Arena frei für...

(21.11.2019) … Abalos Therapeutics. Denn das Essener Start-up hat Großes vor. Mit einer Millionen-Förderung und einer viralen Geheimwaffe zieht es in den Kampf gegen Krebs.
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Editorial

Sie sind behüllt, einzel­strängig und befallen haupt­sächlich Nagetiere und Reptilien – die Arenaviren. Ihr Name leitet sich vom latei­nischen Wort „arena“ für Sand ab und beschreibt die auf­fällige körnige Struktur der Ribo­somen im Innern der Viren, die man unter dem Mikro­skop sehen kann. Am besten unter­sucht ist das Säugetier-befallende Mamm­arenavirus LCMV (lymphotic chorio­meningitis virus). Es spielte beispiels­weise eine der Hauptrollen in Rolf Zinkernagels Arbeiten zur viralen Immun­abwehr, für die er zusammen mit Peter Doherty 1996 den Medizin-Nobelpreis erhielt.

Nun könnten sich die Viren auch in der medizi­nischen Praxis als nützlich erweisen. Das 2019 gegründete Unter­nehmen Abalos Therapeutics GmbH will nämlich mit arena­viraler Unter­stützung Menschen­leben retten. 2017 hatten die beiden Brüder und Abalos-Gründer Karl und Philipp Lang, Professoren an den Unis Essen und Düsseldorf, Mamm­arenaviren identi­fiziert, die sich bevorzugt in Krebs­zellen replizieren. Dadurch kommt es zu einer sehr starken und lokalen Immun­antwort (Nat Commun, 8:14447). Die Viren für ihre Experi­mente bekamen die Forscher übrigens von Rolf Zinkernagel persönlich. Derzeit arbeiten fünf Abalos-Mitarbeiter daran, die wissen­schaftlichen Erkennt­nisse in eine wirksame Virotherapie zu verwandeln.

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Vier gute Eigenschaften

Doch warum eignen sich gerade Arenaviren so gut für die Krebs­therapie? Arenaviren besitzen von Natur aus vier ganz spezielle Eigen­schaften, die sie zu perfekten Partnern im Kampf gegen den Krebs machen: Sie sind stark immun­aktivierend, sie infizieren bevorzugt Tumor- und Antigen-präsen­tierende Zellen, sie verbleiben für längere Zeit in ihren Wirts­zellen bei einer hohen Replika­tionsrate und – ganz wichtig – sie zerstören ihre Wirtszelle dabei nicht.

In der Theorie klingt der Mecha­nismus des Arenavirus-basierten Therapie­ansatzes dann auch ganz simpel: der verab­reichte Arenavirus-Wirkstoff infiziert spezifisch Tumor­zellen. Die verstärkte Repli­kation der Arenaviren in den Tumorzellen führt zur lokalen Aktivierung verschiedener PRRs (Pattern Recognition Receptors). Die PRR-Aktivierung wiederum induziert die Expression von Typ-I-Interferonen (IFN-I), wodurch die Bildung von Entzün­dungs-Cytokinen vermittelt wird. Zudem präsentieren die Zellen verstärkt Antigene. Dadurch werden Monozyten und cytotoxische T-Zellen zum Tumor gelockt. Der Angriff der T-Zellen führt letzt­endlich zum Zelltod der Tumorzellen. „Alle relevanten Immunzell-Typen greifen spezifisch den Primärtumor und auch entfernt gelegene Metastasen an“, erklärt Marcus Kostka, Geschäfts­führer von Abalos Therapeutics, der zuvor über 20 Jahre bei Boehringer Ingelheim tätig war.

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Natürlich selektiert

In der Praxis gibt es für das Abalos-Team aber noch einige Hürden zu meistern. „Mittels unserer firmen­eigenen Fast-Evolution-Plattform selek­tieren wir bestimmte Arenavirus-Stämme mit optimalen anti-tumoralen Eigen­schaften. Das Virus wird von uns hierbei nicht gen­technisch verändert, es erfolgt vielmehr eine natürliche Selektion“, berichtet Jörg Vollmer, Chief Scientific Officer von Abalos. Kostka fügt hinzu: „Wir werden bei der Entwick­lung unserer Produkt­kandidaten einen starken Fokus auf Sicherheit und Mini­mierung der Neben­wirkungen für Patienten legen. Ein weiterer Schlüssel­aspekt ist die Opti­mierung unserer Virus-Kandidaten bezüglich einer bevor­zugten Replikation in Tumor­zellen gegen­über gesunden Körperzellen.“

Im Gegensatz zu anderen, eher kurzfristig wirkenden immun­onkolo­gischen Ansätzen ist Abalos‘ Arenavirus-Therapie nach­haltiger und ermöglicht eine Langzeit-Krank­heits­kontrolle. „Das Immun­system hat mehr Zeit, sozu­sagen parallel zu der anti-viralen Immun­antwort, eine starke, gezielte und lang­anhaltende Immun­antwort unter Einbindung verschie­dener relevanter Immunzell-Typen gegen den Krebs zu generieren. Im Unter­schied zu onko­lytischen Ansätzen werden die Krebs­zellen nicht durch das Virus selbst zerstört, sondern es kommt zu einem gerichteten, durch das Immun­system induzierten Zelltod. Durch die starke und lang­anhaltende Immun­antwort und die Frei­setzung von spezifischen Tumor-Antigenen nach Tumorzelltod wird das Immun­system gegen den indivi­duellen Tumor des Patienten aktiviert“, erklärt Kostka.

Geld für die Validierung

Das primäre Ziel der Abalos-Wissen­schaftler ist es nun, einen ersten Arenavirus-Kandidaten hinsichtlich Wirk­samkeit, Sicher­heit und Verträg­lichkeit zu testen. Die erst kürzlich erhaltene Förder­summe von 12 Millionen Euro kommt den Unter­nehmern da gerade recht. „Wir freuen uns sehr über die erfolg­reiche Serie-A-Finan­zierung, die gemeinsam vom Boehringer Ingelheim Venture Fund (BIVF) und den Gründerfonds Ruhr angeführt wurde und Beteili­gungen der NRW.BANK und des High-Tech Gründerfonds (HTGF) enthielt“, sagt Kostka. Dann kann es ja bald losgehen.

Eva Glink