Chlamydomonas räumt auf

(12.08.2019) Beim diesjährigen iGEM-Wettbewerb tritt unter anderem ein Studenten-Team aus Kaiserslautern mit Plastik-verdauenden Grünalgen an.
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Editorial

Schon zum 16. Mal findet in diesem Jahr der „International Genetically Engineered Machine“ oder kurz iGEM-Wettbewerb statt, bei dem sich Studenten der Biowissen­schaften aus aller Welt miteinander messen. Im Mittelpunkt steht wie immer die synthe­tische Biologie, mit deren Hilfe größere und kleinere Probleme dieser Welt gelöst werden sollen. Probleme wie Krebserkrankungen, Mangelernährung oder Plastikvermüllung.

Letzteres hat sich ein Studenten-Team unter der Leitung von Michael Schroda von der TU Kaiserslautern vorgenommen. „Eine Plastik-Flasche, die heute ins Meer geworfen wird, belastet die Umwelt noch bis in das Jahr 2500. Die Verschmutzung der Umwelt durch Plastik zeigt bereits jetzt katastrophale Auswir­kungen und wird ein gewaltiges Problem für künftige Generationen darstellen“, schreiben die Jungforscher auf ihrer Projekt-Webseite.

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Biohack mit BioBrick

Vom iGEM-Organisationsteam haben die Nachwuchsforscher für ihr Projekt mit dem schönen Titel „Chlamy Yummy“ die sogenannten BioBricks bekommen. Das sind DNA-Bausteine, mit denen die jungen Biohacker biologische Systeme basteln oder verändern können. Und was genau haben sie damit vor? Sie wollen Grünalgen genetisch verändern. Genauer: Sie wollen der Süßwasser-Grünalge Chlamydomonas reinhardtii zwei Enzyme verpassen, mit denen sie in der Lage ist, Plastik abzubauen. Vor allem der am häufigsten vorkommende Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) könnte so zum Futter für die Alge werden.

Bei den zwei Enzymen handelt es sich um die PETase und die MHETase. Nacheinander in zwei Schritten spalten sie PET in seine zwei Grundbestandteile – Terephthalat und Ethylenglycol. Gefunden haben die Enzyme japanische Forscher 2016 beim Bakterium Ideonella sakaiensis, das Plastik auf einer Müllhalde zersetzt hat. Wenn die Grünalge Chlamydomonas also in der Lage wäre, diese Enzyme zu bilden, könnte man sie für den PET-Abbau einsetzen, erhoffen sich die Studenten.

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Ein geschlossenes System

Das Gute an den beiden Substanzen Terephtalat und Ethylenglycol: sie sind wiederver­wertbar. Aus Terephthalat entsteht neues PET, wodurch fossile Ressourcen wie Erdöl geschont werden. Ethylenglycol ist Ausgangssubstanz für Ethanol, welcher wiederum als Kraftstoff verwendet werden kann. „Wir hätten so ein geschlossenes Recyclingsystem, bei dem kein Plastik in der Umwelt anfällt“, berichtet Student und iGEM-Team-Mitglied Adrian Engels in einer Pressemitteilung. Da sich die Grünalge spontan an Plastikpartikel anlagert, soll sogar Mikroplastik für den Abbau zugänglich werden. Ein Recyclingverfahren für Mikroplastik gibt es bisher noch nicht.

Das iGEM-Team der TU Kaiserslautern hat es bereits geschafft, die codierenden Gene der beiden bakteriellen Enzyme ins Erbgut von Chlamydomonas einzuschleusen – die Alge kann also Plastik zersetzen. Wie viel und in welchem Zeitraum der Abbau geschieht, gilt es als nächstes herauszufinden. „Alle Schritte werden als Dauerkultur in einem Bioreaktor durchgeführt“, erläutern die Kaiserslauterer. Auch die Aufreinigung von Terephthalat zur erneuten Synthese von PET und die Umwandlung von Ethylenglycol in den Kraftstoff Ethanol haben sich die Jungforscher zum Ziel gesetzt.

Radikale Ideen

Bei der Finanzierung des Projekts war das Team mit einer eigens geschalteten Crowd­funding-Kampagne erfolgreich. 280 Unterstützer spendeten Gelder in Höhe von fast 13.000 Euro. Damit haben die Studenten ihr Fundingziel von 10.000 Euro sogar über­troffen. Mit dem Geld sollen Labormaterial beschafft und die Reisekosten nach Boston zur Vorstellung des Projekts vor einer internationalen Community gestemmt werden.

„Wir müssen radikal andere Wege gehen, um dem Problem Herr zu werden – das heißt forschen und vor allem außerhalb von gängigen Lösungsansätzen denken. Wir bringen den neuen Hoffnungsträger,“ schreibt das iGEM-Team auf seiner Crowdfunding-Projekt-Seite.

Den ganzen Sommer über werden die Jungforscher nun genau das tun: forschen, um Ende Oktober beim iGEM Giant Jamboree in den USA über ihre Ergebnisse berichten zu können. Vielleicht gibt‘s am Ende sogar eine Medaille? In den vergangenen Jahren waren die deutschen Teams immer sehr erfolgreich und sahnten mehrfach Gold ab.

In der Tat sind auch in diesem Jahr weitere deutsche Teams dabei. Das Team der RWTH Aachen beispielsweise möchte mit „Magnet­bakterien“ Nanoplastik analysieren. Studenten der TU Dresden haben sich vorgenommen, ein gesundes und süß schmeckendes Nahrungsergänzungsmittel zu kreieren – und zwar, indem sie das Glykoprotein Miraculin in Spirulina exprimieren. Wir drücken allen Teilnehmern die Daumen.

Eva Glink