Wenn Moleküle schwingen

(12.11.2020) Glasfaser­knäuel statt Spiegel­kabinett – das Münsteraner Start-up Refined Laser Systems beschleunigt die Raman-Spektroskopie.
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Editorial

Die Geschäfts­führer Max Brinkmann (rechts) und Tim Hellwig – beide Physiker – über Molekül­zustände, Frequenz­abstände und Gründungs­umstände.

Laborjournal: Herr Brinkmann, Herr Hellwig, Raman-Spektroskopie ist ja erst einmal nichts Neues. Was macht Ihr Laser­system so besonders?
Tim Hellwig: Der wichtigste Unterschied zu der standard­mäßig verwendeten Fluoreszenz­mikroskopie ist, dass die Raman-Mikroskopie eine Label-freie Methode ist. Wir müssen die Proben also nicht erst anfärben oder markieren. Das ist wichtig in Systemen, die sehr empfindlich auf Störungen reagieren. Nehmen wir pharma­kologische Wirkstoffe und deren Interaktion mit Krebszellen als Beispiel. Da kann es sein, dass ein Fluoreszenz­marker größer ist als der eigentliche Wirkstoff. Dadurch kann die Wirkweise und das Verhalten des Wirkstoffs massiv verändert werden. Mit der Raman-Mikroskopie beobachten wir nicht-invasiv, wie Vorgänge ablaufen.

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Und das schaffen Sie wie?
Max Brinkmann: Wir machen nicht die klassische Raman-Spektroskopie, sondern eine Variante davon, die sich kohärente Raman-Spektroskopie oder -Mikroskopie nennt. Eine Probe wird mit zwei Laser­strahlen beleuchtet. Dadurch lassen sich Molekül­schwingungen kohärent anregen, wodurch der molekulare Übergang viel effizienter stattfindet. Der Energie­abstand der beiden Laser, bedingt durch deren unter­schiedliche Farbe bzw. Frequenz, entspricht genau der Molekül­schwingung, die man im Molekül anregen möchte.
Hellwig: Dieser Prozess läuft also nicht mehr spontan ab, sondern ich biete dem Molekül quasi ein paar Photonen an, die genau den passenden Energie­abstand für die zu erwartende Vibration haben. Dadurch läuft die Messung erheblich schneller ab.

Das heißt aber im Umkehr­schluss, dass Sie immer grob wissen müssen, worauf Sie mit dem Laser schießen, oder?
Hellwig: Sogar ganz genau. Und das ist eine Spezialität unserer Laser. Wir können nämlich dieses „ganz genau“ sehr schnell anpassen …,
Brinkmann: … also letztendlich die Farbe bzw. den Frequenz­abstand zwischen den beiden Lasern …,
Hellwig: … und das innerhalb von Milli­sekunden. Andere Laser auf dem Markt benötigen für den Wechsel mehr als eine Minute.

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Warum geht das bei Ihren Lasern so viel schneller?
Hellwig: Das liegt an der Glasfaser­technik, die wir nutzen. Dadurch konnten wir alle mechanischen Elemente aus dem Lasersystem verbannen, die den Vorgang langsam und auch störungs­anfällig machen.
Brinkmann: Das System ist sehr robust, und auch deutlich kompakter als Frei­strahlsysteme.

Das klingt ja erst einmal nach viel theore­tischer Physik und Grundlagen­forschung. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Firma zu gründen?
Brinkmann: Ich habe mich in meiner Dissertation mit Glasfaser­lasern beschäftigt, die ich für Mikroskopie-Anwendungen optimiert habe. Dabei ist diese Technologie entstanden, die für viele Anwender sehr spannend schien. Tim Hellwig und ich haben uns dann entschieden, den Ansatz weiterzu­entwickeln und zu kommer­zialisieren. Deswegen sitzen wir heute hier.

Haben Sie sich vor fünf oder zehn Jahren vorstellen können, irgendwann eine Firma zu gründen? Oder hatten Sie während des Physik­studiums eher an eine akademische Karriere gedacht, um irgendwann als Professor zu forschen und Studenten zu unterrichten?
Hellwig: Mir macht Forschung Spaß und ich hätte mir auch eine Stelle in der Industrie vorstellen können. Dass ich mal selbst eine Firma gründen würde, habe ich vor zehn Jahren sicherlich nicht gedacht.

Was war der Auslöser, dass Sie es dennoch gemacht haben?
Hellwig: Ich denke, das ist eine Kombination aus Neugier und Möglichkeiten. Die Idee ist spannend, dass andere Menschen etwas nutzen, was ich entwickelt und gebaut habe. Und das ist auch sehr motivierend. Hinzu kommt sicherlich, dass es Förder­möglichkeiten wie Technologie­transfers gibt. Ohne diese wäre unsere Idee wahr­scheinlich, wie viele andere, an der Universität geblieben.
Brinkmann: Für mich war es schon immer eine Option, ein Unternehmen zu gründen. Allerdings habe ich nicht aktiv darauf hingearbeitet. Ich war schon immer eher der Wissen­schaftler und Techniker, deshalb habe ich Physik studiert und nicht etwas anderes.

Einige Start-ups entwickeln Techno­logien, um sie dann in fünf oder zehn Jahren zu verkaufen. Kommt das für Sie auch infrage?
Brinkmann: Wir sind für alles offen. Momentan sind wir allerdings eher daran interessiert, etwas Lang­fristiges aufzubauen. Aber wer weiß, was in zehn Jahren ist?
Hellwig: [lacht] In zehn Jahren sind wir immer noch in Münster, aber an unserem eigenen Standort und nicht mehr im Techno­logiehof, weil wir da ’rausgewachsen sind. Wir sind dann ein mittel­ständischer Hoch­technologie-Laser­lieferant für Forschung und Messtechnik.

Sehr konkrete Vorstellung. Das können Sie so als Leitspruch direkt auf Ihre Webseite schreiben. Apropos Webseite und Firmenname: Warum heißt Ihre Firma Refined Laser Systems?
Brinkmann: Refined steht für „weiter­entwickelt, verbessert“. Das verkörpern unsere Laser, im Vergleich zu den bestehenden komplexen, großen Lasersystemen. Unser Lasersystem ist kompakt und schnell, ein elegantes Werkzeug, um die Forschung voran­zubringen.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief Refined Laser Systems
Gründung: 2019
Sitz: Münster
Mitarbeiter: 4
Produkt: Glasfaser-basiertes kompaktes, schnelles und robustes Ultrakurz-Impuls­lasersystem für kohärente Raman-Spektroskopie

Foto: Sigrid März

Sie möchten mehr über Refined Laser Systems und kohärente Raman-Spektroskopie erfahren? Dann lesen Sie das Firmen­porträt über das Münsteraner Start-up in der aktuellen Printausgabe von Laborjournal (11/2020).



Letzte Änderungen: 12.11.2020