweisen. Man habe sich erst „im Rahmen der Kandidaten-Vorstellung im Frühjahr 2018 persönlich kennengelernt“.

Letztlich musste sich der Verwaltungsrat aber doch mit Hochhaus abgeben, Baum hatte seine Bewerbung nach den Querelen zurück­gezogen. Allerdings scheiterte die Einstellung am Ende doch, Hochhaus hatte zu hohe Gehaltsvorstellungen. „Ich bedaure, dass es trotz des sehr attraktiven Angebots letztlich nicht möglich war, Herrn Professor Hochhaus für diese verantwor­tungsvolle Position zu gewinnen“, sagte Hoppe Mitte April. Der Staatssekretär will nun eine neue Ausschreibungsrunde starten. Ob diesmal alles nachvollziehbar abläuft?

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 20.05.2019