Weltraum, Impfstoffe und Nanopartikel

(19.11.2020) Businessplan-Wettbewerbe sind für Start-ups fast ein Muss. Für die Life Sciences hat der Science4Life Venture Cup eine besondere Bedeutung.
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Editorial

Auf dem Weg zur Gründung der eigenen Firma sind Businessplan-Wettbewerbe eine der vielen Stufen, die erklommen werden möchten. Der Sieg in einem solchen Wettbewerb liefert in der Regel nicht nur Preisgelder und Aner­kennung, sondern auch jede Menge wichtige Kontakte. Der bundesweit größte Businessplan-Wettbewerb für die Lebens­wissenschaften ist der Science4Life Venture Cup, der von der bereits seit mehr als 20 Jahren aktiven unabhängigen Gründungs­initiative Science4Life e.V. ausgerichtet wird. Diese besteht aus einem Netzwerk von Branchen­experten aus mehr als 200 Unternehmen, die den Wettbewerbs­teilnehmern ihr Wissen in Form von Beratung und Weiter­bildung zur Verfügung stellen.

Einmal jährlich veranstaltet die Initiative den Science4Life Venture Cup für die Lebens­wissenschaften und die Chemie. Im Venture Cup ist neben insgesamt 60.000 Euro an Preisgeldern auch die Teilnahme an den „Science4Life Academy Days“ mit Workshops, Business-Coachings und individuellen Medien­trainings zu gewinnen. Der Wettbewerb verläuft in drei Runden: In der Ideenphase wird zunächst die Geschäftsidee mit dem geplanten Produkt oder der Dienst­leistung vorgestellt. In der Konzept­phase kommt ein Businessplan hinzu, der in der Business­planphase um Themen wie Marketing, Finanzierung und Chancen-Risiko-Analyse ergänzt wird. Start-ups, die bei ihrer Gründung bereits weit fort­geschritten sind, können grundsätzlich auch erst in dieser dritten Phase in den Wettbewerb einsteigen. Die Jury besteht aus Juristen, Investoren und Wissen­schaftlern.

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Mit Weltraumforschung zum Sieg

Die Bilanz des Wettbewerbs seit 1998 ist beachtlich. So haben bereits insgesamt mehr als 7.500 Personen teilgenommen, 2.200 Geschäfts­ideen wurden eingereicht und mehr als 1.200 Unter­nehmen erfolgreich gegründet. In der letzten Wettbe­werbsphase werden jeweils zehn Gewinner ermittelt, wobei ab Platz 6 keine Rangfolge mehr erstellt wird und die Unternehmen ein einheitliches Preisgeld von 1.000 Euro erhalten.

In diesem Jahr sicherte sich die Yuri GmbH den 1. Platz und die 25.000 Euro Preisgeld. Das im Jahr 2019 gegründete Start-up mit Sitz in Mecken­beuren am Bodensee ist eine Ausgrün­dung von Airbus und hat sich zum Ziel gesetzt, Biowissen­schaftlern die Forschung in der Schwere­losigkeit zu ermöglichen. Dafür verschafft Yuri Interessierten Zugang zur Inter­nationalen Raumstation oder zu Parabel­flügen – alles ganz einfach buchbar wie ein normaler Linienflug. „Wir helfen beispiels­weise Forschern in der Pharma- und Biotech­industrie bessere Protein­kristalle oder Organoide wachsen zu lassen – indem wir diese in den Zustand der Schwere­losigkeit auf die ISS bringen“, erklärt Mark Kugel, Manager für Partner- und Geschäfts­beziehungen bei Yuri. „Wir haben erst letzten Monat ein Protein­experiment für den Pharmariesen GlaxoSmithKline zur ISS gebracht und arbeiten bereits daran, neuronale Stammzellen für die NASA und Krebszellen für die Universität Sydney in den nächsten Monaten zur ISS zu fliegen. Das Besondere an unserer Idee ist, dass wir ein Rund-um-Sorglos-Paket für Forscher anbieten, d. h. wir entwickeln fertige Bioreaktoren und kümmern uns um die komplette Raumfahrt­logistik.“ Bei dieser Geschäfts­idee ist der Firmenname naheliegend: Der Russe Yuri Gagarin war der erste Mensch im All.

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Impfstoffe aus dem Baukasten

Immerhin noch 10.000 Euro erhält das zweit­platzierte Team von Prime Vector Technologies GmbH (PVT) aus Tübingen, das ein Baukasten­system zur Impfstoff­entwicklung anbietet. Mit diesem System können maß­geschneiderte Impfstoffe gegen Krebs und Infektions­erkrankungen entwickelt werden, wofür das 2019 gegründete Unter­nehmen eng mit der Abteilung Immunologie des Universitäts­klinikums Tübingen zusammen­arbeitet. Seit März 2020 steht – wie fast nicht anders zu erwarten – die präklinische Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffes im Vordergrund.

Als Basis für die Impfstoffe dient das Parapox­virus Ovis, auch Orf-Virus (ORFV) genannt, in dessen großes Genom sich die genetische Infor­mation von mehreren Antigenen gleichzeitig einbringen lässt. Dadurch und durch die Integration weiterer immun-stimulierender Elemente wird eine sehr starke Immunantwort hervor­gerufen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Technologie­plattform die Herstellung von ersten Impfstoff­kandidaten in nur wenigen Wochen ermöglicht. „Mit unserer Technologie lassen sich sehr schnell hochpotente und polyvalente Impfstoffe der nächsten Generation herstellen“, so der Betriebs­leiter von PVT, Ferdinand Salomon. „Die besondere Wirkungs­weise unserer Impfstoffe führt dazu, dass diese insbesondere starke T-Zell-Antworten induzieren und so nicht nur effektiv vor Infektions­krankheiten schützen, sondern auch zur Therapie von Krebs­erkrankungen eingesetzt werden können.“

Krebstherapie personalisieren

Auf Platz 3 mit 5.000 Euro Preisgeld steht mit Deoxy ein Diagnostik­unternehmen, das fluoreszie­rende DNA-Nanopartikel dazu nutzt, Boten-RNA-Moleküle sichtbar zu machen und dadurch die Genaktivität in einzelnen Zellen zu quantifizieren. Im Hochdurch­satzverfahren können auf diese Weise tausende Zellen gleichzeitig schnell und zuverlässig vermessen werden. Die Technik soll beispiels­weise dabei helfen, Tumorzellen zu klassifizieren und damit eine personalisierte Therapie zu ermöglichen. Die Ausgründung der LMU München wird unter anderem vom GO-Bio-Programm des Bundes­ministeriums für Forschung finanziert.

Auf den Plätzen 4 und 5 mit je 2.500 Euro Preisgeld folgen die beiden GmbHs NIA Health und Fibragg Diagnostics. Erstere entwickelt eine Plattform für medizinische Software wie beispiels­weise eine App zur Unter­stützung von Patienten mit Neurodermitis. Letztere hält das Patent auf eine Glasfaser-Sonde, die bei einer Herzkatheter-Untersuchung zum Einsatz kommt und durch simultane Druck­messungen hilft, Verengungen der Blutgefäße zu identifizieren.

„Durch die Teilnahme am Venture Cup haben wir nicht nur wertvolles Feedback von hoch­karätigen Experten erhalten, sondern konnten auch unser Netzwerk in den Biowissen­schaften stark erweitern“, fasst Yuri-Mitgründer Mark Kugel die Erfahrungen mit dem Venture Cup zusammen. Ferdinand Salomon von PVT fügt hinzu: „Das Science4Life-Netzwerk hat uns den Zugang zu Experten aus der industriellen Biotechnologie und Pharma­industrie ermöglicht. Die hilfreichen Rück­meldungen waren für unser Unter­nehmen entscheidend, da sie die Weichen­stellung in der frühen Phase signifikant beeinflusst haben. Im Rahmen der Coachings konnten wir weiterhin tief in den Businessplan einsteigen und an unseren Präsen­tationsfähigkeiten feilen.“

Larissa Tetsch

Bild: Science4Life