Molekulare Porträts

(17.06.2019) Künstler und Kinder-Onkologe Anton Henssen von der Charité malt mit Öl­farben und zirkulärer DNA. Seine Bilder sind aktuell in Berlin ausgestellt.
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Ausschnitt aus: „Untitled, 2018; Human DNA, Oil and lacquer on linen“

Editorial

Laborjournal: Welchen Einfluss hat Ihre Forschungstätigkeit auf die Themen Ihrer Bilder?

Anton Henssen: Mit meiner Arbeitsgruppe am Experimental and Clinical Research Center der Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin untersuche ich die Entstehung und personalisierte Behandlung solider Tumore bei Kindern. Zirkuläre DNA entsteht in Tumoren häufiger als in gesundem Gewebe, weshalb ich sie in meinen Bildern verwende. Die medizinische Forschung inspiriert dabei die Kunst, indem Darstellungsformen unserer wissenschaftlichen Ergebnisse die Formen auf den Bildern beeinflussen. Zum Beispiel erinnern mich die Wellenformen auf einem meiner Bilder an Circos Plots, mit denen Genom-Daten visualisiert werden.

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Wie gehen Sie beim Malprozess vor?

Henssen: Ich reinige die zirkuläre DNA aus Blut auf, aus pragmatischen Gründen aus meinem eigenen. Als Forscher verfüge ich über das nötige Knowhow und habe Zugang zu den nötigen Reagenzien. Patienten-DNA ist ja geschützt und exklusiv für die Forschung reserviert. In meiner Malerei verwende ich fluoreszierende Farben, wie sie auch als Fluorophore bei der DNA-Sequenzierung eingesetzt werden. Die Ölfarbe wird mit DNA gemischt und auf die Leinwand in Schichten aufgetragen. Die Sprühfarbe trage ich meist unter, aber auch über der Ölfarbe auf. Für zukünftige Projekte überlege ich, auch nicht-menschliche-DNA einzusetzen, zum Beispiel von Pflanzen.

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DNA-Künstler Anton Henssen. Credit: Charité

Woher stammt Ihr Interesse an der Malerei?

Henssen: Diese Passion habe schon lange. Bereits während meines Medizinstudiums in Düsseldorf habe ich an der Kunstakademie als Gasthörer Vorlesungen zu Kunst und Kunst­geschichte besucht. In der Vergangenheit habe ich mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. So habe ich zum Beispiel den Konzept­künstler Pierre Huyghe wissenschaftlich bei seiner Living Cancer Variator-Ausstellung in Paris beraten. Die jetzige Ausstellung in der Alten Münze mit zwölf abstrakten Gemälden ist meine erste eigene Ausstellung.

Wie sind Sie auf das Konzept gekommen, biologisches Material in Ihren Bildern zu verwenden?

Henssen: Diese Idee ist sehr alt. Das reicht von prähistorischen und antiken Wandmalereien mit Farben aus menschlichem, tierischem oder pflanzlichem Material bis in unsere Zeit. Andy Warhol, zum Beispiel, besprenkelte in seinen Piss-Paintings Bilder mit Urin. Das neue an meinem Konzept ist, dass ich nicht das rohe biologische Material verwende, sondern aufge­reinigte DNA mit Farbe vermische. Wenn das Bild einmal getrocknet ist, wird die DNA dadurch sehr gut konserviert.

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Welche ideelle Transformation erfährt sie in Ihren Augen?

Henssen: In meiner Kunst geht es um die Frage der Identität. Meine Bilder sind eine Art molekulare Porträts, in denen das genetische Material gleichzeitig ein Bestandteil der Identität des Bildes wird und sozusagen eine Art Wiedergeburt erfährt.

Wie reagieren die Besucher auf das Konzept Ihrer Ausstellung?

Henssen: Bisher hat die Ausstellung positive Resonanz gefunden. Die Besucher sind überrascht, dass man DNA in ein Bild integrieren kann und sind neugierig, was dahinter­steckt.

Planen Sie weitere Ausstellungen Ihrer Kunst?

Henssen: Ich habe einige Anfragen, auch aus den USA, wo ich mehrere Jahre als Postdoctoral Research Fellow am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York tätig war. Ich kann mir vorstellen, in Zukunft international weitere Ausstellungen zu organisieren, soweit es meine Forschungstätigkeit erlaubt. In Berlin habe ich sogar ein eigenes Atelier, das vom Labor aus gut erreichbar ist.

Die Fragen stellte Bettina Dupont

Die Ausstellung „Circular DNA“ ist noch bis zum 23. Juni in der Alten Münze in Berlin zu sehen.