Spanplatten aus der Zinnienkultur

(27.01.2021) Die Idee, vorgeformte Biomate­rialien mit gewünschten Eigen­schaften im großen Stil in Pflanzenzell-Kulturen zu produzieren, hat durchaus Charme.
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Editorial

Pflanzen transportieren Wasser über eine durch­gehende Röhre im Stängel­inneren, die aus aneinander­gereihten, lang­gestreckten Zellen (Tracheen) besteht. Der Transpira­tionssog von der Wurzel zu den Blättern läuft barrierefrei, denn die Zwischen­wände sind aufgelöst. Zwei Hormone beeinflussen maßgeblich die Differen­zierung der Tracheen: Cytokinin und Auxin. Dass Tracheen im Zuge ihrer Reifung Selbstmord durch program­mierten Zelltod begehen und verholzen, macht sie zu spannenden Studien­objekten.

Seit 30 Jahren gelten hierzu Zellkulturen aus Zinnien (Zinnia elegans) als perfektes Modell­system. Zellen aus Zinnien­blättern lassen sich vergleichs­weise leicht gewinnen, dediffe­renzieren und manipulieren – vergleichbar mit induzierten Stammzellen bei Tieren. Sie könnten auch ein eleganter Ausgangs­stoff für pflanzen­basierte Materialien sein. Davon ist zumindest die Gruppe des Nano­technologen Luis F. Velasquez-García vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA überzeugt: Sie will mithilfe von Z.-elegans-Kulturen Biomaterial, etwa Holz, mit gewünschten Eigen­schaften und vorge­gebener Architektur herstellen.

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Konkretes Konzept

Wie die Produktion von Biomate­rialien in Z.-elegans-Kulturen konkret aussehen könnte, beschreibt die Gruppe in einer Konzept-Studie, in der sie untersuchte, wie sich Größe, Streckung und Verholzung der Zellen durch verschiedene Kultur­bedingungen gezielt einstellen lassen.

Um an die Blatt(meso­phyll)zellen zu gelangen, spülten die Forscher die Blätter 14 Tage alter Pflanzen in Wasser, sterilisierten die Oberfläche mit Bleiche und schnitten sie in Streifen. Die Streifen verrieben sie mit einem Teelöffel auf einem kleinen Sieb und spülten die Blatt­substanz mit den freigelegten Zellen mit Z.-elegans-Erhaltungs­medium (ZE-M) ab, das die Gruppe in einem Gefäß sammelte. Anschließend filtrierten die US-Forscher das Medium durch einen 70-µm-Filter, der nur Zellen passieren ließ und größere Bruchstücke zurückhielt.

Nach zwei Tagen in einem Hormon-armen Erhaltungs­medium vermengte die Gruppe das Medium mit den Zellen im Verhältnis von 1:3 mit einem leicht erwärmten sogenannten Thermo­setting-Gel, das sich in Formen gießen oder mit dem 3D-Drucker drucken lässt. Kühlt das Gel auf Raum­temperatur ab, wird es fest, wodurch die gewünschte Form entsteht. Das Gel enthält die gleichen Mineral- und Nährstoffe wie ZE-M, aber wesentlich höher dosierte Hormone. Die Zellen überleben darin für mehrere Wochen, entwickeln und differenzieren sich.

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Größer oder holziger

Mit Zellanfärbungen, Konfokal­mikroskopie und weiteren Analysen, welche die Forscher an zwölf Tage alten Zellkulturen durch­führten, konnten sie zeigen, dass je nach Rezeptur des Mediums Biomate­rialien mit gewünschter Form und Größe entstehen. Stell­schrauben hierfür sind der pH-Wert, die Dichte der ursprünglich mit dem Gel vermengten Zellkultur sowie die Konzen­tration und das Verhältnis der synthe­tischen Hormone 1-Naphtyl­essig­säure (NAA, Auxin-Analogon) und 6-Benzyl­aminopurin (BAP, synthetisches Cytokinin).

Um besonders große Zellen zu erhalten, setzte das Team eine höhere Zelldichte ein. Stand eine besonders starke Verholzung im Vordergrund, erhöhte es die Konzen­tration von BAP auf etwa 1 Milligramm pro Liter, die von NAA auf 0,5 Milligramm pro Liter. Bei dieser Hormon­konzentration ist der Anteil lebender Zellen relativ gering, da viele Zellen dem program­mierten Zelltod zum Opfer fallen, was letztlich die stärkere Verholzung erklärt.

Ob die In-vitro-Produktion vorgeformter Biomaterialien in Planzenzell-Kulturen eines Tages tatsächlich im größeren Maßstab möglich sein wird, steht allerdings noch in den Sternen.

Andrea Pitzschke

Beckwith A. et al. (2021): Tunable plant-based materials via in vitro cell culture using a Zinnia elegans model. J Clean Prod, 288:125571

Bild: Pixabay/followyourdream