Schneller zum Proteinkristall

(03.06.2020) Wenn das Lieblings-Protein partout nicht kristalli­sieren will, könnte ihm ein starker Magnet auf die Sprünge helfen.
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Editorial

Die Kristallisation von Proteinen erfordert Finger­spitzengefühl und Geduld. Ein universelles Erfolgs­rezept gibt es angesichts der vielfältigen Eigen­schaften und dem unberechen­baren Verhalten von Proteinen nicht. Um ein gelöstes Protein zu kristalli­sieren, erhöht man meist mithilfe der Hanging-Drop-Methode sowohl die Konzentration des Proteins als auch die des als Präzipitations-Agens oft verwendeten Poly­ethylen­glykols (PEG). Bei einem bestimmten Konzen­trations­verhältnis bildet sich ein Kristalli­sationskeim. Zu diesem gesellen sich nach und nach weitere Protein­moleküle und bilden eine geordnete Struktur.

Inzwischen weiß man, dass sich die Qualität der gebildeten Kristalle durch Magnet­felder verbessern lässt. Könnte ein Magnetfeld dann nicht auch die Bildung von Kristalli­sations­keimen beschleunigen und die Erfolgsrate bei der Kristallisation von Proteinen erhöhen? Diese Frage stellte sich Alke Meents, der am DESY in Hamburg die Gruppe „Biomedical Research with X-Rays“ leitet. Zusammen mit Vamsi J. Varanasi und Frank Huang von der Universität Barcelona ging er der Sache auf den Grund.

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Para- und diamagnetische Proteine

Elektronen erzeugen durch ihren Eigen­drehimpuls ein Magnetfeld. Treten sie ungepaart auf, führt dies zu magnetischer Anisotropie der entspre­chenden Verbindung. Proteine sind hierdurch para- oder diamagnetisch, werden also von einem Magneten schwach an- beziehungs­weise abgestoßen. Diese Eigenart macht man sich zunutze, um das Wachsen von Protein­kristallen zu unterstützen und ihre Qualität zu verbessern. Bereits in seiner Dissertation an der Universität Hamburg hat sich Meents mit dem Einfluss von Magnet­feldern auf die Entstehung von Protein­kristallen beschäftigt. Neu ist jedoch die Idee, die Keim­bildungsrate mit einem magne­tischen Feld zu beschleunigen.

Meents und seine Kollegen untersuchten das Kristalli­sations­verhalten von fünfzehn para- und diagmagnetischen Proteinen bei steigender Protein- und PEG-Konzentration. Für jedes Protein erstellten sie ein Phasen­diagramm, in dem die Protein- gegen die PEG-Konzentration bei einer gewählten Temperatur aufgetragen ist. Unterhalb der durch eine bestimmte Protein­konzentration gekenn­zeichneten Löslichkeits­kurve ist das Protein gelöst. Über dieser Kurve liegt die Keim­bildungs­kurve und darüber die Präzi­pitations­kurve. Die Zone zwischen Löslichkeits- und Keim­bildungs­kurve ist durch einen metastabilen Zustand gekenn­zeichnet, der das Kristall­wachstum begünstigt. In der Keim­bildungs­zone zwischen Keim­bildungs- und Präzi­pitations­kurve müssen sich die Proteine entscheiden, wie sie sich stabilisieren wollen: als Kristalli­sationskeim oder als Präzipitat.

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Kurven verschieben

Je breiter die Keimbildungs­zone ist, desto höher ist die Wahr­scheinlichkeit, dass sich in dieser Kristalli­sationskeime bilden. Um zu verhindern, dass die Proteine ausfallen, muss man demnach die Präzi­pitations­kurve nach oben verschieben. Hierdurch vergrößert sich der Abstand zur Keim­bildungs­kurve und auch die metastabile Phase, in der Kristall­keime spontan entstehen, dehnt sich aus. Den Impuls für diese Verschiebung soll das Magnetfeld liefern.

Meents und seine Mitstreiter führten die Protein­kristallisation mithilfe des Hanging-Drop-Verfahrens bei 12°C, 18°C sowie 23°C mit und ohne Magnetfeld durch. Je nach Position der Protein­kristalle im Magnetfeld wirkten unter­schiedlich starke Gravi­tationskräfte und magnetische Fluss­dichten auf sie ein (0 g/12 Tesla, 1 g/16 T, 2 g/12 T). Akribisch zeichneten die drei für jede Position auf, wie viele der getesteten Versuchs­bedingungen zur Kristalli­sation führten. Tatsächlich erhöhte sich die Trefferquote bei zwölf der fünfzehn getesteten Proteine. Besonders hoch war sie bei einer Gravi­tationskraft von 0 g und einer magne­tischen Flussdichte von zwölf Tesla. Im Durchschnitt aller Proteine und Magnet­positionen erhöhte das Magnetfeld die Wahr­scheinlichkeit für die Bildung eines Kristalli­sationskeims um vierzig Prozent. Dass sich tatsächlich astreine Protein­kristalle gebildet hatten, verifizierten die Forscher durch Röntgen­streuung sowie Proteinfärbung.

Andrea Pitzschke

Foto: CSIRO (CC-BY-3.0)

Meents, A. et al. (2020): Efficient method for protein crystallization. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.05.24.113860