Geschmacksrezeptoren

von Autor (Laborjournal-Ausgabe 05, Dorothea Wirbser)


Editorial

Was wäre ein Labor ohne die obligatorisch gluckernde Kaffeemaschine? Etwa dasselbe wie Frühjahr ohne Spargel! Unlogisch? Nein, gar nicht!

Kaffee, Spargel und viele andere Lebensmittel haben eines gemeinsam: den appetitanregenden, bitter-würzigen Geschmack. Sensibles Instrument des Genusses-. die Zunge. Aus dem Nahrungsbrei, der täglich viele Male darüber schwappt, filtert sie zuverlässig ihre Informationen: salzig, sauer, süß oder eben bitter. Dazu wurde kürzlich noch eine fünfte Geschmacksrichtung entdeckt: Umami, der Geschmack von Glutamat (Fleischgeschmack). Bitteres signalisiert oft: Achtung Gift! Wer jemals versehentlich eine Bittermandel (enthält ein Cyanhydrin, das im Körper Blausäure abspaltet) verspeist hat, kann das sicher bestätigen: ihr Geschmack ist einfach scheußlich! In dieser Warnung liegt der biologische Sinn der Bitterkeit. Auch viele (bittere) pflanzliche Heilmittel wie Absinth (Wermut), Chinin (Chinabaum) oder Atropin (Tollkirsche) wirken in höheren Dosen toxisch oder sogar tödlich. Bereits Paracelsus wusste: die Dosis macht's! Wie gut, dass die Zunge auch Konzentrationen erspürt!
Editorial

Große Familie

Die Sinneseindrücke "salzig" und "sauer" resultieren aus dem Einstrom von Na+- bzw. H+-Ionen durch Kanäle der Geschmacksrezeptorenzellen (taste receptor cells, TCRS); die befinden sich auf den Papillen. Aber wie steht es mit "bitter" und "süß"? Forscher der National Institutes of Health, Maryland und des Howard Hughes Medical Institute an der University of California sowie der Harvard Medical School, Boston Massachusetts, fanden Geschmack am Geschmack und postulierten: Um die bittere Vielfalt erkennen zu können, muss es eine große Familie verwandter Rezeptoren auf den Geschmackspapillen geben (taste receptors, TRBS). Jede Rezeptorzelle des Zungenepithels exprimiert nebeneinander vermutlich verschiedene Rezeptoren, vielleicht sogar alle zusammen. Damit ließe sich erklären, warum das Gehirn nur "bitter", und keine differenzierten Nuancen wahrnimmt.

Die Jagd auf die neue Rezeptorfamilie nahm bei PROP ihren Anfang. PROP (6-n-propyl-2-thiouracil) ist eine bittere Substanz, die nicht alle Menschen schmecken können. Dafür ist eine genetische Variabilität auf Chromosom 5 zuständig. Mäuse habe eine ähnliche genetische Variabilität in Bezug auf Sucrose-Octaacetat (SOA). Das zuständige Gen befindet sich auf Chromosom 6, bei Menschen hingegen auf Chromosom 12. Zur anfänglichen Orientierung bedienten sich die Forscher der Informationen aus dem Humangenom-Projekt. Sie suchten nach Genen für Transmembranproteine, die ihre Signale an ein G-Protein weiterleiten. Das G-Protein-gekoppelte Gustducin scheint für die Erkennung der Bitterkeit ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen.

Anfangs blieb der Erfolg aus. Hiroaki Matsunami und seine Bostoner Kollegen hatten jedoch den richtigen Riecher, als sie die Sequenz eines (wahrscheinlichen) Geruchsrezeptors aus dem Riechepithel zum Vergleich heranzogen. Das erste Gen, das sie nun fanden, kodiert für ein Protein aus 311 Aminosäuren, Sie nannten es hTRB2 (für human taste receptor, family B. no.2). Mit seiner Hilfe wurde die Suche noch gezielter. Insgesamt entdeckten die einzelnen Arbeitsgruppen etwa 25 mutmaßliche menschliche TRBsS. Die tatsächliche Anzahl muss aber mit etwa 40 bis 90 veranschlagt werden, da für die Suche bisher mir etwa 15% des menschlichen Genoms zur Verfügung standen. Andererseits sind TRBs sicher nicht zufällig übers gesamte Genom versteilt.

Codieren TRBs wirklich für Geschmacksrezeptoren? Für diese Frage wurde nun auch das Mausgenom auf TRBs gescannt, und die gefundenen Sequenzen mit m-PNA aus Rezeptorzellen, bzw. der entsprechenden c-DNA verglichen. Sie zeigten nahezu völlige Übereinstimmung.

Spargel tabu

Die Fährte scheint zu stimmen! Und auch für die Anwendung der Ergebnisse ist bereits gesorgt, denn viele Medikamente sind ebenfalls bitter. Das gezielte Blockieren einzelner Rezeptoren könnte deren Geschmack und damit die Akzeptanz wesentlich verbessern. Durch ihre Arbeit, so hoffen die Forscher, wird ein Teil der Bitterkeit aus dieser Welt für immer verschwinden.

In Ordnung. Solange sie die Finger vom Spargel lassen!


Letzte Änderungen: 20.10.2004