Bornavirus

von ks (Laborjournal-Ausgabe 06, 1997)


Editorial
Viren als Auslöser für Depressionen? Wäre das noch überraschend? Schließlich sind Bakterien bereits als Auslöser von Magengeschwüren akzeptiert. Und auch beim Herzinfarkt stehen inzwischen bakterielle Erreger auf der Verdachtliste.

Jetzt sitzen Viren auf der Anklagebank. Untersuchungsergebnisse bestärken die Vermutung, daß Bornaviren (Mononegavirales) neben erblichen Anlagen, Streß und anderen weniger bekannten Ursachen die Entstehung von endogenen Depressionen unterstützen. Ein Nieser genügt. Über Tröpfchen dringen sie in die Nasenschleimhaut ein. Nach Vermehrung in den Riechkolben schleichen sie sich weiter in das zentrale und periphere Nervensystem. Später machen es sich die Viren in vielen Organen und auch in den Monozyten des Blutes gemütlich. Andocken sollen die Viren mit ihrem gp 18-Protein. Der zelluläre Rezeptor ist allerdings noch unbekannt. Das Immunsystem reagiert prompt und verursacht die Symptome der Krankheit. Eine Encephalomyelitis ist die Folge. Kliniker beobachten Veränderungen der Sensibilität und des Verhaltens, Lethargie und Lähmungen als typische Störungen nach einer Borna-Infektion.
Editorial

Diese Symptome sind nicht unbekannt. Bereits 1894 wurde die Bornasche Erkrankung, benannt nach dem Ort Borna bei Leipzig, erstmals bei Pferden beschrieben. Daß die Viren auch Menschen infizieren können, stammt allerdings aus neueren Untersuchungen. Zur Diagnose weist man spezifische Antikörper in Serum oder Liquor des Patienten nach. Mit Hilfe von RT-PCR kann man VirenRNA auch direkt in Monozyten des Blutes nachweisen.

Berliner Wissenschaftler am Robert-Koch-Institut sowie der Freien Universität konnten 1996 das Virus aus Zellen von Patienten mit endogenen Depressionen isolieren und in Zellkultur vermehren. Bei Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen und bei Gesunden gelang das nicht. Die Viren ließen sich nur aus Blutproben isolieren, deren Zellen Virusproteine als Zeichen einer akuten Infektion enthielten. Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, daß die Anwesenheit von viralen Markern an Krankheitsphasen gebunden ist. Anfang 1997 berichtete die gleiche Arbeitsgruppe zusammen mit der Medizinischen Hochschule Hannover über eine Therapiemöglichkeit einer Bornavirus Infektion. Einer seit elf Jahren manisch depressiven Patientin war Amantadin, ein antivirales Medikament, verabreicht worden, das ursprünglich gegen Influenza A-VirusInfektionen verwendet wurde. Bereits zehn Tage nach der Behandlung trat eine Besserung ein. Die depressiven und manischen Symptome sind seit sieben Monaten ausgeblieben. Proteine und RNA des Virus waren nach der Behandlung nicht mehr nachweisbar.

Andere Arbeitsgruppen bezweifeln aber weiterhin, daß Bornaviren überhaupt zuverlässig in Patienten nachgewiesen werden können. Insbesondere könne die Empfindlichkeit der RT-PCR falsche positive Ergebnisse liefern, kritisieren sie.

Über die Ursache von Depressionen waren sich Psychologen und Mediziner nie ganz einig. Auch wegen der Vielfalt dieser Störung. So können reaktive Depressionen durch äußere, traumatische Umstände, wie etwa Todesfälle, ausgelöst werden, erläutert Thomas Bosse, Neurologe und Psychiater in Regensburg. Organische Depressionen seien dagegen bereits als Folge von hirnorganischen Veränderungen durch Entzündungen, z.B. nach Borreliosen, beobachtet worden.


Letzte Änderungen: 19.10.2004