LJ-Rätsel: Die Mehrfachübergangene

(06.04.2021) Die Lobeshymnen auf die Entwicklung von Corona-Impfstoffen häufen sich. Doch nicht immer wird unsere Gesuchte dabei mit erwähnt. Kennen Sie sie?
editorial_bild

Editorial

„Die drei Macherinnen der Corona-Impfstoffe.“ So titelte das Manager Magazin am 5. März dieses Jahres – und meinte damit konkret Sarah Gilbert, Özlem Türeci und Kizzmekia „Kizzy“ Shanta Corbett.

Sarah Gilbert ist Professorin für Impfstoffe am Oxford Vaccine Centre der dortigen Universität und hat feder­führend den sogenannten Oxford/AstraZeneca-Impfstoff entwickelt. Am 14. April wird ihr die Albert-Medaille der Royal Society of Arts verliehen – was sie in Gesellschaft solcher Größen wie Marie Curie, Alexander Graham Bell oder Stephen Hawking rückt.

Özlem Türeci wird vor allem wegen ihrer Erkenntnisse zu Antikörper­therapien als „Mastermind hinter dem BioNTech-Impfstoff“ gelobt. Am 19. März verlieh Bundes­präsident Frank-Walter Steinmeier ihr und ihrem Ehemann Ugur Sahin, mit dem sie 2008 BioNTech gegründet hatte, im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel das Bundes­verdienstkreuz für die erfolgreiche Impfstoff­entwicklung.

Editorial

Die Afroamerikanerin Kizzmekia „Kizzy“ Shanta Corbett schließlich leitet das Coronavirus-Team am Vaccine Research Center des US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases – und entwickelte insbesondere mit ihren struktur­biologischen Studien zum Spike-Protein von SARS-CoV-2 den mRNA-Impfstoff von Moderna auf entscheidende Weise mit.

Im gleichen Artikel konnten die drei Forsche­rinnen dann noch ein weiteres ziemlich hohes Lob einstreichen. Wörtlich hieß es dort: „EU-Kommissions­präsidentin Ursula von der Leyen (62) würdigte die Forsche­rinnnen Türeci, Gilbert und Corbett in einem Zug: ‚Doktor Özlem Türeci, Professor Sarah Gilbert, Doktor Kizzmekia Corbett – einige von Ihnen haben ihre Namen vielleicht noch nie gehört, aber wir verdanken ihnen viel‘, sagte von der Leyen [...] und forderte in diesem Kontext Unternehmen in Europa auf, mehr Frauen in Spitzen­positionen zu befördern.“

Dummerweise hatte das Manager Magazin in seinem Lobes-Artikel eine ganz entscheidende vierte Forscherin vergessen. Mit ihr hätte Frau von der Leyen ihren letzten Punkt nochmals stärker unter­mauern können. Und wir sind für unseren Teil damit endlich bei unserer Gesuchten angekommen ...

Editorial

Mitte der Achtzigerjahre verließ die „Übergangene“ mit Mann und Tochter sowie lediglich 900 englischen Pfund aus einem schnellen Autoverkauf in der Tasche ihr Heimatland, wo ihre Postdoc-Anstellung an einer nach dem Ascorbin­säure-Entdecker benannten Universität ein unfreiwilliges Ende gefunden hatte. Ihr Ziel war die Ostküste der USA, wo sie bereits eine Anstellung an einer Universität sicher hatte, die ihren Namen der einst­maligen Gründung im Keller eines Baptisten­tempels verdankte. Doch obwohl die Metzgers­tochter ihre später so erfolgreiche Forschungs­idee bereits über den großen Teich mitgebracht hatte, konnte sie mit etlichen Anträgen dazu keine Forschungs­gelder einwerben. Ihre Idee war einfach „too novel“, wie sie selbst im Rückblick einmal sagte. Auch als sie nach vier Jahren an die renom­miertere Nachbar­universität wechselte, änderte sich dies nicht. Ihre Förder­gesuche wurden weiterhin „übergangen“. Konkret drehte sich ihre Vision darum, einzelne Vertreter einer bestimmten Klasse von zentralen Biomole­külen jeweils gezielt zur Behandlung ganz verschiedener Krankheiten einzusetzen.

Schwung kam erst in die Sache, als sie einen Kollegen von den US-National Institutes of Health traf, der an potenziellen HIV-Vakzinen forschte. Der war begeistert von der Idee seiner neuen Bekannten, da ihr Ansatz versprach, dass man künftig Impfstoffe nicht mehr aufwendig in Zellkulturen, sondern vergleich­sweise einfach im Reagenzglas herstellen konnte.

Allerdings gab es ein ernstes Problem: Immer wenn Mäuse eines dieser speziell synthe­tisierten Moleküle gespritzt bekamen, reagierte umgehend deren angeborenes Immunsystem – und es kam zu gefährlichen Entzündungs­reaktionen. In einem Immunity-Paper von 2005 präsentierte das Duo schließlich die Lösung: Wurden die Moleküle nicht in der reinen Form gespritzt, wie sie aus der Synthese kamen, sondern fügte man ihnen zuvor noch einige Säugetier-spezifische Modifi­kationen hinzu, blieb das Immunsystem der Mäuse still.

Aber auch das erregte damals nicht viel Aufsehen. Zwar gründeten die beiden umgehend eine Firma, um mit ihren Erkennt­nissen konkrete Medikamente zu entwickeln, aber mangels Unterstützung kam es niemals zu klinischen Versuchen. Als die Universität unserer Gesuchten überdies die Beförderung verweigerte, weil sie angeblich nicht der „Qualität der Fakultät“ entspräche, packte sie frustriert ihre Sachen und wurde 2013 Senior-Vize­präsidentin eines damals noch kleinen Unternehmens, das inzwischen dieselbe Vision einer neuen molekularen Therapie­strategie verfolgte, wie sie es schon lange tat.

Eine der drei vom Manager Magazin gepreisten Frauen ist dort bis heute ihre Chefin. Doch ohne den Modifizie­rungstrick unserer Gesuchten hätte ihre Firma niemals den heute so bekannten Impfstoff entwickeln können. Wie heißt sie?

Ralf Neumann

Na, wer ist‘s? Mailen Sie den gesuchten Namen sowie Ihre Adresse an: redaktion(at)laborjournal.de. Wir verlosen zwei Laborjournal-T-Shirts.

Bild: Pixabay/Anemone123