Kleine Helfer auf Schrumpfkurs

(31.07.2019) In Gent kreierten Forscher das bislang kleinste synthetische Plasmid der Welt. Die geringe Größe des Minimalst-Klonierungsvektors bringt viele Vorteile.
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Editorial

Plasmide spielen in ihrer Funktion als Vektor für zu untersuchende bzw. übertragende Gene eine entscheidende Rolle in der mole­kularen Biologie. Ohne diese kleinen Helfer kommt kaum ein Wissenschaftler bei Klo­nierungs­prozessen, der PCR-basierten Mutagenese oder der synthetischen Biologie aus.

Ein zu beobachtender Trend in den letzten Jahren war, dass die Plasmide immer kleiner wurden, um mehr Platz für Restriktions­schnittstellen oder die zu transportierenden Gen-Sequenzen zu schaffen. Die Arbeits­gruppe um Rudi Beyaert von der Universität Gent in Belgien hat mit dem pICOz-Plasmid das nun kleinste künstlich hergestellte Plasmid der Welt mit lediglich 1.185 Basenpaaren (bp) vorgestellt. Das einzig bekannte noch kleinere Plasmid mit 746 bp wurde bis jetzt nur in der Natur gefunden und weist im Gegensatz zu seinen synthetischen Kollegen keinerlei Selektionsmarker auf.

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Weg mit unnötigen Sequenzen!

Um ein Plasmid herzustellen bzw. zu verändern, werden diese üblicherweise synthetisch hergestellt oder durch iterative Deletion von bereits bestehenden Plasmiden erzeugt. Eines der dabei bekanntesten Plasmide sind die der pUC-Familie. Das Motto, das bei der Erstellung von Plasmiden immer wieder beherzigt wird, ist das KISS-Prinzip (keep it small and simple). Aus diesem Grund werden Plasmide oft von möglichst vielen “unnötigen” Sequenzen befreit, um das Konstrukt so klein wie möglich zu machen. Diese Minivektoren können dann für die Transfektion in Säugetierzellen oder Gen-Therapien benutzt werden.

Beyaert und seine Kollegen suchten sich zunächst Sequenzen, die für die weitere Verwen­dung “nutzlos” waren. Zu diesen Sequenzen zählte zum Beispiel das bekannte LacZ-Gen, mit dem sich im späteren Verlauf eine Blau/Weiß-Selektion durchführen lässt. Allerdings wird diese Selektionsmethode nicht mehr von allen Wissenschaftlern verwendet – dieser Platz im Plasmid wird also unnötigerweise verschwendet. Raus damit!

In mehreren aufeinander folgenden Schritten entfernten die belgischen Biologen außer dem LacZ-Gen auch noch weitere unnötige Sequenzen zwischen der Multiple Cloning Site (MCS) und dem Origin of replication (ORI). Den freigewordenen Platz nutzten die Wissenschaftler dann für weitere Restriktions­schnittstellen, wodurch das neue Plasmid in späteren Klonierungs­schritten vielfältiger einsetzbar ist.

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Um die Hälfte reduziert

Für die spätere Selektion wird in Plasmiden meistens ein Gen für eine Antibiotika-Resis­tenz mitgeführt. Um auch hier die Größe zu verringern, tauschte man das klassischer­weise verwendete Ampicillin-Resistenz-Gen gegen ein kleineres aus, welches eine Resistenz gegen das Antibiotikum Zeocin vermittelt. Durch diese Einsparungen konnte das ursprüng­liche pUC18-Plasmid mit 2.686 bp um 56% auf 1.185 bp reduziert werden.

Mit dem pICOz wurde somit das bis jetzt kleinste synthetische Plasmid erstellt, welches neben Selektionsmarkern auch MCS und ORI besitzt. Einer der Vorteile eines so kleinen Plasmids wie pICOz ist, dass die geringe Größe den PCR-Prozess beschleunigt, da nicht mehr so viele Basenpaare amplifiziert werden müssen. Zudem wird die Gefahr verringert, dass durch die PCR unbeabsichtigte Veränderungen in Sequenzen zwischen ORI oder MCS des Plasmids entstehen. Da die meisten Expressions-Vektoren eine Ampicillin-Resistenz besitzen, kann es zudem nicht zu einer Kontamination mit der Zeocin-Resistenz von pICOz kommen. Soll das Plasmid zudem in eine Säugetierzelle transfiziert werden, hat die Verwendung von so kleinen Konstrukten wie pICOz zudem den Vorteil, dass kleinere Konstrukte von den Zellen besser aufgenommen werden.

Es geht noch kleiner

Durch die Entdeckung von noch kleineren ORIs oder MCSs könnten Plasmide noch weiter schrumpfen. Weiteres Schrumpfpotential könnte sich beispielsweise durch die Verwen­dung von nicht-antibiotischen Selektionsmarkern wie Zn 2+, Cu 2+ oder Ag + aber auch von Resistenzen gegen hohe Salzkonzentrationen ergeben.

In wahrer Open-Science-Manier ermutigen Beyaert und Co. alle Kollegen ihren besten Versuch eines Minimalst-Plasmidvektors noch zu überbieten – oder in diesem Fall: zu unterbieten.

Frederique Wieters

Staal J. et al. (2019): Engineering a minimal cloning vector from a pUC18 plasmid backbone with an extended multiple cloning site. Biotechnique, 66: 254-9