Milch macht Streptavidin müde

(24.07.2019) Fast kein Western Blot kommt ohne Milch oder BSA aus. Setzt man die beiden in der richtigen Reihenfolge ein, beeindruckt das Ergebnis nicht nur Journal-Editoren.
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Editorial

Für die Isolierung oder spezifische Erken­nung eines Moleküls aus Zellextrakten macht man sich gern die außerordentlich starke Biotin-Streptavidin-Interaktion zunutze. Mit seinen vier Biotin-Bindestellen geht jedes Streptavidin-Molekül auf Nummer Sicher, seinen Partner zu erwischen.

Biotinylierungs-Reagenzien bringen die handliche Dekoration z.B. an ein Zielprotein an, welches dann mit Streptavidin-Konju­gaten (z.B. horse radish peroxidase; SA-HRP) detektierbar wird. Alternativ hat man einen gegen Protein X gerichteten Primär-Antikörper, an den eine Biotingruppe gekoppelt ist. Diese ist dann mit SA-HRP per Chemilumineszenz aufspürbar.

Aber Vorsicht! Auf dem Weg zum isolierten Protein oder picobello Western Blot lauern Gefahren. Zum einen kommt Biotin, alias Vitamin H – als gängiger Co-Faktor – in manchem Protein von Haus aus vor. Ob pflanzliches oder tierisches Extrakt, man sollte die Größe solcher endogenen Irreführer kennen. Und hoffen, dass sie im Gel nicht auf der Höhe des Zielproteins laufen und damit dessen Detektion maskieren. Das zweite Problem ist genereller Natur, und entsprechend universell seine Lösung.

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Ungesund für den Experimentator

Ein Jenaer Forscherduo hat Milchpulver für Biotin-SA-basierte Detektion kritisch unter die Lupe genommen. Eigentlich gilt Milch ja als der Klassiker für Blockierungsschritt und als Verdünnungsmedium für Antikörper. Dass Milch Biotin enthält mag prinzipiell gesund sein, nicht so für den Experimentator, denn die Biotingruppen wetteifern um SA-Bindestellen. Die Milch fängt dem eigentlich zu detektierenden Protein einfach die SA-HRP-Partner weg. Wer meint: „So what? Nehm‘ ich eben einfach mehr SA-HRP“, zahlt drauf. Die Kosten steigen, und parallel damit der Hintergrund, bis hin zu pechschwarzen Blots. Die Milch­konzentration der SA-HRP-Lösung von gängigen 5% auf 1% zu senken, oder Milch gänzlich durch BSA zu ersetzen, behebt das Hintergrund-Problem nicht.

Ein sauberer Kompromiss zur Detektion biotinylierter Proteine im Western Blot sieht so aus: 1. Blockierschritt in TBST/5% Milchpulver, 2. Waschen in TBST, um überschüssige Milch loszuwerden, 3. Inkubation mit SA-HRP, verdünnt in TBST/5% BSA. 4. Waschen, Zugabe von HRP-Substrat und Detektion von Chemilumi­neszenz-Signalen.

In Extrakten aus HEK-293-Zellen konnten die Forscher auf diese Weise biotinylierte Proteine erkennen. Hilfreich war Überexpression von Biotin-Ligase, und Zugabe von Biotin als Substrat. Zwar wäre BSA, ähnlich wie Milch, auch eine potenzielle Einschleppquelle unerwünschten Biotins, doch offenbar sind selbst in nicht zusätzlich als „biotin-free“ deklarierten Produkten die Konzentrationen vernachlässigbar gering.

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Weitere Optimierung

Neugierig geworden vom letzten Satz das Papers „a simple solution to the common SA-HRP Western blot problem,… as starting point for further optimization“, hat Laborjournal beim Autor nachgehakt. Yan Cui verrät zusätzliche Tricks: Für die SA-HRP-Verdünnung kann man mit der BSA-Konzentration bis auf 0,1% heruntergehen, denn BSA wirkt vor allem als Carrier- und weniger als Blockier-Agenz. Wichtig ist, stattdessen bei der voran­gehenden Blockierung in TBST/5% Milch die Inkubation von ein auf zwei Stunden zu erhöhen. Für den Erfolg dieser Strategie spricht jedenfalls das aktuelle Paper der Gruppe in Oncogene.

Von pipettierfreundlichen Vorverdünnungen von SA-HRP sollte man jedoch absehen, denn der Titer schreitet sukzessive bergab. Schuld ist wohl ein Klebenbleiben an der Gefäß-Innenwand. Klar, würde man gern die SA-HRP-Inkubation in einem blockierungsfähigen Medium veranstalten, um den Hintergrund bestmöglich ausblenden zu können. Kommer­zielle biotinfreie Protein- oder Polymer-basierte Agenzien böten einen, wenn auch teuren, Ausweg.

Geheimrezept noch unbekannt

Billiger wäre Cuis (noch nicht durchgespielter) Vorschlag, 0,01% SDS zuzugeben oder die Tween-Konzentration auf 0,2% zu verdoppeln. Kritisch steht er Hersteller-Protokollen gegenüber, die die SA-HRP-Verdünnung in TBST/Milch vorsehen; schade um das viele SA-HRP, das die Milch ungenutzt wegfängt. Das ultimative, nicht-kommerzielle Geheim­rezept-Agenz zur SA-HRP-Verdünnung muss erst noch gefunden werden. Vegane Alternativen wie Sojaprotein helfen hier auch nicht weiter, da Biotin darin reichlich vorkommt.

Wer das (seltene, aber doch vorkommende) Problem hat, dass endogene biotinylierte Proteine die Detektion vom Wunschprotein stören, muss zwei Extrarunden fahren. Nach dem Blotten werden alle endogenen Biotingruppen zunächst durch Inkubation in einer Streptavidin-Lösung blockiert. Der gewaschene Blot durchläuft dann eine Inkubation in Biotinlösung, und ist nach abermaligem Waschen endlich einsatzbereit für die eigentliche Inkubation. Sämtliche Biotingruppen sind mit Streptavidin verhüllt, ebenso wie die freien vier Bindestellen von Streptavidin.

Andrea Pitzschke

Cui Y. & Ma L. (2018): Sequential use of milk and bovine serum albumin for streptavidin-probed western blot. BioTechniques, 65:3