Arabidopsis-Samen in 40 Tagen

(17.03.2021) Die Aufzucht von Arabidopsis für die Phäno­typisierung ist zeitaufwendig und mühsam. Mit einem optimierten Protokoll erhält man schneller neue Samen.
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Editorial

Pflanzenphän­otypisierung ist die quantitative Analyse der Wechselwirkung einer Pflanze mit ihrer Umwelt. Der Phänotyp ist sowohl vom Genotyp als auch von der Umgebung abhängig. Besonders gut lässt er sich bei der Acker­schmalwand Arabidopsis thaliana beobachten, die einen extrem kurzen Lebenszyklus und ein kleines Genom aufweist. Sie ist deshalb die beliebteste Pflanze der Pflanzen­molekularbiologie.

Die Arabidopsis-Forschung stützt sich weitgehend auf die phäno­typische Analyse der Sämlinge und Charakterisierung der Pflanzen­reaktionen auf intrinsische und extrinsische Reize während des In-vitro-Wachstums. Deshalb sollten optimale, stressfreie Wachstums­bedingungen geschaffen und als Referenz verwendet werden – insbesondere in Studien, die darauf abzielen, die pflanzlichen Reaktionen auf abiotischen und biotischen Stress zu charakterisieren.

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Nicht optimal

Bei den derzeit verwendeten Standard-Protokollen für die In-vitro-Kultur und Charakterisierung von Arabidopsis ist die Zusammen­setzung des Wachstums­mediums aber nicht optimal. Der unausgeglichene Nährstoff­gehalt kann bei den Pflanzen Stress­reaktionen auslösen und hierdurch die Ergebnisse von Experimenten verfälschen. Darüber hinaus erfordern die Protokolle das Umpflanzen in Töpfe mit Erde, regelmäßige Bewässerung, spezielle Kultur­systeme wie zum Beispiel das ARA-System und ein Gewächshaus. Dies ist nicht nur mit viel Arbeit verbunden, sondern auch mit viel Abfall.

Ist es möglich, die Arabidopsis-Kultur einfacher und standardisierter durchzuführen? Durchaus. Wir haben ein einfaches Protokoll für die In-vitro-Kultur von Arabidopsis-Pflanzen entwickelt, das auf einem optimierten und ernährungs­physiologisch ausgewogenen Kulturmedium basiert. Das Protokoll ist für die Kultur mehrerer Arabidopsis-Mutanten robust anwendbar, einschließlich Mutanten ohne Wurzelsystem.

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Schnell und sparsam

Unser In-vitro-Protokoll ermöglicht die schnelle Samen­produktion im großen Maßstab. Die Pflanzen müssen nicht in Boden eingepflanzt werden, wodurch Platz und Zeit gespart werden. Die In-vitro-Kultur findet in einem optimierten Medium statt, dessen Nährstoff­gehalt so nah wie möglich an die natürlichen Boden­bedingungen angepasst ist. Durch die Standar­disierung aller Kultur-Schritte während des Pflanzen­wachstums ermöglicht es phänotypische und molekulare Untersu­chungen einzelner Pflanzen sowie die Samen­bildung auch bei Genotypen mit schwerem Defekt im Wurzelsystem. Darüber hinaus reduziert es die Abfallmenge und den für die Pflanzenkultur nötigen Platz.

Die Kultivierung verläuft in zwei Schritten, wobei alle Arbeits­abläufe von der Samen­pflanzung bis zur Gewinnung neuer Samen in einer sterilen Laminar-Flow-Bank durchgeführt werden sollten. Im ersten Schritt wachsen die Sämlinge 20 Tage auf einer vertikalen quadratischen Petrischale in einem optimierten TK1-Medium. Das TK1-Medium wurde nach sorgfältiger Bewertung der Funktionen und Auswirkungen aller Nährstoffe auf die Pflanzen­entwicklung zusammen­gestellt und basiert auf einem ausgeglichenen NPK-Verhältnis. Anschließend werden die Pflanzen 20 Tage in einem 20 Zentimeter langen Reagenzglas mit Hoagland-Medium bis zur Samenbildung und Trocknung kultiviert.

Im ersten Schritt der Kultivierung ist eine präzise Phäno­typisierung der Pflanzen möglich (regelmäßiges Scannen der Schale, Wurzelsystem­architektur und Sprosskinetik). Zusätzlich zur Morphologie auf Organebene ermöglicht das System die Untersuchung der Einzelzell­auflösung des apikalen Wurzel­meristems. Eine 1 Zentimeter lange Wurzelspitze kann geschnitten, fixiert und hinsichtlich der Zellmerkmale, Genexpression, Zellzyklus und Chromatin-Status analysiert werden.

Auch die Expression eines Fluoreszenz-Markers kann unter einem Binokular­mikroskop, das mit einer Leuchtstof­flampe ausgestattet ist, direkt auf den Platten nachgewiesen werden. Die Pflanzen können zusätzlich nummeriert werden, um die Kinetik der Entwicklung einfach zu überwachen.

Der zweite Schritt der Kultivierung beginnt, sobald die Blüten erscheinen. Der Spross wird in ein Reagenzglas überführt, das 2,5 ml Hoagland-Medium enthält. Bei Bedarf können Wurzeln zur DNA-Isolierung und Geno­typisierung verwendet werden.

Gut trocknen

Für eine gute Trocknung der Samen ist es wichtig, eine hohe Luftfeuch­tigkeit in den Röhrchen zu vermeiden. Deshalb dürfen die Reagenzgläser nur mit einem Baumwoll­deckel abgedeckt werden. Nachdem die Samen vollständig trocken sind, können sie unter einer Sterilbank in einer 40-mm-Petrischale oder einem Eppendorf-Röhrchen gesammelt werden.

Die In-vitro-Kultivierung mit unserem Protokoll dauert von der Aufzucht der Sämlinge bis zur Samen­gewinnung ungefähr 40 bis 45 Tage. Während dieser Zeit ist eine genaue phänotypische und genotypische Charakte­risierung möglich – inklusive der eingehenderen Phäno­typisierung des apikalen Wurzel­meristems.

Wir verwenden dieses Protokoll seit 2003 routinemäßig und können mit ihm auch Samen aus einer wurzellosen Mutante erzeugen. Die Details finden Sie in unserem Preprint.

Taras Pasternak

Pasternak T., Ruperti B. & Palme K. (2020): A simple high efficiency and low cost in vitro growth system for phenotypic characterization and seed propagation of Arabidopsis thaliana. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.08.23.263491

Dieser Artikel erschien zuerst in Laborjournal 11/2020.

Bild: Pasternak et al.