Aus Lab wird Hub

(27.05.2021) Fünfzehn Jahre haben die TU Darmstadt und Chemieriese Merck ein gemeinsames Forschungs­labor betrieben. Jetzt geht man zusammen neue Wege.
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Editorial

Dass Mitarbeitende eines Unternehmens an einer Universität lehren, ist nichts Ungewöhnliches. Auch nicht, dass Wissen­schaftler und Wissen­schaftlerinnen aus Industrie und Hochschule in gemeinsamen Projekten forschen. Die Technische Universität Darmstadt mit über 20.000 Studierenden und das in Darmstadt ansässige pharmazeutisch-chemische Unternehmen Merck mit 58.000 Mitarbeitern sind jedoch eine ungewöhnlich enge und dauerhafte Kooperation eingegangen: Ein Herzstück der Kooperation war in den letzten 15 Jahren ein gemeinsames Forschungslabor – das Merck Lab. Als „Muster­beispiel für eine gelungene Kooperation“ beschreibt Jens Schneider, Vizepräsident für Transfer und Internatio­nalisierung der TU Darmstadt, die enge Zusammen­arbeit in der universitäts­eigenen Zeitung. Gerhard Schwall, der auf Merck-Seite die Arbeit des gemeinsamen Labors koordiniert hat, stimmt Schneider zu: „Das Merck Lab war sehr erfolgreich, und die Zusam­menarbeit zwischen der TU Darmstadt und Merck hätte nicht besser funktionieren können!“

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Elektronik und Diagnostik

Naturgemäß konzentrierte sich die Forschung auf Themen, in denen die Partner stark waren. Die ersten zehn Jahre standen gedruckte Elektronik-Komponenten im Vordergrund, in der zurückliegenden fünf Jahren dann die Entwicklung von Analytik- und Diagnostik-Produkten. Zuletzt gehörten dem Merck Lab fünf Arbeits­gruppen der Hochschule an, davon drei aus dem Fachbereich Maschinenbau und zwei aus dem Fachbereich Chemie. Merck steuerte drei Mitarbeiter bei, jeweils eine Zuständige für die Bereiche Chemie und Life Science sowie Teamleiter Gerhard Schwall. Über die wissen­schaftliche Ausrichtung der Projekte und getätigte Investitionen berieten die fünf Professoren und die Merck-Mitarbeiter gemeinsam. „Es handelte sich um eine Partnerschaft auf Augenhöhe, bei der beide Partner ihre Beiträge leisten“, so Schwall.

Daran soll sich auch weiterhin nichts ändern, obwohl die Kooperation inhaltlich und auch organisa­torisch völlig neu ausgerichtet wird. „In der Vergangenheit hat das Merck Lab an Themen­schwerpunkten gearbeitet, die für bestimmte Business Units von Interesse waren. 2006-2015 an Themen, an denen besonders die Sparte Electronics (früher Performance Materials) interessiert war. Von 2016-2020 deckte das Thema ‚Low-instrumented diagnostics and analytics‘ schwer­punktmäßig die Sparten Life Science und Healthcare ab“, lässt Schwall die vergangenen 15 Jahre Revue passieren.

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Neue Strategie

Gleichzeitig erklärt er, warum das Merck Lab in dieser Form nicht weitergeführt wird: „2020 hat Merck seine Nachhaltigkeits­strategie veröffentlicht, in der sich Merck Sparten-übergreifend ambitionierte Ziele gesetzt hat. Es lag daher auf der Hand, die strategische Partner­schaft mit der TU Darmstadt im Bereich Nachhaltigkeit zu intensivieren. Es war uns wichtig, für diesen Themen­komplex die Forschungs­expertise der Universität Fachbereichs-übergreifend einzubinden. Gemeinsame Forschungs­projekte aus den unter­schiedlichsten Fachbereichen lassen sich dann natürlich nicht mehr in einem zentralen, gemeinsamen Labor abbilden.“ Auch auf Seiten der TU Darmstadt hat sich diesbezüglich was getan, so hat man unter anderem ein „Büro für Nach­haltigkeit“ eingerichtet.

Koordiniert werden sollen die Projekte über eine neue Forschungs­plattform, den Sustainability Hub, der für alle Sparten von Merck und alle Forschungs­bereiche der TU Darmstadt offen sein soll. Wissen­schaftlicher Austausch und Technologie­transfer sollen natürlich weiterhin im Mittelpunkt stehen.

Kurze Wege, viele Vorteile

Vier Themen will die Arbeits­gemeinschaft vorrangig bearbeiten: Kreislauf­wirtschaft, digitale Nachhaltigkeit, verantwor­tungsvoller Umgang mit Rohstoffen sowie neuartige biologisch-inspirierte Prozesse und Verfahren. „Wir arbeiten derzeit zusammen mit der Universität daran, gemeinsame Forschungs­projekte auszuwählen“, so Schwall. Dabei sollen auch nationale und internationale Kooperationspartner der TU Darmstadt eingebunden werden. Über die Höhe des Budgets ist nichts bekannt, es soll aber im Vergleich zum Merck Lab unverändert bleiben.

Für TU-Vizepräsident Schneider sind die Vorteile dieser öffentlich-privaten Zusammenarbeit offensichtlich: „Solche Formen der langfristigen, thematisch breiten und interdisziplinären Kooperation schaffen kurze Wege zwischen den Forschungs- und Entwicklungs­teams aus Industrie und Universität – und das ist im internationalen Vergleich einzigartig und von unschätzbarem Wert.“

Larissa Tetsch

Bild: TU Darmstadt


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