Wissenschaft trotz(t) Pandemie
(11.05.2020) Der Europäische Forschungsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft springen ihren Geförderten kurzfristig bei.
Das neue Coronavirus zwingt uns zum Social Distancing. Die Freunde nicht treffen, nicht ausgehen können, sich nicht ungezwungen mit anderen Menschen austauschen können: Das ist schon ein Kraftakt. Forscher, Studenten und Stipendiaten trifft es zum Teil noch härter. In den USA sind nicht nur Unis, sondern auch Studentenwohnheime geschlossen und die Studenten wissen nicht wohin. Nebenjobs fallen weg. Studiengebühren können nicht gezahlt werden. Die weitere Entwicklung ist völlig unklar. Eine Situation, die manchen an den Rand einer psychischen Krise bringt.
Forschungsförderer bieten in dieser harten Zeit Unterstützung an. Die Mitarbeiter des European Research Council (ERC) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) arbeiten derzeit größtenteils im Homeoffice. Sie bemühen sich, die Forschungsförderung über Video- und Telefonkonferenzen sowie auch Schriftverkehr wie gewohnt zu gewährleisten, auch wenn Verzögerungen möglich sind. Vom ERC Geförderte berichten, dass sie aufgrund der Eindämmungsmaßnahmen nicht in ihre Labore gehen und ihre Arbeiten ausführen können. Die Förderorganisation hat Verständnis dafür. Geförderte und ihre Gastinstitutionen sollen zu diesen Aspekten mit ihren üblichen Ansprechpartnern beim ERC Kontakt aufnehmen.
Promotion gerettet
Die DFG hat verschiedene Maßnahmen aufgelegt, damit ihre Geförderten und deren Projekte durch die Unwägbarkeiten der Pandemie nicht ohne Geld dastehen. Beispielsweise können die Anstellungsverträge von Promovierenden in den Graduiertenkollegs ohne Zustimmung der DFG von 36 Monate auf bis zu 48 Monate verlängert werden. Allerdings soll das kostenneutral erfolgen. Zusätzlich können bis zu 3 Monate Personalmittel beantragt werden, wenn die vorhandenen Mittel wegen der Eindämmungsmaßnahmen am Ende doch nicht reichen sollten.
Aufgrund der Pandemie ist der Reiseverkehr stark eingeschränkt und es ist schwierig, ein Visum zu bekommen. Stipendiaten, die ihre Stelle im Ausland wiederaufnehmen wollten, stattdessen aber im Inland festsitzen, bekommen ihr Stipendium im Inland für maximal drei Monate weitergezahlt. Für zusätzlich entstehende Kosten erhalten sie von der DFG bis zu drei Monate lang eine Aufwandsentschädigung. Können Stipendiaten am Ende der Förderung nicht aus dem Ausland zurückkehren, erhalten sie ebenfalls bis zu drei Monate ihr Stipendium weiter. Auch Ausfallzeiten für Fellows werden von der DFG für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten übernommen. Extrakosten wie Stornierungen, Umbuchungen oder auch Mieten für bis zu drei Monate können als Projektausgabe abgerechnet werden.
Gelder strecken
Einen Notfonds für besonders in Bedrängnis geratene Forscher hat die DFG nicht. Es gibt auch keinen zusätzlichen DFG-Haushalt. Stattdessen können die vorhandenen Gelder umgeschichtet und länger verwendet werden. Ansprechpartner sind die betreuenden Referenten. Ausführliche Informationen gibt die DFG in ihrem Coronavirus-Ticker. „Wenn Forschungsarbeiten durch die aktuelle Situation nicht in der geplanten Weise und Produktivität durchgeführt werden können, werden wir das selbstverständlich bei allen Förderentscheidungen berücksichtigen“, betont DFG-Präsidentin Katja Becker.
Das neuartige Coronavirus gefährdet nicht nur die Gesundheit von Menschen. Es hinterlässt seine Spuren auch in deren Seelen und Geldbeuteln – indem es die Einsamen noch einsamer und die Armen noch ärmer macht. Die DFG geht das Thema als Forschungsförderer aktiv an. Bis 1. September 2020 können Wissenschaftler Anträge zu fachübergreifenden Projekten zu Epidemien und Pandemien durch SARS-CoV-2 und andere humanpathogene Mikroorganismen und Viren einreichen – von medizinischen und biologischen Grundlagen über psychologische und gesellschaftliche Faktoren bis hin zu wirtschaftlichen Folgen. Bislang fördert die DFG mit etwa 18 Millionen Euro jährlich insgesamt 20 Forschungsprojekte und größere Forschungsverbünde zu Coronaviren sowie zur Infektiosität und genetischen Vielfalt von Viren.
Richtungsänderung möglich
Der ERC hat zwar kein spezielles Programm zur Förderung der Erforschung der Coronavirus-Erkrankung aufgelegt. Es gibt jedoch bereits bewilligte Forschungsprojekte zu diesem Thema, zum Beispiel zur Verhinderung der Infektion der Nieren durch SARS-CoV-2 (Nuria Montserrat, IBEC, Barcelona), für einen Schnelltest zum Nachweis von Antikörpern im Blut (Maarten Merkx, Eindhoven University of Technology) oder zu Computer-Modellierungen der Virusausbreitung (Vittoria Colizza, INSERM, Paris). Einige Geförderte haben auch beim ERC angefragt, ob sie in ihren laufenden Forschungsprojekten COVID-19-bezogene Themen erforschen können. Solche Richtungsänderungen sind generell möglich, wenn sie wissenschaftlich gerechtfertigt sind und zu den ursprünglichen Zielen des Projekts passen.
„Auch nach dem Gipfel der Coronavirus-Pandemie wird es einige Zeit dauern, bis die Forschungsprozesse wieder in normalen Bahnen verlaufen. Die DFG wird alles daransetzen, auch den zu erwartenden Übergangssituationen vorausschauend zu begegnen, diese aktiv mitzugestalten und den Forschungsprojekten die größtmögliche Unterstützung zu gewährleisten“, so die DFG-Präsidentin.
Bettina Dupont
Foto: Pixabay/kalhh
Wie die Alexander-von-Humbold-Stiftung, die u. a. Forschungsaufenhalte deutscher Wissenschaftler im Ausland fördert, mit der Coronavirus-Pandemie umgeht, erfahren Sie im aktuellen Heft von Laborjournal ("Reisen und Forschen" von Ralf Schreck).