Gute Planung ist das halbe Experiment

(18.08.2021) Bevor man im Labor drauflos experimentiert, sollte man sich über die wichtigsten Einfluss­faktoren im Klaren sein. Ein neues Webportal soll helfen.
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Editorial

Wie viele Replikate braucht ein Versuch, ist eine Randomi­sierung angebracht? Sollte ein bestimmter Tierversuch eher mit weiblichen statt männlichen, mit jungen oder alten, fitten oder übergewichtigen Mäusen, bei Tages- oder LED-Licht durchgeführt werden? Diese Fragen klärt man besser, bevor man Pipette oder Skalpell zur Hand nimmt. Die Zeit, die in das Design eines Experimentes gesteckt wird, ist gut investiert, denn wenn sich in Ad-hoc-Aktionen am Ende herausstellt, dass eine Kontrolle gefehlt hat oder eine statistisch saubere Auswertung unmöglich ist, war alles für die Katz. Selbst routinierte Forscher, die sich an ihrem individuellen Schema F orientieren, können böse Über­raschungen erleben – etwa wenn ein akribischer Reviewer den Finger auf einen (unbewusst) vernachlässigten Einflussfaktor legt.

Zumindest die gröbsten Schnitzer bei der Konzeption eines Experimentes kann man in Zukunft mithilfe der Web-basierten „Platform for the Exchange of Experimental Research Standards“ (PEERS) vermeiden, die ein internationales Team um Christoph Emmerich von der PAASP GmhH (Partnership for Assessment and Accreditation of Scientific Practice) in Heidelberg auf die Beine stellte und inbesondere für die biomedi­zinische Forschung konzipierte.

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Gegen widersprüchliche Ergebnisse

Die PEERS-Datenbank ist hierzu in In-vitro- sowie In-vivo-Experimente eingeteilt. Sie  schlüsselt die wesentlichen Faktoren auf, die bei einer bestimmten Methode oder einem Versuchs­objekt Einfluss auf das Ergebnis nehmen können und gewichtet deren Stärke. Experimente in der akademischen Forschung wie in der Pharma­industrie sollen durch PEERS reprodu­zierbarer werden, um wider­sprüchlichen Studien­ergebnissen vorzubeugen.

Nach der Registrierung auf der PEERS-Webseite gelangt man in das Open-Access-Portal und kann hinterlegte Protokolle abfragen oder selbst Protokolle hinterlegen. Insgesamt zehn Komponenten (beispielsweise Probenanzahl, ausreichend detaillierte Beschreibung von Methoden und Materialien) werden für jedes Protokoll gelistet beziehungsweise abgefragt und jeweils mit einem Score von 0 bis 1 gewichtet. Mit dieser Liste lässt sich abschätzen, wie geeignet eine konkrete Methode für eine Studie ist (oder retrospektiv war). Sie hilft aber auch, die Aussagekraft der Ergebnisse zu evaluieren. Wer die Liste vor dem eigentlichen Experiment oder dem Publizieren durchgeht, kann das Versuchs-Design nachjustieren, um die Punktezahl zu erhöhen.

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Engagement wird honoriert

Das klingt ziemlich abstrakt, die Entwickler von PEERS versprechen jedoch eine intuitive Handhabung des Webportals. So kann man aus verschiedenen Protokollen das gewünschte auswählen, etwa in der Kategorie „in vitro“ einen ELISA oder unter „in vivo“ ein Wasser­labyrinth für die Verhaltens­forschung, und durch mögliche Einfluss­faktoren blättern. Für jeden tatsächlichen Faktor wird automatisch das Ausmaß seines Einflusses in einem sogenannten Scoreboard angegeben und zu einem Gesamt-Score zusammengefasst.

Emmerich und Co. sehen in PEERS eine Wiki-ähnliche Anlaufstelle, die von den Nutzern stetig erweitert und verbessert wird. Geplant ist, die Arbeit von engagierten Anwendern, die zum Beispiel Protokolle begutachten, ergänzen oder evaluieren, in der wissen­schaftlichen Gemeinde zu honorieren, indem ihre Leistungen zitierbar sein sollen wie normale Publikationen. Wer die Spielregeln von PEERS verletzt und etwa die Arbeit anderer diskreditiert, wird hingegen gesperrt.

Andrea Pitzschke

Sil A. et al. (2021): PEERS – an open science “Platform for the Exchange of Experimental Research Standards” in biomedicine. BioRxiv, DOI: 10.1101/2021.07.31.454443

Bild: AdobeStock/ngad